FilmkritikCast
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FSK 6

FSK 6 ©FSK

Originaltitel: Deux Moi
Kinostart: 19.12.2019

Länge: ca. 110 Minuten
Produktionsland: Frankreich
Regie: Cédric Klapisch
Schauspieler: Ana Girardot | François Civil | Camille Cottin
Genre: Drama | Komödie
Verleih: StudioCanal Deutschland

Cédric Klapisch gilt als eher unbekannteres Talent der französischen Filmkunst. Einzig die beiden Filme L’AUBERGE ESPAGNOLE und die Fortsetzung L’AUBERGE ESPAGNOLE – WIEDERSEHEN IN ST. PETERSBURG konnten großen Anklang beim Publikum finden und kommerziell größeren Erfolg feiern. Immer wieder beschäftigt sich der Regisseur mit neuen Ideen die häufig eine Liebeserklärung an eine Stadt zeigen.
Schon vor EINSAM ZWEISAM hat der Regisseur mit seinen beiden Hauptdarstellern Ana Girardot und François Civil den Film DER WEIN UND DER WIND gedreht und kennt die beiden Darsteller daher bestens. Civil hat dieses Jahr bereits schon einmal in einer romantischen Liebschaft eine der Hauptrollen spielen können. In SO WIE DU MICH WILLST besticht er durch schlichte Genialität in der Verkörperung einer jugendhaften Online-Liebschaft.

Einsam Zweisam

Einsam Zweisam ©STUDIOCANAL/Emmanuelle Jacobson-Roques

Francois Civil als französisches Jungtalent

Nun ist nicht François Civil, in der Rolle des Rémy, der glückliche Liebhaber, der am Ende der Internetleitung gefunden wird, sondern ist er derjenige, der leidlich nach dem persönlichen Glück in der Stadt der Liebe sucht. Da er selbst sich nicht als wirklich begabt im Kennenlernen von Frauen einschätzt, versucht er die moderne Variante des Online-Datings. Doch ist dies gar nicht so einfach, wenn kaum eine Dame sich dazu hinreißen lässt mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Zwar teilen sie sich keinen gemeinsamen Aufgang zu ihren Wohnungen, doch vereint Rémy und Mélanie mehr als nur ihre Nachbarschaft. Denn auch Mélanie ist verzweifelt auf der Suche nach mehr als nur Freundschaft und den Spaß für eine Nacht. Doch mangelt es ihr nicht an Verehrern, sondern muss sie sich vielmehr mit ihrer persönlichen Oberflächlichkeit rumschlagen, die durch das hohe Männerangebot eingetreten ist.

In Paris ist die Luft weniger rein, aber dafür kann ich frei atmen!

In Zeiten von Internet, Smartphones und der Vernetzung aller Menschen zu jedem Zeitpunkt sollte es doch ein Leichtes sein einen Partner kennen zu lernen. Doch beide dürfen lernen, dass dies eine trügerische Illusion der Gegenwart ist. Denn die Entfremdung steigt zunehmend und das Überangebot sorgt für ewiges Hinhalten und persönliche Isolation. Dabei hilft die einhergehende Depression kein bisschen, sondern hat den Effekt, dass jeder sich noch weiter in seine Blase zurückzieht und der restlichen Welt aus dem Weg geht.

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Depressive Einsamkeit als heutige Krankheit

Mit EINSAM ZWEISAM hat es Cédric Klapisch geschafft den Nerv der Zeit zu treffen. Nach langen und intensiven Recherchen ist es ihm gelungen einen Film zu produzieren, in dem mit geschickten Bildern sowohl die Zugehörigkeit zur großen Masse als auch die Einsamkeit in der Welt der großen Vernetzung bestens dargestellt ist. Wesentliches Element ist dabei die frontale Sicht auf die beiden Wohnungen beider Protagonisten, die zwar direkt nebeneinander liegen, doch selbst vom Balkon aus nicht direkt einsehbar sind. Dazu befinden sich diese in einem riesigen Mehrfamilienhaus direkt am Hauptbahnhof Paris‘.

Einsam Zweisam

Einsam Zweisam ©STUDIOCANAL/Emmanuelle Jacobson-Roques

Geschickt schafft es Klapisch die beiden Figuren immer wieder zusammenzuführen und doch stets getrennt zu halten. Völlig glaubwürdig kommen die alltäglichen Situationen vor, in denen sich die beiden Darsteller immer wieder verpassen oder einfach zwecks der gegenseitigen Unkenntnis missachten. Dabei ist es Klapisch gleichzeitig gelungen den Figuren ähnliche Charaktereigenschaften zu verschaffen, die den Zuschauer die ganze Zeit darauf stoßen, dass niemand besser zusammenpassen würden als die Figuren von Mrs. Girardot und Mr. Civil. Bestes Beispiel ist wohl der plötzliche unerwartete Besitz einer Katze die Rémy gar nicht haben möchte und doch anfängt zu hegen und zu pflegen. Kurze Zeit später büchst diese aus und wird von Mélanie gefunden, die ebenfalls keine Katze haben möchte und sich dann doch liebevoll und herzlich um diese kümmert.

Herzhaft lustig und zugleich bitter Ernst

Mit einem wirklichen charmanten Humor sowohl in den Dialogen als auch den Bildern wird trotz eines eigentlich depressiv gestimmten Films eine wirklich lebhafte Geschichte gezaubert. Dazu tragen massiv auch die vielen starken Nebenrollen bei, unter anderem Camille Cottin und François Berléand als Psychiater oder der Ladenbesitzer um die Ecke Simon Abkarian. Während sich üblicherweise nur die Hauptdarsteller massiv im Verlaufe eines Films entwickeln, hat Klapisch bei diesen zusätzlichen Figuren ebenfalls eine starke Entwicklungskurve visualisieren können, die sich kaum merklich und schlussendlich doch deutlich in den Köpfen der Zuschauer festsetzt.

Einsam Zweisam

Einsam Zweisam ©STUDIOCANAL/Emmanuelle Jacobson-Roques

Während all dieser umfassenden und doch simplen Handlung vergisst der Regisseur zu keinem Moment seine Liebe zur Stadt Paris zu zeigen. Mit traumhaft schönen Bildern der Stadt wird ganz nebenbei eine kleine Liebeserklärung an die Metropole der Liebe geschaffen.

Ein großes Loch trennt die beiden Handlungsabschnitte

Doch nachdem EINSAM ZWEISAM lange schwungvoll als Komödie die traurige Realität darstellt, fällt die gesamte Geschichte leider in ein tiefes Loch. Exakt dieser Umschwung von Komödie auf Drama ist eher schlecht als recht gelungen und senkt die Stimmung nach gut zwei Dritteln des Werks auf ein Minimum. Genau dieses Loch hätte gefüllt werden müssen mit mehr von den überragenden Darstellungen von Paris oder ansprechender Musik und einmalig starkem Schauspiel, doch geschieht nichts davon. In „Friss oder Stirb“-Manier wird einfach ein neues Handlungsgefüge eingesetzt, welches zwar in sich stimmig ist, doch keines Wegs zur restlichen Geschichte passt. Sehr schade um die vergebene Chance!

Bewertung Michel RieckDoch scheitert daran nicht der gesamte Film, denn rückblickend bleibt der lebendige Charakter der anfänglichen Darstellungen im Kopf erhalten. Vielmehr schafft es das Werk sogar ein erstaunliches Verständnis für die Depressivität im Alltag zu schaffen, die heute wohl deutlich stärker ausgeprägt scheint als noch im letzten Jahrhundert. Unterm Strich betrachtet ist dies also eine herzliche Darstellung des heutigen Single-Daseins mit all seinen schönen Seiten und auch Unannehmlichkeiten. Es wird recht erfolgreich ein Einblick in die Herzen vieler junger Menschen vermittelt, die mit eben solchen Problemen zu kämpfen haben.

Nach Ende des Films erzählte Cédric Klapisch noch ein wenig über die Entstehung des Films und seine verarbeiteten Wünsche sowie auch ein wenig über sich selbst. Alles dazu könnt ihr hier nachlesen!

Schauspieler:in Rolle
François Civil Rémy Pelletier
Ana Girardot Mélanie Brunet
Camille Cottin La psy de Mélanie
François Berléand J. B. Meyer – le psy de Rémy
Simon Abkarian Mansour – I’épicier
Eye Haidara Djena
Rebecca Marder Capucine Brunet
Pierre Niney Mathieu Bernard
Zinedine Soualem Le pharmacien
Virginie Hocq La pharmacienne
Paul Hamy Steevy
Marie Bunel Madame Pelletier
Patrick d’Assumçao Monsieur Pelletier
Garance Clavel La belle – soeur de Rémy