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A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani ©2022 Neue Visionen Filmverleih

Laut Statistiken des Zentralen Fundbüros in Deutschland verliert jeder von uns jährlich 1,24 Dinge pro Jahr, was sich allein in Deutschland auf ganze 100 Millionen Gegenstände aufsummiert. Vom Ladekabel bis zum Regenschirm, von Kopfhörern bis zu Laptops und von Handys bis zu Geldbörsen. So ziemlich alles lassen die Menschen willkürlich liegen, und nur ein kleiner Teil davon wird je wiedergefunden. Während bei der Deutschen Bahn die Finderquote noch bei 60% liegt, ist sie im Bundesdurchschnitt gerade einmal bei 20-30%.[1] Umso spannender wird es, wenn wir einen Blick auf die Ehrlichkeit der Finder werfen. Laut dem Fachblatt Science wurde ein Test durchgeführt, in welchem 17.000 Brieftaschen mit verschiedensten Geldsummen in 40 verschiedenen Ländern bewusst „verloren“ wurden. Das Gesamtergebnis zeigte überraschenderweise, dass gut gefüllte Portemonnaies deutlich eher vollständig abgegeben wurden als die, die wenig Geld enthielten.[2]

A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani ©2022 Neue Visionen Filmverleih

Im entferntesten Sinne hat sich Asghar Farhadi dieser Thematik mit seinem neuen Film, der beim Filmfestival von Cannes den Großen Preis der Jury gewonnen hat und bei den Golden Globes für den Besten fremdsprachigen Film eine Nominierung erhielt, angenommen. Farhadi ist hierzulande schon mehrfach groß in Erscheinung getreten, denn er zählt mittlerweile zu den Stammgästen bei der jährlichen Berlinale. Zuletzt inszenierte er den Film OFFENES GEHEIMNIS, in dem Penélope Cruz und Javier Bardem nach einer Familienfeier verzweifelt die Tochter der Hauptfigur suchen müssen. Diesmal jedoch setzt der gefeierte Regisseur auf einen international weitestgehend unbekannten und vor allem heimatlich iranischen Cast und verlagerte auch die Dreharbeiten wieder das vorderasiatische Land. Teil der Geschichte ist zudem auch seine Tochter Sarina Farhadi.

Darum geht es…

Es ist ein glücklicher Tag. Rahim hat endlich Freigang und darf zwei Tage lang die Freiheit auskosten. Im Gefängnis sitzt er, weil er einem guten Freund Geld schuldet, welches er sich im Rahmen einer Unternehmensgründung geliehen hat und nicht zurückzahlen kann. Ihm selbst geht es ziemlich schlecht damit, und er möchte diese Schuld unbedingt loswerden, damit er zusammen mit seiner Freundin ein neues Leben starten kann. Dass in dem Moment seine Partnerin eine Tasche voller Goldmünzen findet, könnte kaum besser passen. Eine erste Expertise ergibt, dass die 17 Goldmünzen etwa den Wert von der Hälfte der Schulden hätten – ein Befreiungsschlag der Rahim nah an sein Ziel bringt. Doch kann er einfach fremde Besitztümer verscherbeln? Er tut das einzig Richtige und meldet einer lokalen Stelle seinen Fund, und tatsächlich ruft nur kurze Zeit später die Eigentümerin bei ihm an. Nach der Rückgabe der Wertsachen gilt er als lokaler Held, doch dieser Status hält nicht lange.

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Rezension

A HERO – DIE VERLORENE EHRE DES HERRN SOLTANI macht lange Zeit den Anschein, als wäre es ein einfaches, kleines, sympathisches Drama, welches ein Dankeschön an alle ehrlichen Menschen dieser Welt richten möchte. Da Hauptdarsteller Amir Jadidi äußerst sympathisch auftritt, ist es leicht, mit seiner Figur zu connecten und einfach den Ruhm zu genießen, der ihn hinsichtlich der ehrbaren Rückgabe der Handtasche umgibt. Doch ganz so einfach macht es uns Ferhadi dann doch nicht. Tatsächlich entwickelt sich ein geradezu undurchdringbares Geflecht von höflichen Taten, falschen Behauptungen, Lügen, verdrehten Zusammenhängen und dem simplen Wunsch, einfach nur frei von jeder Sorge leben zu können. Es ist regelrecht beeindruckend, wie leicht uns der Regisseur aufs Glatteis führt und aufzeigt, wie positive Taten doch ein Gesamtbild verfälschen können. Immer wieder bekommen wir wie kleine Leckerlies eine neue Information zugeworfen, die teilweise ein komplett neues Bild auf den Sachverhalt und die Figuren wirft.

A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani ©2022 Neue Visionen Filmverleih

Äußerst ungewöhnlich und gleichzeitig angenehm ist es dabei, dass wir keinen klassischen Antagonisten zu sehen bekommen. Lange Zeit erscheint der Gläubiger, als wäre dies der große Endgegner, den es zu besiegen gilt, um den Weg in die Freiheit zu erkämpfen. Doch als dieser einen kleinen Monolog über die Frage von Schuld, Ehrenhaftigkeit und Aufrichtigkeit abhält, wird uns erst einmal ordentlich der Kopf gewaschen. In dessen Folge untersucht A HERO – DIE VERLORENE EHRE DES HERRN SOLTANI die vorangegangenen Eigenschaften ein wenig genauer und geht der Frage nach: Wann ist ein Held ein Held? Die vielen Wendungen, die dabei eine Rolle spielen, werden geschickt gesetzt und verpassen der Handlung immer wieder, wenn die Gefahr besteht, dass in einen unangenehmen Trott verfällt, einen angenehmen neuen Schwung. Insbesondere wird dies dadurch unterstützt, dass dem Publikum stets offeriert wird, selbst darüber nachzudenken, wie man in verschiedensten Gewissenskonflikten handeln würde.

Mogelei oder smartes Finale?

Problemlos gelingt es Farhadi, aus Sympathien Antipathien entstehen zu lassen und umgekehrt. Gleichzeitig kritisiert er das Thema Glaubwürdigkeit in den verschiedensten Ebenen einer Gesellschaft, angefangen in einer Partnerschaft bis hoch zu der exekutiven Gewalt. Damit spricht er ein unglaublich aktuelles Thema und Phänomen an, welches gerade in Deutschland erschreckend präsent ist. Noch immer haben Sprichworte wie: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,“ oder: „Lügen haben kurze Beine,“ einen allgemeingültigen Status und haben in Deutschland mit absurden Maskendeals und Impfbetrug dazu geführt, dass Teile der Gesellschaft zunehmend Skepsis entwickelt haben und somit jegliches Vertrauen verloren geht. Dieses Prinzip ist im Kleinen in diesem Film hervorragend zu beobachten, und es wird deutlich, wie sich die Problematik Schrittweise rückwärts auf alle Instanzen niederschlägt.

A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani ©2022 Neue Visionen Filmverleih

Für das Publikum ist es bis zum Schluss schwer abzuwägen, wem es letztendlich Glauben schenken soll. Der Regisseur versucht sich dabei bewusst aus der Affäre zu ziehen und gestaltet das Ende offen, was auf der einen Seite nachvollziehbar ist, da so die Zuschauenden sich selbst ein Bild zusammenreimen können. Auf der anderen Seite jedoch entsteht der Eindruck, dass eine gewisse Einfallslosigkeit aufkommt, wie ein schlüssiger Bogen gestaltet werden könnte, der die Faktenlage abschließt. Es wäre dabei wohl relativ einfach gewesen, die Konsumenten zufrieden zu stellen, indem zwar die Geschichte des Protagonisten offenbleibt, uns aber zumindest noch ein Blick auf die Dame gewährt würde, die ihre Tasche verloren hat. Damit wäre der breite Interpretationsspielraum des Sachverhalts gewahrt, und wir hätten dennoch eine gewisse Form der abschließenden Aufklärung erhalten.

Fazit

A HERO – DIE VERLORENE EHRE DES HERRN SOLTANI ist als iranische Produktion äußerst verzwickt und hinterfragend gestaltet und entwickelt aus einer scheinbar positiv zu bewertenden Thematik eine Story, bei der das Publikum angeregt wird, Fakten zu hinterfragen und die eigene Sichtweise auf die voreilige Lobhudelei oder Antipathie von den verschiedensten Personen zu setzen. Es ist angenehm, immer wieder von Asghar Farhadi in die Irre geführt zu werden, zumal Hauptdarsteller Jadidi dies mit seinem unentwegten Lächeln stets noch ein wenig verschärft. Dieses Werk kann wohl als Mainstream der iranischen Filmkunst betitelt werden, da es ungewöhnlich agil daherkommt und nicht so sperrig wirkt wie andere Filme selber Herkunft. Auch wenn es sich hierbei nicht um ein Meisterwerk handelt, welches man unbedingt gesehen haben muss, so eignet er sich dennoch für einen angenehmen Kinobesuch.

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Quellen

[1] Faktencheck – Lost and Found Infographic, Zentrales Fundbüro, zentralesfundbuero.com, abgerufen am 07.03.2022

[2] Civic honesty around the globe, science.org, abgerufen am 07.03.2022

Wer hat von uns hat nicht schon einmal etwas in seinem Leben verloren? Geldbörsen, Schlüssel, Kopfhörer oder Kleidung – es ist oft in einem Moment, in dem wir es am wenigsten erwarten, wenn plötzlich klar wird, dass man einen Gegenstand irgendwo hat liegen lassen. Regisseur Asghar Farhadi hat sich nun einmal den Gewissenskonflikten angenommen, die ein dementsprechender Finder haben kann, insbesondere wenn dieser generell als gutmütig betitelt werden kann und gleichzeitig extrem von der Fundsache profitieren könnte. In einem unaufgeregten Drama schickt uns der Regisseur auf eine Reise voller Widersprüche, die uns selbst an unserer Beurteilungsfähigkeit zweifeln lassen und das Publikum somit immer wieder aufs Glatteis führt. Farhadi bleibt dabei jedoch weitestgehend wertungsfrei und versucht schlichtweg, den Zuschauenden zu symbolisieren, wie leicht es ist, falsche Urteile zu fällen und diffamierende Bilder von Personen zu erzeugen.

Thematisch definitiv aktueller denn je in Zeiten, in denen Millionen von Menschen in den sozialen Medien scheinbar allem und jedem Glauben schenken. Wird dieser Film daran etwas ändern? Mit Sicherheit nicht, denn es bleibt eine kleine Arthouse Produktion, die die meisten Kinobesuchenden wohl ignorieren werden und dessen Message wohl nur diejenigen erreicht, die ohnehin schon das Onlinegebaren kritisch bewerten.

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A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani ©2022 Neue Visionen Filmverleih

According to statistics from the Central Lost Property Office in Germany, each of us loses 1.24 things a year, which adds up to a whole 100 million items in Germany alone. From charging cables to umbrellas, from headphones to laptops and from mobile phones to wallets. People leave just about everything lying around at random, and only a small part of it is ever found again. While the finder rate for German Railways is 60%, the national average is just 20-30%.[1] This makes it all the more exciting when we take a look at the honesty of the finders. According to the journal Science, a test was carried out in which 17,000 wallets with various sums of money were deliberately “lost” in 40 different countries. The overall results showed, surprisingly, that wallets that were well-filled were significantly more likely to be turned in complete than those that contained little money.[2]

A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

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In the remotest sense, Asghar Farhadi has addressed this issue with his new film, which won the Grand Jury Prize at the Cannes Film Festival and received a nomination for Best Foreign Language Film at the Golden Globes. Farhadi has made several big appearances in this country, as he is now a regular at the annual Berlinale. Most recently, he directed the film TODOS LO SABEN, in which Penélope Cruz and Javier Bardem must desperately search for the main character’s daughter after a family party. This time, however, the celebrated director relies on an internationally largely unknown and above all native Iranian cast and also relocated the filming to the Near Eastern country again. His daughter Sarina Farhadi is also part of the story.

That’s what it’s about…

It is a happy day. Rahim has finally been released and is allowed to enjoy his freedom for two days. He is in prison because he owes a good friend money that he borrowed to start a business and cannot pay back. He himself is in a pretty bad way with it, and he desperately wants to get rid of this debt so that he can start a new life together with his girlfriend. That at that moment his partner finds a bag full of gold coins could hardly be more fitting. An initial appraisal shows that the 17 gold coins would be worth about half the debt – a liberating blow that brings Rahim close to his goal. But can he simply sell off other people’s possessions? He does the only right thing and reports his find to a local office, and indeed the owner calls him only a short time later. After returning the valuables, he is considered a local hero, but this status does not last long.

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Review

GHAHREMAN makes for a long time as if it were a simple, small, sympathetic drama that wants to say thank you to all honest people of this world. Since lead actor Amir Jadidi appears extremely likeable, it is easy to connect with his character and simply enjoy the fame that surrounds him regarding the honest return of the handbag. But then Ferhadi does not make it quite so easy for us. In fact, an almost impenetrable web of polite deeds, false allegations, lies, twisted connections and the simple desire to just be able to live free of any care develops. It is downright impressive how easily the director leads us up the garden path and shows how positive deeds can distort the overall picture. Again and again, like little treats, we get a new piece of information thrown at us, which sometimes throws a completely new light on the facts of the case and the characters.

A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani ©2022 Neue Visionen Filmverleih

What is extremely unusual and at the same time pleasant is that we don’t get to see a classic antagonist. For a long time, the believer appears as if this were the great final opponent who must be defeated in order to fight his way to freedom. But when he holds a little monologue on the question of guilt, honourability and sincerity, we first get our heads properly washed. In its aftermath, GHAHREMAN examines the preceding qualities a little more closely and explores the question: When is a hero a hero? The many twists and turns that play a part in this are skilfully placed and give the plot a pleasant new impetus every time there is a danger of it falling into an unpleasant rut. This is especially supported by the fact that the audience is always offered to think for themselves about how they would act in various conflicts of conscience.

Cheating or a smart finale?

Farhadi easily manages to turn sympathies into antipathies and vice versa. At the same time, he criticises the issue of credibility at the most diverse levels of a society, starting with a partnership and ending with executive power. In doing so, he addresses an incredibly topical issue and phenomenon that is frighteningly present in Germany in particular. Proverbs such as: “He who lies once is not believed,” or: “Lies have short legs,” still have a universally valid status and have led in Germany, with absurd mask deals and vaccination fraud, to parts of society increasingly developing scepticism and thus losing all trust. This principle can be observed excellently on a small scale in this film, and it becomes clear how the problem is gradually reflected backwards to all instances.

A Hero - Die verlorene Ehre des Herrn Soltani

A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani ©2022 Neue Visionen Filmverleih

For the audience, it is difficult to weigh up until the end who they should ultimately believe. The director deliberately tries to get out of the affair and leaves the ending open, which is understandable on the one hand, as it allows the audience to make up their own minds. On the other hand, however, the impression arises that there is a certain lack of imagination as to how a coherent arc could be designed that would conclude the factual situation. It would probably have been relatively easy to satisfy consumers by leaving the protagonist’s story open, but at least giving us a glimpse of the lady who lost her bag. This would have preserved the broad scope for interpretation of the facts, and we would still have received some form of concluding enlightenment.

Conclusion

As an Iranian production, GHAHREMAN is extremely tricky and questioning in its design, developing a story out of a seemingly positive subject matter, where the audience is encouraged to question facts and put their own perspective on the hasty praise or antipathy from a wide variety of characters. It is pleasant to be repeatedly led astray by Asghar Farhadi, especially as lead actor Jadidi always exacerbates this a little with his incessant smile. This work can probably be called mainstream Iranian cinema, as it comes across as unusually agile and does not seem as unwieldy as other films of its own origin. Even if this is not a must-see masterpiece, it is still suitable for an enjoyable visit to the cinema.

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Sources

[1] Faktencheck – Lost and Found Infographic, Zentrales Fundbüro, zentralesfundbuero.com, abgerufen am 07.03.2022

[2] Civic honesty around the globe, science.org, abgerufen am 07.03.2022

Originaltitel Ghahreman
Kinostart 31.03.2022
Länge ca. 127 Minuten
Produktionsland Iran | Frankreich
Genre Drama
Verleih Neue Visionen
FSK
FSK 12

FSK 12 ©FSK


Regie Asghar Farhadi
Drehbuch Asghar Farhadi
Produzierende Asghar Farhadi | Rémi Burah | Hamid Reza Ghorbani | Alexandre Mallet-Guy | Olivier Père
Kamera Ali Ghazi | Arash Ramezani
Schnitt Hayedeh Safiyari

Besetzung Rolle
Amir Jadidi Rahim Soltani
Mohsen Tanabandeh Bahram
Sahar Goldust Farkhondeh
Fereshteh Sadre Orafaiy Mrs. Radmehr
Ehsan Goodarzi Nadeali
Sarina Farhadi Nazanin
Maryam Shahdaei Malileh
Alireza Jahandideh Hossein
Farrokh Nourbakht Salehi
Mohammad Aghebati Salehpoor
Saleh Karimaei Siavash Soltani
Ali Ranjbari Taxifahrer
Fatemeh Tavakoli Besitzerin der Münzen
Amir Amiri Gefangener

 

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