gesehen im Rahmen der 59. Internationalen Hofer Filmtage
Mousse au Chocolat zum Nachtisch – SOFT LEAVES von Miwako van Weyenberg
SOFT LEAVES erzählt eine Geschichte wie sie viele Coming of Age-Filme erzählen – von grundlegender Veränderung, von aufgewühlten Familiendynamiken, von eingesperrten Vögeln. Als Yunas Vater Julien (Geert Van Rampelberg) ins Koma fällt, kehrt ihre Mutter Aika (Masako Tomita) nach langer Zeit aus Japan zurück, um sich um das Mädchen zu kümmern. Mittlerweile hat sie eine weitere Tochter und sich ein weiteres Leben weit weg von Belgien aufgebaut. Größere Verbundenheit spürt Yuna deshalb zu ihrem älteren Bruder Kai (Kaito Defoort), der in Deutschland studiert und nach dem Unfall des Vaters ebenfalls zurück in seine Heimat kehrt.
Die geschwisterliche Beziehung, die Miwako van Weyenberg in ihrem Spielfilmdebüt auf Augenhöhe und ohne größere künstliche Konflikte einfängt, ist eines von vielen leisen Puzzleteilen, die das unaufgeregte Coming of Age-Drama ausmachen. Ein anderes ist die ruhige, sensible Performance von Lill Berteloot, die dem Inneren ihrer Figur, dem Identitäts- und Gefühlschaos, stillen, aber kräftigen Ausdruck verleiht und damit häufig eingehender ist als bekannte, wenig subtile Jugendfilm-Motive.
![Ein Mädchen mit langen, glatten, braunen Haaren trägt ein gestreiftes T-Shirt in hellen Farben und eine blaue Latzhose. Sie steht im Freien vor einem Hintergrund aus grünen Bäumen und unscharfem Laub. [erstellt mit KI]](https://riecks-filmkritiken.de/wp-content/uploads/2025/10/Soft-Leaves-Still-1.jpg)
Soft Leaves © 2025 Hofer Filmtage
Einfühlsam beobachtet die Regisseurin eine ohnehin vertraute Geschichte von Umstellung und einer mehrschichtigen Eltern-Kind-Beziehung, die Yunas kindliche, aufgewühlte Perspektive und Identitätssuche noch radikaler hätte einfordern und einnehmen können. So ist SOFT LEAVES bodenständig gefilmt, aber häufig ohne eigene Stimmkraft; fast zu gleichförmig für die Emotionen, die er im Inneren seiner Figuren festhält. Ein Rauschen, das nie laut genug wird, eine Fahrt auf dem Fahrrad, die nie weit genug wegführt, ein Vogel der aus dem Käfig fliegt, aber nie hoch genug.
Krisenherd: Weihnachtsessen – EIN ABEND IM DEZEMBER von Matthias Kreter
Eine Familie lädt zum alljährlichen Vorweihnachtsdinner. Diesmal mit dabei: die junge Studentin Annika (Katharina Stark), ihr Onkel (DARK-Darsteller Sebastian Rudolph), Mutter Monika (Nicole Marischka) und Thomas (Lukas Miko), Annikas Stiefvater, sowie dessen Geschäftspartner (Valery Tscheplanowa und Christian Erdmann). Und eigentlich auch Maya, Annikas jüngere Schwester, die an diesem Abend jedoch heimlich länger ausgeht. Die Nachricht von einem Terroranschlag in der Frankfurter Innenstadt schürt im Laufe des Abends nicht nur die Sorge um Maya, sondern setzt auch das vermeintliche Idyll der gutbürgerlichen Familie gewaltig unter Druck.
![Eine Gruppe von Menschen sitzt an einem gedeckten Esstisch in einem gemütlich eingerichteten Raum. Der Tisch ist mit einem weißen Tischtuch bedeckt und mit Kerzen, Gläsern und Tellern dekoriert. Im Hintergrund sind an der Wand mehrere Bilderrahmen zu sehen. Die Personen sind in Gespräche vertieft und halten teilweise Gläser in der Hand. [erstellt mit KI]](https://riecks-filmkritiken.de/wp-content/uploads/2025/10/Ein-Abend-im-Dezember-Still-2-1400x586.jpg)
Ein Abend im Dezember © 2025 Hofer Filmtage
Jenes splittert ähnlich wie die Fassaden in vergleichbaren Kammerspielen, die etwa Sönke Wortmann mit FRAU MÜLLER MUSS WEG oder EINGESCHLOSSENE GESELLSCHAFT hierzulande ausreizte. Vom anfänglichen, peinlichen Schweigen zu Beginn und oberflächlichen Konversationsversuchen entwickeln sich die Konflikte innerhalb des familiären Kreises zu reißerisch konstruierten Siedepunkten. Mit der Nachricht vom Anschlag wächst nicht nur das Unbehagen innerhalb der Familie, sondern zeigen sich auch die egozentrischen Offenbarungseide und rassistischen Querschläge, die zwar kurz thematisiert, aber nie gründlich aufbereitet sind.
Und noch etwas macht sich unter den Versammelten breit. Ein destabilisierendes Gefühl der Ungewissheit. Angst. Diese jedoch nicht, ohne sich an gängigen Geschlechterstereotypen zu orientieren: Mutter und Tochter emotional aufgewühlt, panisch; die männlichen Charaktere gefasst und rational. Figuren agieren schematisch, so auch im Typus des ständig nur ans Business denkenden Geschäftsmannes. Mayas Freund Barir (Soufiane El Mesaudi) hingegen tritt im Vergleich zu den anderen Akteur*innen in den Hintergrund, wodurch sein Potential kaum zur Geltung kommt.
Mit seinen eskalierenden Konfrontationen und überspitzten Figurenzeichnungen tappt das routiniert gefilmte Kammerspiel zwischen demaskierendem Familiendrama und tonal holpriger schwarzer Komödie, ohne eine zermürbende Intensität oder den Grund der destruktiven Familiendynamiken wirklich zu erreichen.
![Zwei Personen sitzen nebeneinander auf einer Stufe vor einem Gebäude mit großen Fenstern. Beide halten jeweils ein Stück Pizza in der Hand, vor ihnen stehen geöffnete Pizzakartons mit der Aufschrift 'PIZZA'. Die Person links trägt ein blaues T-Shirt und schwarze Shorts, die Person rechts ein gestreiftes T-Shirt mit kurzen Ärmeln und Shorts. Im Hintergrund ist ein Teil eines Hauses mit einem Giebel zu sehen. [erstellt mit KI]](https://riecks-filmkritiken.de/wp-content/uploads/2025/10/Soft-Leaves-Still-4.png)
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