Lauthals kläffend stimmen Hunde auf die raue Atmosphäre folgender zweieinhalb Stunden ein. Genügend Zeit, in der der in Wien geborene Regisseur Constantin Hatz die Dimensionen titelgebender GEWALTEN durchleuchten kann. Sein Beitrag zur Berlinale-Sektion Perspektive Deutsches Kino ist düsteres und pessimistisches Kino, der Einblick in eine lieblose Lebensrealität, welche sich selbst aufgegeben zu haben scheint. Für die intensiven Bilder und die eindringliche Seherfahrung wurde Kameramann Rafael Starman auf der diesjährigen Berlinale der unabhängige Heiner-Carow-Preis zur Förderung der deutschen Filmkunst überreicht.
Darum geht es…
Daniel ist vierzehn Jahre alt und lebt gemeinsam mit Vater und Bruder in einem abgelegenen Häusschen, umringt von rauer Natur. Noch unterkühlter ist der Umgangston, in dem der verbitterte, im Sterben liegende Vater und der dominante große Bruder mit ihm reden. In einer trostlosen Welt versucht Daniel, seinen eigenen Weg zu finden und trifft auf Marcel, der wie er selbst als ein Ausgestoßener behandelt wird. Beide eint eine ganz besondere Beziehung zu den angrenzenden Wäldern, die nicht nur Begräbnisstätte, sondern auch Lebensquelle sind …
Rezension
Obwohl er bereits mit seinen rotbraunen Haaren aus der kühlen Tristesse seiner Heimat hervorsticht, führt der junge Daniel, zurückhaltend dargestellt von Malte Oskar Frank, ein angepasstes, oftmals unterwürfiges Leben. Während er selbst das Schicksal seines Vaters und die dysfunktionellen Familienstrukturen verarbeiten muss, ist sein Zufluchtsort der nahegelegene Wald. Jener ist in seiner Präsenz allgegenwärtig, mal von unheimlicher Größe und mal von umarmender Geborgenheit. Atmosphärisch wandert GEWALTEN damit auf der Fährte der Netflix-Erfolgsserie DARK und deren ähnlich düster eingefangene Kleinstadt Winden, kreiert jedoch ebenso eigene Bedrohlich- und Ausweglosigkeit, die mithilfe der dunkeln, kühlen Bilder jegliche Leichtigkeit erdrücken.
In der von Hass und Unzufriedenheiten erfüllten Welt, die nicht zuletzt in konsequenter Weise in übersteigerten Männlichkeitsvorstellungen, verbalen und körperlichen Konfrontationen und demaskierender Fremdenfeindlichkeit mündet, ist der Ausdruck von GEWALTEN äußerst vielfältig. Abgesehen von den lenkenden Familienstrukturen herrschen auch in der Schule und in der Freizeit der Hauptperson einschränkende, zum Teil erniedrigende Machtgefälle. Die Schauspieler, unter anderem Robert Kuchenbuch und Eric Cordes, agieren durchweg mit kalten, abweisenden Zügen, nur wenige Charaktere offenbaren ihre sensiblen Seiten, ohne sie danach in ein Lügengebilde zu hüllen. Die fortwehrende Ohnmacht und Ausweglosigkeit sorgt gleichzeitig für eindringliche Intensität, wie sie das Publikum die überlange Laufzeit fühlen lässt. Mit seinen repetitiven Dialogen, den wortkargen, teils phrasenhaften Begegnungen der Figuren und seiner elegischen Herangehensweisen ist die Sichtung des Films keine unbeschwerte und unverkrampfte Seherfahrung, wohl aber eine, die nachwirken kann.
Fazit
In der abweisenden, bedrückenden Welt des Protagonisten wirkt der nasskalte Naturalismus des Waldes nahezu wie ein warmes und behütetes Zuhause. GEWALTEN wartet mit allerhand schweren Themen auf und versucht gar nicht erst, jene weniger erdrückend in Szene zu setzen. Stattdessen zeigt er über zweieinhalb Stunden eine Geschichte von Ablehnung und Unterdrückung, der nur selten ein Ausbruch oder menschliche Zuneigung innewohnt. Schön bebilderte, zuweilen verspannt und starr gespielte, ungemütliche Filmkunst aus Deutschland.
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Originaltitel | Gewalten |
Berlinale – Release | 12.02.2022 |
Berlinale – Sektion | Perspektive Deutsches Kino |
Länge | ca. 148 Minuten |
Produktionsland | Deutschland |
Genre | Drama |
Verleih | unbekannt |
FSK | unbekannt |
Regie | Constantin Hatz |
Drehbuch | Constantin Hatz |
Produktion | Matthias Greving |
Musik | Corinna Zink |
Kamera | Rafael Starman |
Schnitt | Marco Rottig |
Besetzung | Rolle |
Susanne Bredehöft | Erika |
Malte Oskar Frank | Daniel |
Robert Kuchenbuch | Vater |
Paul Wollin | Marcel |
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