Review Fakten + Credits


Unruhen bei Kinovorstellungen, Aufführungsboykott, hohe Altersfreigabe: Bereits Pasolinis Debütfilm sorgte seinerzeit für Furore und Verärgerung in seinem Entstehungsland, bevor er im Ausland erste Erfolge sammeln konnte. Sechzig Jahre nach der Auszeichnung des Regisseurs bei den Internationalen Filmfestival in Karlsbad und zum 100. Geburtsjahr des Filmemachers erscheint ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN Aß nun auf Blu-ray und DVD. Gemeinsam mit vier anderen Werken ist der Film Teil einer sehenswerten Collection, welche Plaion Pictures dem Aufsehen erregenden italienischen Künstler Pier Paolo Pasolini widmet.

Darum geht es

Der junge Vittorio Cataldi, genannt Accattone, lebt in einem heruntergekommenen Vorort Roms. Frau und Sohn hat verlassen, einkunfts- und arbeitslos verbringt er Tag für Tag. Als seine Geliebte ins Visier der Polizei gerät, spitzt sich die Lage für ihn zu. Accattone sucht Hilfe bei Ascenza, die sich jedoch längst von ihm abgewandt hat, wie es nunmehr auch seine einstigen Freunde und Bekannte tun …

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Rezension

Pier Paolo Pasolini Collection Cover

Pier Paolo Pasolini Collection ©2022 Plaion Pictures

Rastlos dreht sich die Spirale des Elends und der Verzweiflung, bis sie ihre absehbaren Opfer fordert. Gefunden hat sie diese in ACCATTONE schon von vornherein: die Menschen am Stadtrand, die Armen, die Ausgestoßenen, aus deren Lokalisation der Film kein Geheimnis macht. Wiederholt wird ihre Lebensrealität und ihr Milieu bildlich verortet, etwa wenn eine Landschaft in nächtlicher Dunkelheit versinkt und nur im Hintergrund die Umrisse einer Stadt zu erkennen sind. Der Film kennt sein Milieu genau, Dank der aus dem porträtierten Umfeld stammenden, überwiegenden Laien-Darsteller und deren Mitarbeit am Drehbuch. Ungeschönt und in episodenartiger Struktur werden Missstände herausgestellt und der Werdegang der titelgebenden Hauptfigur zum bitteren Exempel.

Das Schicksal des Taugenichts, dem Franco Citti allein mit seinen Gesichtsausdrücken unheildrohende Aussagekraft verleihen kann, ist geprägt von dessen impulsiver, mitunter heimtückischer Art. Ein Mann ohne Perspektiven, dessen Geschichte dicht mit allerhand Nebenfiguren und beißend mit christlichen Symbolen angereichert ist. Zuneigungen und romantische Entwicklungen sind oberflächlich, für eine einfühlsame Seite ist kein Platz in der Welt von ACCATTONE. Stattdessen zeichnen sich wiederholt zerstörerische Abhängigkeitsverhältnisse, Gruppen- und Bandendynamiken, Ausbeutungsmechanismen und festgefahrene Rollenverständnisse ab, die den Figuren alle Hoffnung abverlangen. Auswege aus dem tristen Leben der Charaktere gibt es nur wenige und die wenigsten davon sind von Dauer.




In neorealistischen Zügen folgt der Film der betrübten Erzählschraube und schafft allen voran mit der musikalischen Begleitung von Stücken Johann Sebastian Bachs wirkungsvolle Kontraste. In ausdrucksvollen Schwarzweiß-Aufnahmen entstehen Bilder mit Symbolgehalt, ohne den beinah dokumentarischen Blick auf das Milieu zu verlieren. Außerordentlich und unheilvoll bauen sich Bildkompositionen und Kamerafahrten auf, in denen das rohe, ungeschminkte Schauspiel mitunter zermürbende Wirkung zeigt. In der zweiten Hälfte verliert ACCATTONES zielloses Pendeln zwischen ehemaligen Freunden, Partnerin und neuer „Liebhaberin“ an Eindringlichkeit. Doch auch in seiner durchaus spürbaren Länge und trotz der fiktionalisierten und dramatisch zugespitzten Biografie bleibt der Film ein entschlossenes Zeitzeugnis.

Fazit

Ernstes Erstlingswerk Pasolinis, welches Last und Elend eines römischen Vorortes und dessen Bewohner*innen zeigt. ACCATTONE – WER NIE SEIN BROT MIT TRÄNEN Aß ist geradsinnig und konsequent erzählt, dabei auch erschöpfend und unangenehm, aber bereits eindringlich wie ausdrucksstark inszeniert und gefilmt.

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