Ehe der Freiheitskämpfer Nelson Mandela, der sich aufgrund seines politischen Engagements und dem Kampf für die Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung des Landes über 26 Jahre in Haft befand, im Jahre 1994 schließlich zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt wurde, durchlebte das Land viele Jahre voller Ungerechtigkeit und Rassentrennung. Während dieser Periode, der sogenannten Apartheid, prägte ein bestimmtes Wort den Widerstand gegen die weißen Unterdrücker. AMANDLA! Die Grußform der Anti-Apartheid-Bewegung, die frei übersetzt so viel wie „Die Macht“ bedeutet und meist von einem „Awethu“ („Dem Volke“) begleitet wurde, galt als Schlachtruf einer ganzen Generation junger schwarzer Männer und Frauen. Nun beschäftigt sich das direkt auf Netflix veröffentlichte Crime-Drama der jungen Regisseurin und Drehbuchautorin Nerina De Jager, die für ihr Regiedebut eben jenen prägnanten Ruf als Titel wählte, jedoch weniger mit der Widerstandsbewegung selbst, sondern zeigt auf wie unterschiedlich sich ein Leben zwischen Rassenhass und Armut auf das Leben zweier junger Brüder auswirken kann. Das Ergebnis ist ein intensiver Trip, der sich aus der unübersichtlichen grauen Masse an mittelprächtiger Netflix-Filme abhebt.
Darum geht es…
Impi (Lemogang Tsipa) und sein jüngerer Bruder Nkosana (Thabo Rametsi) gehören zur unterdrückten schwarzen Bevölkerung Südafrikas. Doch anders als viele ihrer verfolgten Mitbürger wachsen sie abseits der von Armut und Leid geprägten, überfüllten Großstädten des Landes auf. Gemeinsam mit ihren Eltern arbeiten die Beiden auf dem Landsitz eines reichen, weißen Farmers. Als sich Impi und die Tochter des Farmers näherkommen und dies nicht unentdeckt bleibt, hat die Liebe zwischen den Beiden eine schreckliche Tragödie zur Folge. Der einzige Ausweg für das Geschwisterpaar scheint die Flucht in die Stadt. Das bietet ihnen zunächst zwar Schutz vor ihren Verfolgern, doch das raue Leben auf den Straßen der Townships hat seinen Preis. Um seinem kleinen Bruder ein Dach über dem Kopf und einen vollen Magen gewähren zu können, muss Impi einen Weg einschlagen, der ihn einige Jahre später als jungen Erwachsenen wieder einholen wird. Das stellt nicht nur die Beziehung der Brüder auf eine harte Probe, sondern entwickelt sich zum riskanten Wettlauf gegen die Zeit, bei dem das Leben Impis und seiner schwangeren Freundin auf dem Spiel steht.
Rezension
Wenn die Kamera die malerischen Kulissen der südafrikanischen Steppen in sonnendurchfluteten Bildern einfängt und der atmosphärische Score filmische Elemente mit traditionellen afrikanischen Klängen vereint, fühlt man sich sofort in einer bezaubernden, fremden Welt gefangen. Die ersten 30 Minuten sind schlichtweg großartig. Die Kindheit von Impi und Njosana ist voller Widersprüche: Kindliche Unschuld trifft auf blinden Hass, die Schönheit des Landes auf die hässliche Natur des Menschen – und Hoffnung wandelt sich in betäubende Machtlosigkeit. AMANDLA baut in diesen Minuten eine subtile Spannung auf, die von der stetigen Präsenz einer aufkeimenden Bedrohung begleitet wird. Im starken Kontrast dazu steht die warmherzige Dynamik zwischen dem Brüdergespann, aber auch die sich anbahnende junge Romanze zwischen dem einfachen Arbeiterjungen und der privilegierten Tochter besseren Hauses, bei der Herkunft und Hautfarbe keinerlei Bedeutung spielen. Fantastisch!
Erwachsenwerden in Zeiten der Apartheid
Wenn nach einem etwas größeren Zeitsprung die schönen Kulissen Südafrikas den tristen, schmutzigen Townships weichen und sich AMANDLA zum waschechten Gangsterfilm wandelt, bleiben zwar auch die authentisch fotografierten Bilder, die Faszination der Exposition wird jedoch nie wieder erreicht. Die Ereignisse in ihrer Kindheit haben die beiden Bruder nachhaltig geprägt. Doch wo sich Nkosana für eine Laufbahn als Polizist entscheidet, um sich der noch immer andauernden Ungerechtigkeit zu stellen, schlägt Impi eine mehr oder weniger ungewollte Laufbahn als Verbrecher ein. Um seinem kleinen Bruder ein besseres Leben bieten zu können, opfert er sich und seine eigene Zukunft und findet sich später als erwachsener Mann in einem Teufelskreis aus Gewalt und Kriminalität wieder, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Letztlich sind beide nur ein Produkt ihrer Umwelt.
Der Hauptteil des Dramas, welcher im Erwachsenenalter der beiden Protagonisten angesiedelt ist, profitiert immens von der anfangs aufgebauten tiefen Verbundenheit der Figuren zueinander, aber auch gegenüber dem Publikum. Auch als junge Männer, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Entwicklungen und Werdegänge langsam entzweien, ist ihre Fürsorge und Loyalität, die seit Kindheitstagen bestehen, immer noch greifbar. Wenn Nkosana seinen Bruder nach einem schrecklichen Verbrechen zur Rede stellt und dieser sich zerfressen von Schuld und Scham ihm offenbart, ist dies nicht nur unglaublich ausdrucksstark und eindringlich gespielt, sondern auch herzzerreißend ehrlich und echt. Die Brüder lieben sich und dass noch immer genauso wie früher – egal wie die äußeren Umstände auch sein mögen. Wenn sich AMANDLA nach einer derartigen emotionalen und aufrüttelnden Szene mit seinem Plot gen Ende dann immer mehr und mehr auf genrebekannte Pfade begibt, ist das natürlich ein wenig enttäuschend, fällt in voller Gänze aber nicht mehr besonders schwer ins Gewicht.
Fazit
Dass es sich bei der südafrikanisch-kanadischen Co-Produktion um ein Netflix-Original handelt, ist in Anbetracht der Qualität des sonstigen Streaming-Einerleis, der sich regelmäßig in den Top-10 Charts meist wochenlang breitmacht, ehe die nächste 08/15 Produktion ins Rennen geschickt wird, kaum zu glauben. Entsprechend schade ist es natürlich, wenn kleine Filme wie AMANDLA so wenig Aufmerksamkeit von der Plattform bekommen und im Nirvana des Streaming-Giganten versauern. Um dem entgegenzuwirken, sollte man dieses berührende Drama über Loyalität, Bruderliebe und Stärke nicht verpassen. Vor allem die großartige erste halbe Stunde hinterlässt mit ihren wunderschönen Aufnahmen und den ambivalenten Themen einen bleiben Eindruck. Trotz einigen generischen Plot-Entscheidungen handelt es sich bei dem Crime-Drama über zwei Brüder, die aufgrund eines einschneidenden Schicksalsschlag auf eine harte Probe gestellt werden, um einen absoluten Geheimtipp. Wer genug von den immer gleichen beliebigen Netflix-Produktionen hat, sollte sich AMANDLA auf keinen Fall entgehen lassen!
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Originaltitel | Amandla |
Kinostart | 21.01.2022 |
Länge | ca. 106 Minuten |
Produktionsland | Südafrika | Kanada |
Genre | Krimi | Drama |
Verleih | Netflix |
FSK | unbekannt |
Regie | Nerina De Jager |
Drehbuch | Nerina De Jager |
Produzierende | Nerina De Jager | Jarrod de Jong | Riaan Van Der Wart |
Musik | Mauritz Lotz |
Kamera | Justus de Jager |
Schnitt | Ronelle Loots | Danielle Nel |
Besetzung | Rolle |
Lemogang Tsipa | Impi |
Thabo Rametsi | Nkosana |
Israel Matseke-Zulu | Shaka |
Liza Van Deventer | Elizabeth |
Marnitz van Deventer | Pieter |
Charlie Bouguenon | Drill Sergeant |
Paballo Koza | Pakiso |
Jacques Pepler | Rookie |
Jaco Muller | Klein |
Rowlen Ethelbert von Gericke | Simon |
Lucky Koza | Officer Lekgalagadi |
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