American Refugee ©2022 Paramount Pictures

Der Streaming-Markt boomt! Ehe Netfix im Jahre 2007 damit begonnen hat sein bis dahin noch bescheidenes kleines Angebot an Filmen und Serien für seine Abonnenten als Streams anzubieten, war das Unternehmen jahrelang als Onlinevideothek die Anlaufstelle für unzählige Filmbegeisterte. Was mit gerade einmal rund tausend Titeln begann, entwickelte sich über die Jahre hin zum heute weltweit größten Anbieter im Streaming-Bereich. Doch die schier unglaubliche Film- und Serienauswahl auf Netflix sollte für das filmhungrige Volk noch nicht groß genug zu sein und so schossen in den vergangenen Jahren immer mehr Streaming-Anbieter aus dem Boden – angefangen bei Amazon Prime Video, bis hin zu Disney+, Apple TV+ und im letzten Jahr schließlich noch Paramount+. Bei Letzterem handelt es sich um das hauseigene Streaming-Portal des Filmstudios Paramount Pictures, in welchem diverse für den On-Demand-Markt produzierte Titel, aber auch große Blockbuster bereits kurz nach dem Kinostart angeboten werden. Auch wenn Paramount+ bei uns in Deutschland noch nicht verfügbar ist, verlangt die Plattform nach exklusivem Content – so schnell und kostengünstig wie möglich.

So kam es, dass Paramount mit seinem Heimvideo-Vertriebszweig Paramount Home Entertainment einen Deal mit der erfolgreichen Horror-Schmiede Blumhouse Productions und dem amerikanischen Pay-TY-Sender EPIX einging, um für noch mehr Streaming-Ware sorgen zu können. Mit AMERICAN REFUGEE erwartet uns nun die Veröffentlichung des ersten Titels, aus einer acht Filme umfassenden Zusammenarbeit, auf dem deutschen Markt. Für den dystopischen Horrorthriller zeigt sich Ali LeRoi verantwortlich, der als Regisseur und Drehbuchautor bisher vornehmlich im Serien-Bereich tätig war und neben diversen Regiearbeiten für die Sitcom ALLE HASSEN CHRIS auch das Drehbuch für die Komödie DAS WEISSE HAUS SIEHT SCHWARZ geschrieben hat. Dass der Übergang von leichter Comedy zu waschechtem Horror durchaus gelingen kann, hat Regisseur Jordan Peele mit den ebenfalls von Blumhouse produzierten Filmen WIR und GET OUT unlängst bewiesen. Ali LeRoi mag dieses Kunststück leider nicht gelingen.

American Refugee ©2022 Paramount Pictures

Darum geht es…

Die amerikanische Wirtschaft steht vor dem Ende. Nachdem der Finanzmarkt in sich zusammengebrochen ist, herrscht Anarchie auf den Straßen Amerikas. Etwas abseits, aber immer noch betroffen von diesem Chaos, leben der Pazifist Greg Taylor (Derek Luke) und seine Frau Helen Taylor (Erika Alexander) mit ihrer fünfköpfigen Familie abgelegen in einem schönen, großen Haus am Rande der Stadt. Als das Anwesen der Taylors eines Nachts von bewaffneten Einbrechern gestürmt und geplündert wird, bleibt ihnen nur die Flucht zu ihrem eigenbrötlerischen Nachbarn Winter (Sam Trammell), der sich mit seiner schwangeren Frau Amber (Jessi Case) und seinem Sohn Matty in einen gut ausgestatteten Bunker zurückgezogen hat. Die ungebetenen Gäste werden zunächst mehr als skeptisch empfangen und dürfen nur bleiben, weil sich die medizinisch geschulte Helen als große Hilfe für Winter’s hochschwangeren Frau herausstellt. Doch Stück für Stück muss die Familie Tylor feststellen, dass es im Inneren des Bunkers nicht minder gefährlich zu sein scheint als draußen.

Rezension

Leere Regale, plündernde Menschenmassen und vermummte Randalierer mit Schusswaffen. AMERICAN REFUGEE schafft es in den ersten 30 Minuten ein glaubwürdiges und erschreckend realistisches Szenario zu etablieren und das ganz ohne dabei auf große Bilder zurückzugreifen. Das geringe Budget wird mit einem minimalistischen Setting und hochwertigen Aufnahmen gekonnt kaschiert. In diesen durchaus atmosphärischen Minuten ist der Survival-Thriller am stärksten und überzeugt mit einer sich gemächlich anziehenden Spannungsschraube.  Ehe es also wirklich losgeht, erschafft Regisseur LeRoi mit seiner Exposition eine bedrückende Stimmung. Eigentlich eine perfekte Grundlage für allerhand interessante Einfälle, die uns noch erwarten werden – nur leider wird diese Erwartungshaltung nie erfüllt.  Denn abgesehen vom gelungenen Auftakt bietet AMERICAN REFUGEE eine spannungsbefreite Stunde Genre-Allerlei, das man in dieser Form bereits unzählige Male und auch deutlich besser gesehen hat.

American Refugee ©2022 Paramount Pictures

Die Botschaft ist klar: Die Menschheit muss sich zusammenreißen. Egal welche Religion wir ausüben, welche Hautfarbe wir haben und wie unsere politische Einstellung ist – in schweren Zeiten müssen wir zusammenhalten, sonst geht unsere Zivilisation den Bach runter. Leider wird dieser ethische Ansatz durch allerhand plumpe „Survival-Of-The-Fittest“-Anleihen und einer mehr als schwammigen Hühner-Metapher über Anpassung, die sich durch den gesamten Film zieht, völlig verwässert. Dazu kommt, dass sich AMERICAN REFUGEE viel zu stiefmütterlich um seine moralischen Ansätze kümmert, als dass sie je über simple Kalendersprüche hinausgehen würden. Allgemein scheint der Genre-Film nicht genau zu wissen, was er mit seinen Motiven anfangen will und in welche Richtung er überhaupt gehen möchte. Während sich die Synopsis noch wie ein beklemmendes Kammerspiel liest, wird im fertigen Film gar nicht erst versucht ein Gefühl von Enge und Beklommenheit zu erzeugen. Dafür wird der Bunker viel zu oft verlassen, um seine minimale Handlung auf das weitläufige Gelände zu verlagern. In Sachen psychologischem Horror verhält es sich da nicht anders. Trotz der komplett unterschiedlichen Denk- und Lebensart der beiden Familien, die genügend Reibung für fiesen Psycho-Terror bieten würde, findet dieser quasi gar nicht erst stattfindet.

American Refugee ©2022 Paramount Pictures

Winter ist ein Prepper wie er im Buche steht. Als besorgter, konservativer Amerikaner ist er für jeden Ernstfall gewappnet. Ein geräumiger Bunker bietet Schutz bei Ausschreitungen aller Art, die reichlich vorhandenen Essens- und Getränkevorräte sichern ein langes Überleben in Isolation und die gut ausgestattete Waffenkammer ist randvoll gefüllt mit allerhand Stich- und Schusswaffen. Selbst die Munition wird selbst hergestellt, damit sie im Kampf gegen unerwünschte Eindringlinge bloß nicht ausgehen kann. „Stand your ground“ ist die Devise! Dem gegenüber steht der Afroamerikaner Greg Taylor, der nie zuvor eine Waffe in der Hand gehalten hat und Gewalt in jeglicher Form strikt ablehnt. Das alleine sollte eigentlich für genügend Zündstoff sorgen, um aus dem unterirdischen Versteck ein explosives Pulverfall zu machen! Aufgrund der fehlenden Spannungen innerhalb der beiden Familien entpuppt sich dieses Pulverfass jedoch eher als feucht gelagerter Silvester-Knaller ohne jegliche Sprengkraft. So ziehen sich die Minuten und nichts geschieht. Das plötzliche Ende hingegen möchte dann so gar keinen Sinn mehr ergeben und lässt die sowieso schon sehr dünne Handlung ohne Highlights komplett ins Leere laufen.

Fazit

Quantität statt Qualität. Auch wenn AMERICAN REFUGEE hierzulande nicht im Abo-System eines Streaming-Anbieters, sondern als kostenpflichtiges Video-On-Demand-Release erscheint, sieht man dem uninspirierten Thriller seine Herkunft als weiteren direkt für den Streaming-Markt heruntergekurbelten Genre-Film jederzeit an. Das liegt jedoch nicht etwa am geschickt kaschierten, aber trotzdem spürbar geringen Budget, sondern einzig und alleine an der leidenschaftslosen Abhandlung bekannter Horror-Klischees. Trotz einer gelungenen Exposition, die für wenige Momente das eigentliche Potenzial hinter der Geschichte durchblitzen lässt, verliert sich der Survival-Thriller in spannungsarmem Geplänkel ohne eigene Ideen und Biss.

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(3 Bewertungen, Durchschnitt: 6,00 von 10)

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