FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kolleg:innen
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Originaltitel: Antebellum
VoD – Release: 30.10.2020
DVD/Blu-ray – Release: 18.12.2020

FSK 16

FSK 16 ©FSK

Länge: ca. 106 Minuten
FSK: 16
Produktionsland: USA
Regie: Gerard Bush | Christopher Renz
Schauspieler: Janelle Monáe | Jena Malone | Kiersey Clemons
Genre: Thriller
Verleiher: Leonine

Antebellum

Antebellum ©2020 Leonine

„Von den Produzenten von …“ ist seit vielen Jahren ein gern genutztes Mittel, um die Menschen in die Kinos zu locken, da natürlich die Assoziation naheliegend ist, dass Top-Produzenten auch folgend Potential haben wieder starke Filme rauszubringen. Das dies nicht immer stimmt haben schon etliche Werke uns schmerzhaft bewiesen. Auch mit ANTEBELLUM haben wir wieder so einen Film, der viel Wert auf sein Produktions-Team legt – vermutlich, weil die Regisseure noch Neulinge sind und mit diesem Film ihr Langspielfilmdebut abgeben. Doch in der Tat lassen Sean McKittrick und Raymond Mansfield den ein oder anderen aufhorchen, denn sie haben beide schon mehrfach zusammengearbeitet und uns damit unter anderem die preisgekrönten Werke GET OUT und BLACKKKLANSMAN geschenkt, die beide absolut empfehlenswert sind. Schon hier wird eine interessante Tendenz deutlich, denn die Beiden setzen sich gerne mit der Thematik Schwarzen-Rassismus in Amerika auseinander.

Für dieses Werk haben sie ein interessantes und durchwachsenes Team an Schauspieler:innen um sich geschart. So ist in der Hauptrolle Janelle Monáe zu sehen, die eigentlich eher als Musikerin bekannt ist, sich aber in den vergangenen Jahren immer mehr in der Filmbranche etabliert. So haben wir sie bereits bei den Filmen HARRIET – DER WEG IN DIE FREIHEIT, WILLKOMMEN IN MARWEN, HIDDEN FIGURES – UNERKANNTE HELDINNEN und MOONLINGHT sehen können, womit sie eine wirklich beeindruckende Vita vorzuweisen hat. Aber auch Eric Lange (WIND RIVER, NIGHTCRAWLER – JEDE NACHT HAT IHREN PREIS), Jena Malone (NOCTURNAL ANIMALS, SUCKER PUNCH, DONNIE DARKO), Jack Huston (THE IRISHMAN, AMERICAN HUSTLE) und Kiersey Clemons (SUSI UND STROLCH, FLATLINERS) machen sich wunderbar auf dem Poster und lassen die Erwartungen arg steigen.

Antebellum

Antebellum ©2020 Leonine

Darum geht es…

Die erfolgreiche Buchautorin und Mutter Veronica Henley hat eigentlich ein rundum gutes und erfülltes Leben. Gleichzeitig macht sie sich immer wieder für die Recht der schwarzen Bevölkerung stark und wirkt dabei als eine recht zentrale Leitfigur. Genau das macht sie leider auch zum Ziel rassistischer Übergriffe und so wird sie eines Abends kurzerhand entführt und an einen weit entfernten, undefinierbaren Ort gebracht. Von heute auf morgen ändert sich ihr Leben drastisch, denn sie wird nun die Rolle einer schwarzen Sklavin gezwungen, die auf Baumwollfeldern arbeiten müssen und behandelt werden wie der letzte Dreck. Alle schwarzen auf der Farm müssen sich einem Leben beugen, dass dem rassistischen Gebaren während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs im 18. Jahrhundert gleicht. Wird Veronica ihre Familie jemals wiedersehen?

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Rezension

Schon dieser kurze Storyabriss wirkt, wie ich finde, nach einer ganz netten Idee. Berücksichtigt man nun, dass das Publikum die Geschichte nicht in dieser Reihenfolge erzählt bekommt, verändert das Vieles. Denn tatsächlich bekommen wir die ersten 40 Minuten nur das Leben auf dieser Farm zu sehen, womit grundlegend die Erwartung aufgebaut wird, einen ganzen Film präsentiert zu bekommen, der in der Zeit der Konföderierten spielt. Diese Eröffnung kann jedoch äußerst viel bieten – so bekommen wir gleich zu Beginn eine recht umfängliche Plansequenz gezeigt, die den Zuschauenden die örtlichen Gegebenheiten, die derzeitige Situation und den tragischen Umgang mit den Sklaven verdeutlicht und schon in den ersten Minuten eine grausame Dramatik aufbaut angesichts der krassen Verfolgung und Bestrafung von flüchtenden Menschen. Unterlegt wurde das Ganze, und auch im folgenden Film immer wieder aufgegriffen, mit leidenschaftlicher Streichmusik, die stets den Moment bestens verstärkt.

Antebellum

Antebellum ©2020 Leonine

Und genau in dem Moment als man sich mit der drastischen Handlungsführung abgefunden hat und auf den Film eingelassen hat, kommt ein harter Cut und sorgt geschickt für totale Verwirrung – ein strategischer Geniestreich! Plötzlich bekommen wir scheinbar eine völlig andere Geschichte erzählt in einem völlig anderen Genre, denn währen der Anfang eher einem Sklaven-Western wie DJANGO UNCHAINED gleicht, bewegt sich der neue Part im Psychodrama mit sehr vielen unterhaltenden Momenten. Uns wir das Leben der lebhaften Mutter vorgestellt und somit ein Zeitsprung aus der Zukunft in die Gegenwart gemacht – oder aus der Gegenwart in die Vergangenheit? Klar muss man sagen, dass dieser Rückblick inhaltlich weitestgehend eher banal wirkt und nicht gerade mitreißt, doch ist es vor allem das Ungewisse, wie die beiden extrem unterschiedlichen Geschichten nun zusammengehören sollen.

Das geht unter die Haut

Dafür wird eine ziemlich subtile Variante des Psychoterrors genutzt, der mir auch jetzt beim Schreiben dieser Review noch ordentlich unter die Haut geht und die Haare zu Berge stehen lässt. ANTEBELLUM schafft es bestens, dass das Publikum sich in die Hauptfigur hineinversetzen kann und diese angespannten Situationen hautnah miterlebt – immer mit dem Gedanken: was wäre, wenn dies mir gerade passieren würde? Nun fragt sich jedoch, wie realistisch eine solche Situation sei. Dies ist natürlich schwer zu bewerten, da es sich hier schon um sehr spezielle Ereignisse handelt, dennoch ist klar, dass heute leider noch immer Rassismus ein großes Thema ist und dass es schrecklicherweise noch immer viele Gruppierungen gibt, die sektenhaft die Gleichstellung von Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben verhindern bzw. wieder umkehren und somit zu alten Traditionen zurückkehren wollen. Aus diesem Aspekt schließe ich nicht aus, dass eine solche Geschichte durchaus auch Substanz hat.

Antebellum

Antebellum ©2020 Leonine

Spannend ist hierbei zu erwähnen, dass dieser drastische Rassismus zwar nur in der scheinbaren Vergangenheit, also zum simulierten Unabhängigkeitskrieg, Einfluss findet, doch latent auch in der scheinbaren Gegenwart, also in der modernen und unterhaltsamen Darstellung, stets Einfluss findet. Dafür werden alle Register der Kunst gezogen – angefangen bei unangemessen Blicken über aggressive Anmerkungen bis hin zu fremdenfeindlichen Handlungen, die durchaus als bewusste Taten interpretiert werden können. Und wenn ihr jetzt verwirrt seid, von dem was ich hier mit irgendwelchen Zeitebenen schreibe, dann habt ihr genau das Gefühl, welches auch im Film gelegentlich aufkommt und dennoch bestens verarbeitet ist.

Das Auge isst mit

Neben dieser an sich schon äußerst genial geschnittenen Handlung, bekommen wir auch immer wieder schmackhafte visuelle Highlights aufgetischt. So ist die Protagonistin in einer Szene zeitweise mit sportlichen Übungen beschäftigt. Eine sehr präzise Kameraeinstellung sorgt jedoch dafür, dass die Zuschauenden anfangs getäuscht werden und das Gefühl aufkommt, als würde die Hauptfigur plötzlich wieder in der Gegenwartshandlung sein und kopfüber von der Decke hängen. Auch inhaltlich wäre dies durchaus im Bereich des Möglichen, da solch drastische Bestrafungen durchaus im ersten größeren Part des Films auch eingeführt wurden.

Doch jetzt habe ich so viel geschwärmt, muss nun aber auch sagen, dass bei weitem nicht alles perfekt war. So wird im finalen Showdown von ANTEBELLUM ein wesentlicher Handlungsfehler begangen, der viel mit einem Handy zu tun hat (wegen Spoilergefahr, kann ich leider nicht detaillierter in die Tiefe gehen). Während die Hauptfiguren fast zu jedem Zeitpunkt recht smart und logisch gehandelt haben und sich geschickt durch die Story geschlagen haben, passiert im großen Finale das komplette Gegenteil und es wird nicht mehr sinnvoll und schlüssig agiert – warum auch immer! Viele drastische Geschehnisse hätten zum Schluss durch ein wenig mehr Intelligenz verhindert werden können. Ab diesem Moment fällt auch die Qualität der gesamten folgenden Handlung arg ab und wird nur noch zu einem idiotischen und rachsüchtigen Machtgehabe.

Antebellum

Antebellum ©2020 Leonine

Django is back

Damit könnte jedoch auch einfach eine Anlehnung an das scheinbare Vorbild DJANGO UNCHAINED eingebunden wurden sein. Dies wäre jedenfalls nicht die einzige, denn das Haus, welches im Besitz der Sklaventreiber ist, hat verdächtige Ähnlichkeit mit Candyland aus dem soeben genannten Film. Aber auch Anspielungen, oder viel mehr Ähnlichkeiten zum diesjährigen HARRIET – DER WEG IN DIE FREIHEIT, in dem die Hauptdarstellerin ja ebenfalls mitgewirkt hat, sind hier zu finden. Dies können natürlich auf Grund der recht zeitnahen Veröffentlichung beider Filme auch eher zufälliger Natur sein.

Fazit

Unterm Strich bekommen wir hier von den Regisseuren Gerard Bush und Christopher Renz ein äußerst starkes Regiedebut geliefert, welches Hoffnungen für die Zukunft macht. Ein Film voller Gegensätze, der das Publikum von einem Gefühlschaos in das Nächste stürzt und dabei mit teilweise perfekten Kameraeinstellungen und einem sorgfältig gestalten Score die Stimmungsschwankungen noch verschärft und zu einem wirklich spannenden Film heranwachsen lässt. Lange Zeit wirkt das alles auch wunderbar, wenn da nicht dieser verkorkste Schluss wäre, der nicht gerade zufriedenstellend wirkt angesichts der tölpelhaften Umgangsform mit den Figuren. Alles was zuvor mühselig und hart aufgebaut wurde, wird schließlich in kürzester Zeit damit wieder eingerissen und zu Nichte gemacht – sehr schade. Dennoch lohnt sich ein Blick in diesen Film auf jeden Fall. Mag es die mangelnde Jahresauswahl an Produktionen sein oder die Gänsehautbereitenden Szenen – das Werk gehört zumindest zu den besseren in diesem Jahr.

Spannung, Komödie, Brutalität, psychologischer Krieg, Drama, Liebesgeschichte. Antebellum deckt in der Tat ein recht großes Spektrum an Gefühlslagen und Genre ab. In den meisten Fällen ist dies nicht gerade die geschickteste Wahl, denn der Versuch sich so breit aufzustellen sorgt nicht selten dafür, dass die Zuschauenden von der Handlung enttäuscht werden, weil sie letztlich einfach zu wenig Substanz hat. Nicht so jedoch hier. Mit geschickten Kniffen haben es die Regiedebutanten Gerard Bush und Christopher Renz geschafft mich von Beginn an in ihren Bann zu ziehen und sowohl visuell als auch akustisch zu begeistern. Immer wieder gibt es spannende neue Ideen, die eingebunden werden und entdeckt werden können, während zeitgleich die Geschichte dafür sorg, dass zwar eine enorme Ruhe ausgestrahlt wird, das Publikum jedoch stets mit einer enormen Unruhe zu kämpfen hat. Ohne Frage ist dabei auch förderlich, dass man sich hier auf ein wichtiges politisches und soziales Thema eingelassen hat: dem Rassismus in der Gesellschaft und wie er sich über die Jahrhunderte entwickelt hat. Schade jedoch, dass die Konsequenz ausblieb und auf der Zielgeraden plötzlich falsch abgebogen wurde. Während der Film viel richtig macht, tut der finale Showdown der Story leider keinen Gefallen und zerstört mehr als eigentlich akzeptabel. Dennoch kann ich den Film eigentlich nur empfehlen!

Antebellum

Antebellum ©2020 Leonine