Eine deutsche Komödie über einen Spieleabend, der aus dem Ruder läuft, erobert derzeit die Netflix-Charts. Im Mittelpunkt steht Axel Stein, den wir zum Interview getroffen haben, um mit ihm über den Reiz von Kammerspielen, seine Lieblingsrollen und die Zukunft des Kinos zu sprechen.
In Netflix‘ Filmkomödie SPIELEABEND von Regisseur Marco Petry dreht sich alles um das bunte Durcheinander einer Freundesrunde und die chaotischen Verstrickungen, die aus einem scheinbar harmlosen Spieleabend entstehen. Seit der Veröffentlichung auf Netflix am 12. Juli 2024 zieht der Film mit seinem charmanten Humor und seinen skurrilen Momenten in den Bann. Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Paar Pia und Jan, das sich beim Spazierengehen im Park kennenlernt. Während Pia als Fotografin arbeitet, betreibt Jan ein Fahrradgeschäft.
Die beiden verlieben sich ineinander und werden Teil des regelmäßigen Spieleabends von Pias Freundeskreis. Doch was zunächst nach einem harmlosen Treffen aussieht, entwickelt sich zu einer Reihe von Missgeschicken, die das Leben aller Beteiligten gehörig durcheinanderbringen. SPIELEABEND vereint dabei ein hochkarätiges Ensemble: Neben Dennis Mojen, Janina Uhse und Edin Hasanović spielt unter anderem Axel Stein mit, der Oliver verkörpert.
Riecks-Filmkritiken: Wie würdest du Oliver beschreiben und was macht ihn aus?
Axel Stein: Ich spiele den Oliver, ein totaler Spiele-Nerd, der ganz gerne einmal in Fantasiewelten abtaucht, weil er privat nicht so ganz glücklich ist und seine Freundin, würde ich sagen, hat die Hose in der Beziehung an. Oliver reagiert dementsprechend, und so ist es ein gutes Mittel zum Zweck, dass er in den Fantasiewelten ein großer König ist, der sein eigenes Königreich beherrschen darf. Sein leidenschaftlicher Spieleabend unter Freunden, der regelmäßig stattfindet, ist sein Ein und Alles, und natürlich auch sein Kakadu, sein Vogel, seine größte Liebe , der heißt „Helmut Kohl”.
Riecks-Filmkritiken: Hattest du ein Vorbild für die Rolle Oliver, an diedu dich angelehnt hast?
Axel Stein: Das ist ein Entstehungsprozess mit der Regie zusammen, und dann spielt auch das Kostüm eine Rolle. Jeder muss seinen Platz im Ensemble finden. Aber ich habe jetzt nicht monatelang Spiele gespielt. Wir haben uns als Ensemble tatsächlich ein paar Mal getroffen, haben eigene Spieleabende gemacht, um uns näher kennenzulernen und zu gucken, wie jeder tickt. Da haben wir auch unsere Spielemaschine – das ist Edin Hasanović. Der lässt dir wirklich gar keine freie Minute an so einem Abend. Wenn dann mal geschnackt wird, sagt er: Nein, es geht weiter, nächstes Spiel.
Riecks-Filmkritiken: Der Film ist im weitesten Sinn ein Kammerspiel, was reizt dich an dieser Art des Erzählens?
Axel Stein: Ich finde das ein ganz interessantes Genre, weil es einfach großartig ist, mit visuellen Effekten, Explosionen oder Pferden zu drehen, um die Leute zu unterhalten. Aber bei einem Ensemblefilm, einem Kammerspiel, ist die Situation gegeben, dass man einmal mehr über die Personen erfährt, über die Konstruktion, die Beziehungen zu den einzelnen Figuren. Und irgendwie haben wir es ja geschafft, dass [im Film SPIELEABEND] ständig etwas Neues passiert. Dinge, die nicht wirklich angenehm sind und bei so einem Spieleabend eigentlich nicht passieren sollten. Ich mag solche Projekte eigentlich ganz gerne, weil man total nah an den Personen ist und nicht irgendwo in der Prärie oder im Weltall.
Riecks-Filmkritiken: Du spielst ja im bald ins Kino kommenden Film FIFTY FIFTY eine ganz und gar andere Figur. Welche Figuren spielst du lieber – den Versnobten oder den Supermarkt-Angestellten an der Kasse?
Axel Stein: Es gibt nicht die eine Lieblingsrolle. Doch wenn ich ein Drehbuch lese, habe ich eine gewisse Fantasie, und wenn das dann mit den Produzenten oder dem, was der Regisseur vorhat, übereinstimmt, kann es passen. Ich liebe es, mich auszuprobieren, ich liebe es, in Individuen zu schlüpfen und mich da möglichst breitflächig auszutoben.
Riecks-Filmkritiken: Wie real findest du denn die Charakterzeichnungen?
Axel Stein: Wir sind hier natürlich immer noch in der Fiktion und müssen die Figuren ein bisschen überzeichnen, aber solche Menschen wie Oliver gibt es. Ich persönlich würde natürlich mit Oliver nichts zu tun haben wollen, weil er mir einfach ein bisschen zu nerdy und ein bisschen zu engagiert ist. Ich würde jetzt keine Freundschaft mit ihm schließen können, aber die Kollegen [im Film] haben sich halt gefunden und es irgendwie geschafft, Oliver zu akzeptieren. Ich glaube, jeder, der den Film sieht, wird immer wieder einmal irgendwen aus dem Ensemble erkennen und denken: „Der ist ja so ein bisschen wie unser Nachbar“, und „Sie ist so ein bisschen wie du“. Das ist ja das Schöne daran, dass jeder so ein bisschen Charaktere wiederfindet, die es tatsächlich gibt.
Riecks-Filmkritiken: Erinnerst du dich denn an einen speziellen Moment, der dir von der Produktion am meisten in Erinnerung geblieben ist?
Axel Stein: Ich muss tatsächlich sagen, das war ein Traumensemble. Wir haben uns wirklich gesucht und gefunden, die meisten kannten sich auch schon untereinander, und auch die Zusammenarbeit mit Marco Petry [Regisseur des Films] war total unkompliziert. Jeder konnte sich super vorbereiten. Wir hingen da ja wirklich aufeinander, wir haben, glaube ich, 17, 18 Tage nur im Studio verbracht, also in dem Wohnzimmer, und das muss man erst mal als Team aushalten, weil es sonst oft nach 5 bis 7 Tagen eine Art Lagerkoller gibt, wo alle Leute denken, „Wir haben doch 30 Grad, wir müssen jetzt raus“. Aber das war hier überhaupt nicht der Fall. Ganz im Gegenteil, wir haben uns abends nach Drehschluss noch getroffen und etwas gefuttert oder einen Spieleabend gemacht. Das war wirklich eine richtig angenehme Zusammenarbeit, und ich wünschte mir, jeder Film wäre so einfach und so unterhaltsam wie diese Produktion.
Riecks-Filmkritiken: Also wärst du sofort bereit, nochmals mit dem gleichen Ensemble einen Film zu drehen?
Axel Stein: Ja – sofort – blind. Mit dem einen oder anderen habe ich sogar schon ein paar Projekte in der Pipeline.
Riecks-Filmkritiken: SPIELEABEND ist nicht ins Kino gekommen, sondern jetzt direkt online zu Netflix. Wie stehst du dazu?
Axel Stein: Die ganzen Streamer möchte ich natürlich möglichst bedienen, weil das ein Riesenmarkt für uns ist. Es ist gerade in den letzten Jahren so ein bisschen im Wandel, aber natürlich ist und bleibt die Königsdisziplin das Kino. Das ist für mich ein Event, ich zelebriere das. Ich gehe ins Kino, freue mich auf den Kinoabend, kaufe mir eine Tüte Popcorn und lache oder weine mit 500 Leuten zusammen im Kino. Vielen Leuten geht das verloren, weil es teuer ist und jeder hat mittlerweile einen Riesenfernseher und ein tolles Soundsystem für Streamer. Da wird es immer schwieriger, sich abzusetzen und die Leute ins Kino zu holen. Auf der anderen Seite finde ich es aber auch ganz geil, wenn ich dann Samstagsabends nicht raus muss und nur den Fernseher anschmeiße und den Film zur Verfügung habe, der gerade online ist.
Riecks-Filmkritiken: Glaubst du dann, dass das Kino dadurch irgendwann verloren geht?
Axel Stein: Ich hoffe nicht, ich kämpfe auch dafür. Mit ALLES FIFTY FIFTY haben wir ja auch einen supercoolen Kinofilm, der möglichst viele Leute ins Kino holen wird. Ich werde alles dafür tun, die Leute weiter ins Kino zu bringen,und jeder, der im Kino ist und mit 2 bis 300 Leuten zusammen lacht und weint, weiß, dass das etwas Besonderes ist im Vergleich dazu, den Film auf der Couch zu gucken.
Riecks-Filmkritiken: Oliver verdient ja sehr viel Geld und auch in der deutschen Film- und Serienlandschaft werden ja oft nur die Mittel- und Oberschicht dargestellt. Warum glaubst du ist das der Fall?
Axel Stein: Also wenn ich jetzt auf meine letzten 10, 20 Filme zurückblicke, dann bin ich überall in der Gesellschaft. Aber natürlich gibt es einen riesigen Markt in der Oberschicht, weil ein Großteil der Bevölkerung das so nie erreichen wird, wie es in der Fiktion oftmals gezeigt wird, dass Leute mit Jachten durch die Gegend fahren. Man packt die Leute natürlich mit ihren Träumen oder Ängsten.
Riecks-Filmkritiken: Was wäre eine Rolle, die du einmal gerne spielen würdest?
Axel Stein: Es geht nicht nur um die Figur, es muss immer das gesamte Konzept passen. Es bringt mir ja nichts, eine Figur zu spielen, wenn mir die Geschichte nichts erzählt, ich nicht hinter dieser Geschichte stehe oder mir das Projekt einfach nicht zusagt. Ich habe in den letzten Jahren ziemlich viele coole Figuren gespielt, wie bei GOLDFISCHE. Das war eine meiner herausforderndsten und von der Vorbereitungszeit her intensivsten Rollen. Mit Rainer, den ich da gespielt habe, hatte ich ein halbes Jahr Zeit, mich auszutoben, mich mit den Leuten zu treffen und mit dem Regisseur [Alireza Golafshan], mit dem ich auch ALLES FIFTY FIFTY gemacht habe, haben wir genug Zeit gehabt, die Figur zu kreieren, und das macht mir Spaß. Wenn man wirklich Wochen, Monate an etwas arbeitet und das dann auch so aufgeht. Denn oft fehlt es ja an Zeit in der Vorbereitung, weil Vorbereitungszeit Geld und Zeit kostet, und das wird ja immer knapper. Da hoffe ich, dass die Entscheidungsträger sehen, dass das einfach ein Mehrwert für das Produkt ist, wenn man einfach mal bis zu einem gewissen Grad nicht alles auspresst, Gage kürzt, Geld kürzt und Zeit kürzt.
Riecks-Filmkritiken: Wenn du mit jeder Person zusammenspielen könntest – gäbe es da eine Person, mit der du einmal zusammenspielen möchtest?
Axel Stein: Da gibt es einige, und ich durfte ja schon mit einigen Kollegen zusammenspielen. Mein größtes Vorbild ist Edin Hasanović, das weiß ja jeder (lacht). Den liebe ich wirklich. Es gibt ein paar Leute, die ich total schätze – auf der einen Seite sind es persönlich tolle Menschen, die ein großes Herz haben, und Edin gehört dazu. Edin ist auch einer, den ich schon bewundert habe, als ich ihn noch nicht kannte, weil ich ihm alles geglaubt habe, egal, was er gemacht oder gedreht hat. Ich war immer bei ihm, weil er so leidenschaftlich spielt, egal, ob es sich um eine leichte Komödie oder ein schwerfälliges Drama handelt. Der hat einfach den Zauber – da gibt es ein paar Leute. Christoph Maria Herbst hat das zum Beispiel auch. Ich liebe es, ihn anzuschauen. Oder auch Oliver Masucci. Aber wenn mich jetzt Tarantino mit Brad Pitt in einem Projekt sehen würde, würde ich mir das auch überlegen.
Seit dem 12. Juli 2024 ist SPIELEABEND auf Netflix verfügbar.
Dieses Interview wurde von Alexandra Schaller geführt und von Toni Schindele transkribiert.
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