Deutschlands größtes Filmfestival, die 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin, sind mit einer klaren politischen Botschaft eröffnet worden. Welche Themen die Pressekonferenz bestimmten und warum die Berlinale in diesem Jahr auch wieder mehr Glamour verspricht – hier die wichtigsten Details.

Eigentlich sollte die Politik in diesem Jahr dezent in den Hintergrund rücken. Doch bereits bei der Vorstellung der Internationalen Jury am Eröffnungstag dominierten Themen wie die bevorstehende Bundestagswahl, rechtsextreme Strömungen und Donald Trump. Festivaldirektorin Tricia Tuttle, die im Vorfeld angekündigt hatte, politische Debatten bei der diesjährigen Berlinale gezielt zu reduzieren, räumte auf der offiziellen Pressekonferenz zur Eröffnung ein: Ich denke, wir sollten keine Angst vor Gesprächen haben. Besonders klare Worte fand Jury-Präsident Todd Haynes, der als US-Amerikaner die weltpolitische Lage und die Auswirkungen der Präsidentschaft von Donald Trump thematisierte: „Wir erleben aktuell eine tiefgreifende Krise, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern weltweit.“

75. Berlinale 2025

© Riecks Filmkritiken & Co.

Haynes sprach von einem „Sperrfeuer von Dekreten“ das die Gesellschaft destabilisiere und die zentrale Frage aufwerfe: „Wie können wir in dieser Situation unsere Integrität bewahren?“ Der argentinische Filmemacher Rodrigo Moreno pflichtete ihm bei und ging mit der aktuellen Regierung seines Landes hart ins Gericht: „Seit einem Jahr werden wir von einem radikalen Faschisten regiert, der die gesamte Filmindustrie zerschlagen hat. Aber wir drehen weiter – zur Not mit unseren Smartphones.“ Auch die deutsche Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader betonte die Bedeutung politischer Diskussionen auf der Berlinale – trotz der Kontroversen um Antisemitismus bei der letztjährigen Ausgabe. „Furcht ist nie ein guter Ratgeber. Ich fürchte nichts. Ich will die offenen Räume für Kultur und Fantasie feiern, Räume, in denen Fragen gestellt werden können, ohne dass wir schroffe Antworten liefern müssen“, sagte Schrader.

Zudem unterstrich sie: „Wir alle sehnen uns nach Frieden und Freiheit und wollen Räume öffnen, in denen wir lernen können. Das ist der wahre politische Aspekt dieses Filmfestivals.“ Der französisch-marokkanische Filmemacher Nabil Ayouch, der Teil der Jury ist, meinte zudem: Wir müssen also radikal sein. Wir müssen stark sein in unseren Entscheidungen, in unseren Filmen.Festivaldirektorin Tricia Tuttle zeigte sich angesichts der politischen Dimensionen der Berlinale unaufgeregt. Politische Debatten seien unvermeidlich, insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Festival am 23. Februar endet – exakt am Tag der vorgezogenen Bundestagswahl. Die Berlinale sei daher geradezu prädestiniert für Debatten. Für Lars Eidinger ist es daher „das erklärte Ziel von diesem Festival“, differenzierter Diskussionen zu führen. Gleichzeitig will man das Jubiläum jedoch mit mehr Glamour aufladen als im Vorjahr. 

Berlinale Palast

Berlinalepalast ©Paul Seidel

Im Mittelpunkt der diesjährigen Berlinale stehen insgesamt 19 Wettbewerbsbeiträge, darunter mit Spannung erwartete Filme etablierter Regisseur*innen wie Richard Linklater mit BLUE MOON, Hong Sang-soo mit WHAT DOES THAT NATURE SAY TO YOU und Michel Franco mit DREAMS. Außer Konkurrenz in der BERLINALE SPECIAL GALA wird zudem Bong Joon-hos MICKEY 17 gezeigt. Ein besonderer Höhepunkt wird die Ehrung von Tilda Swinton mit dem Goldenen Ehrenbären, begleitet von einer Laudatio durch Edward Berger. Für Cineasten lohnen sich außerdem die neuen Sektionen und Reihen: Die RETROSPEKTIVE widmet sich mit 15 Genreklassikern dem deutschen Kino der 1970er-Jahre, während bei den BERLINALE CLASSICS digital restaurierte Meisterwerke wie DIRTY HARRY und DER FALL PARADIN zu sehen sind. Auch die Plattform PERSPECTIVES für Debütfilme verspricht spannende Neuentdeckungen. Unter den prominenten Gästen werden neben Swinton Stars wie Fatih Akin, Lars Eidinger, Elyas M’Barek, Nicolette Krebitz und Heike Makatsch erwartet.

 

Jedes Jahr lockt das Festival Hunderttausende von Filmfans in die Hauptstadt. Nach pandemiebedingten Rückgängen in 2021 und 2022 stiegen die Zahlen der Besucher*innen zuletzt wieder deutlich an. 2023 waren es rund 320.000 Besucher*innen, 2024 bereits knapp 448.000. Die Verantwortlichen hoffen nun, zum 75. Jubiläum an den einstigen Rekord von über 500.000 Besucher*innen anknüpfen zu können. Ob es gelingt, das politische Engagement und mehr Glanz harmonisch zu verbinden, bleibt abzuwarten. Schon jetzt aber zeigt sich: Dieses Festival kann und will seine politisch aufgeladene Tradition nicht abstreifen. Oder wie es Tricia Tuttle bereits formulierte: Die Berlinale sei ein „Akt des Widerstands“ – und solle dies auch bleiben. Die Berlinale läuft dieses Jahr noch bis zum 23. Februar 2025 – wir begleiten sie hier und auf unseren Social-Media-Kanälen.