Der siebte Tag der 75. Berlinale stand im Zeichen weiblicher Erzählperspektiven. Im Wettbewerb präsentierten Filmschaffende aus aller Welt Werke, die von starken Frauenfiguren und intimen Geschichten geprägt waren. Doch auch politische Diskussionen nahmen erneut Raum ein.
Während Hanna Schygulla auf der Pressekonferenz zu YUNAN klare Worte gegen Nationalismus fand, diskutierte das Team von KONTINENTAL ’25 über existenzielle Krisen und moralische Dilemmata. Radu Judes KONTINENTAL ’25 untersucht moralische und wirtschaftliche Krisen in einem modernen europäischen Kontext. Der Regisseur erklärte seinen erzählerischen Ansatz: „Ich bin kein Philosoph, kenne mich damit ja nicht besonders aus. Aber wenn man mich fragt – ja, in diesem Film geht es um die moralische, existenzielle Krise, die sich am falschen Ort regelrecht abspielt. Das ist, als ob man auf einem Fußballplatz Basketball spielen würde. Sie hat das Gefühl dieser moralischen Krise, also eigentlich das Klassische, wenn es um moralische Krisen geht. Das ist ja bloß ein Fernsehfilm im Kino. Aber hier ist diese Krise interessant, weil sie am falschen Ort ist.“
Weiter erläuterte Jude eine interessante Beobachtung zur absurden Natur menschlicher Aktivität: „Ich habe den Film zu einem guten Freund gezeigt, der auch Theaterdirektor ist und in meinem Film schon mitgespielt hat. Er hat einen sehr schönen Kommentar gegeben. Er hat gesagt, dieser Film ist derjenige von dir, der am meisten an Tschechow denken lässt. Wir teilen ja diese Leidenschaft für Tschechow. Und ich habe eigentlich gar nicht wirklich an Tschechow gedacht, als ich den Film gemacht habe. Möglicherweise hat mein Freund aber recht.“ Außerdem stellte Regisseur Lucio Castro seinen neuen Film AFTER THIS DEATH vor: „Ich habe diesen Film einfach mal so angefangen, ohne Einschränkungen. Ich habe eigentlich nur diese Frau, die um die 40 ist und in den Bergen ist, also im Wald. Und mit diesen beiden Ideen und dieser Figur habe ich angefangen.“
Mía Maestro, die die Hauptrolle spielt, hob die besondere Art der Erzählweise hervor: „Da fallen mir so viele Dinge ein, die ich attraktiv fand bei Isabelle. Zunächst einmal all diese riesigen Ereignisse und Tragödien in einem Leben, alles subtil zu spielen mit einer gewissen strengen Ästhetik.“ Philip Ettinger, der einen Musiker spielt, reflektierte über seine Erfahrung mit der Rolle und vor allem Regisseur Lucio Castro: „Wie Mia schon sagte, wir haben uns getroffen, wir haben uns sehr nett unterhalten. Und seine Ideen haben mir gefallen. Ich wollte in diese Welt rein. Als ich das Drehbuch gelesen habe, habe ich mich auch emotional wiedergefunden.“ Auf der Pressekonferenz zum Wettbewerbsfilm YUNAN fand Hanna Schygulla deutliche Worte: „Ich bin erschüttert von diesem Aufkommen des Nationalismus in Deutschland.“
Sie schilderte persönliche Erfahrungen, die ihre Haltung geprägt haben: „Ich komme ja aus einer Region Europas, in der ich geboren wurde, die zum Teil schwer zu definieren war. Wer war denn eigentlich Polnisch, wer war Deutsch? Meine Mutter hat mich nach einer Freundin von ihr genannt, die verschwunden war. Weg war, weil sie Jüdin war. Aber sie konnte das H hinten nicht an die Hannah dranhängen. Denn ich bin 1943 geboren, da war man immer noch in der Nazi-Zeit, und dieses Haar wäre gefährlich geworden.“ Regisseur Ameer Fakher Eldin erklärte die Intention hinter seinem Film YUNAN: „Meine Heimat wurde von meinem Heimatland abgetrennt, von Syrien. Ich konnte da eigentlich nicht hin. Und für mich war das ein Heimatland, das ich überhaupt nicht kennenlernen konnte, weil es abgetrennt war. Ich habe mir viele schöne Gedanken darüber gemacht. Und diese Idee des Exils, die liegt in der ganzen Frage.“
Auch Regisseur Dag Johan Haugerud stellte zudem seinen Film DRØMMER aus Norwegen vor: „Ich bin in mich selbst gegangen, in die Vergangenheit. Ich kann mich noch sehr gut erinnern an meine erste Verliebtheit.“ Die Schauspielerin Anne Marit Jacobsen reflektierte über die Darstellung der weiblichen Figuren im Film: „Es ist so schön geschrieben und gefilmt. Ich schätze diese Verbindung zwischen den drei Generationen. Sie hören einander zu. Sie versuchen auch die Leute zu verstehen und sie antworten einander.“ Ella Øverbye, die die Hauptrolle spielt, betonte, dass ihr die Abwesenheit männlicher Figuren nicht negativ aufgefallen sei: „Mir hat kein Mann im Cast gefehlt. Ich habe sehr viele Freundinnen und fand es auch sehr angenehm, hier mit hauptsächlich weiblichen Figuren zu interagieren.“
Regisseur Haugerud erklärte abschließend seine Entscheidung, sich auf die weiblichen Figuren zu konzentrieren: „Ich hätte den Vater natürlich mit einbringen können, aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass das notwendig ist.“ DRØMMER aus der OSLO-STORIES-Trilogie kommt in Deutschland unter dem Titel TRÄUME am 8. Mai 2025 in die Kinos. Die diesjährige und 75. Berlinale läuft noch bis zum 23. Februar 2025 – wir begleiten sie hier und auf unseren Social-Media-Kanälen.
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