Verliebt wiegen sich die Protagonisten zu Beginn im sonnenbeschienen Meer ohne Aussicht auf den Sturm, welcher sich ihrer Beziehung nähert. Der neue Film von Claire Denis, ihr erster nach dem Science-Fiction-Ausflug HIGH LIFE widmet sich der Partnerschaft zweier Menschen, die durch beider Vergangenheit auf die Probe gestellt wird. In ihrer erneuten Zusammenarbeit mit der preisgekrönten Autorin Christine Angot erforscht die Regisseurin eine widersprüchliche Beziehung und das dahinterliegende Geflecht aus Rollenbildern. In den Hauptrollen treffen gleich zwei französische Schauspielstars aufeinander: Juliette Binoche (DER ENGLISCHE PATIENT) und Vincent Lindon (TITANE).
Darum geht es…
Aus einem sommerlichen Urlaub zurückkommend könnte die Beziehung zwischen Jean und Sara nicht glücklicher sein. Beide respektieren, vertrauen und lieben einander innig. Eines Tages trifft Sara auf Francois, einen langjährigen Freund Jeans, mit welchem sie eine besondere Vergangenheit verbindet. Francois unterbreitet Jean das Angebot, wieder mit ihm zu arbeiten, und lässt in Sara Erinnerungen wach werden. Kurz darauf nimmt er auch Kontakt zu ihr auf …
Review
Die Gefühle, die Claire Denis in ihrem neuesten Film mit Sorgfalt in Augenschein nehmen möchte und die speziell im Drama-Genre eine essentielle Rolle einnehmen, sind in BOTH SIDES OF THE BLADE niemals eindeutig und endgültig. Sie unterliegen der ständigen Reflexion und Konfrontation der verschiedenen Charaktere und sind dadurch vielschichtig und grundsätzlich authentisch. Sie unterliegen allerdings auch den Mechanismen gesellschaftlicher Rollenbilder, die die Frau mehr als einmal ohnmächtig und bevormundet charakterisieren, ohne dass es den Männern des Films in irgendeiner Art und Weise auffällt.
Sara wird am stärksten von ihren vergangenen Gefühlen heimgesucht, gedanklich wie körperlich. Eine Antwort auf dieses tiefsitzende Begehren und ihren Umgang damit versucht sie zunächst selbstständig und im Verborgenen zu finden. Sowohl Jean als auch Francois beginnen sie unter Druck zu setzen, sich der Liebe zu einem der beiden zu beugen. Juliette Binoche verkörpert Sara, die erst durch ein vermeintliches Missgeschick aus dem Spannungsverhältnis auszubrechen scheint, in diesem Zwiespalt äußerst empfindsam und vor allem im Zusammenspiel mit Vincent Lindons Charakter sehr ausdrucksstark.
Dessen Figur Jean bekommt deutlich mehr Aufmerksamkeit und Hintergrund sowohl einen Subplot um einen Sohn aus einer früheren Beziehung als auch Einblick ins Verhältnis zu seiner Mutter. So entsteht selbst bei formaler Betrachtung ein Ungleichgewicht zwischen weiblicher und männlicher Perspektive, die der Analyse von Saras Gefühlswelt nicht immer die benötigte Aufmerksamkeit schenkt. Ähnlich vage, aber deutlich passender fügen sich die zum Teil antagonistischen Einflüsse der dritten Hauptfigur, gespielt von Gregoire Colin, in die Handlung ein. Tiefere Auseinandersetzungen zwischen ihm und Sara, sei es in Form von in Vergangenheit schwebenden Gesprächen oder Gedanken gibt es selten, was erneut den Eindruck unzureichender Unterfütterung erweckt. Mit allerhand Kraft in ihren schauspielerischen Darbietungen strahlen Binoche und Lindon über einzelne dieser Oberflächlichkeiten hinweg, leider nicht über die merkliche Laufzeit von knapp zwei Stunden. Diese gewinnt in unaufgeregten Bildern und trotz gelegentlicher Schnittverzichte nur selten an inhaltlicher und emotionaler Vehemenz.
Fazit
BOTH SIDES OF THE BLADE widmet sich einem ambivalenten Beziehungsgefüge mit zwei hervorragenden Hauptdarsteller*innen, die den neusten Film von Claire Denis jedoch nicht davor bewahren, nur eines von vielen ernsten Dramen über eine (Dreiecks-)Beziehung zu sein. Ihr Wettbewerbsbeitrag kommt zwar mit greifbarer Authentizität und etlichen sehr gut gespielten Gemütsschwankungen aber auch reichlich langatmig daher.
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Originaltitel | Avec amour et acharnement |
Berlinale – Release | 12.02.2022 |
Berlinale – Sektion | Wettbewerb |
Länge | ca. 116 Minuten |
Produktionsland | Frankreich |
Genre | Drama | Romanze |
Verleih | unbekannt |
FSK | unbekannt |
Regie | Claire Denis |
Drehbuch | Claire Denis | Christine Angot |
Produzierende | Christine De Jekel | Olivier Delbosc |
Musik | Stuart Staples |
Kamera | Eric Gautier |
Schnitt | Sandie Bompar | Guy Lecorne | Emmanuelle Pencalet |
Besetzung | Rolle |
Juliette Binoche | Sara |
Vincent Lindon | Jean |
Grégorie Colin | François |
Issa Perica | Marcus |
Bulle Ogier | Nelly |
Mati Diop | Gabrielle |
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