Rezension
Riesige eingesunkene Erdlöcher setzen sich in das staubtrockene Stadtbild Balkayas. Sie hinterlassen die deutlichsten Spuren der Erschütterung in dem kleinen türkischen Städtchen, sind jedoch nicht die einzigen Abgründe, auf die der von Selahattin Pasali dargestellte Protagonist kurz nach seinem Arbeitsantritt stößt. Solche durchziehen auch viele Teile der dortigen Gemeinschaft, kommunalpolitische Dynamiken und die zwielichtigen Gesinnungen einzelner Bewohner, deren Konfrontation der junge Staatsanwalt gar nicht erst aus dem Weg geht. In Emin Alpers BURNING DAYS verschwimmen dessen rechtschaffenen Vorhaben mit einer Realität, die sich zunehmend gegen ihn wendet. Einer Realität, in der jeder überzeugt von seiner eigenen Wahrheit ist, seien es instrumentalisierte Beobachtungen, tradierte Überzeugungen oder Dorfgeschwätz.
Dabei ist der Empfang des motivierten Junganwalts zumindest vorerst von Respekt und Wohlwollen geprägt: Willkommensgeschenke werden gereicht, Rattengift zur Abwehr der unerwünschten Nagetiere verstreut, Einladungen zum Essen ausgesprochen. Gesten, die zugleich den Grundstein für einen zerstörerischen Sog legen, unter welchem Emres aufwühlende Arbeit zunehmend ins Bedrängnis gerät. Schnell offenbaren sich unüberwindbar scheinende Reibungspunkte wenn mit dem der Gegend fremden Staatsanwalt und der ansässigen Bevölkerung festgeschriebenes Recht und tiefverwurzelte Traditionen aufeinanderprallen. Und damit ein Konfliktmosaik, dessen einzelne Teile die Mischung aus Politthriller und Figurendrama nur selten gründlich ausarbeiten.
Es brennt an vielen Ecken und Enden
Der Fokus auf dem strikt durchgreifen wollenden Staatsanwalt, seinen naiv anmutenden Versuchen der Reglementierung und den Widerständen gegen sein aktives Einwirken erklärt die lebensverändernden Umwelteinflüsse zu symbolischen Randerscheinungen und die Stadtgemeinschaft zur schwer einzuschätzenden, häufig seelenarmen Masse. Der erschreckende Kriminalfall rundum sexualisierte Gewalt dient dabei mehr als Spannungselement für die Hauptfigur und Verunsicherung der Erzählung als dazu, sich tiefgründig mit den Folgen der Geschehnisse zu beschäftigen. Während sich in den Interaktionen mit überwiegend männlichen Bewohnern des Ortes und im Zusammenhang mit korrupten Verstrickungen und engstirniger Traditionsverbundenheit Ausgrenzungserfahrungen und diskriminierende Strukturen ungeschönt offenlegen, scheint der Film diese mit seiner verfremdenden, die Außenseiterrolle bekräftigenden Inszenierung des homosexuellen Journalisten Murat zu bestätigen.
Dessen Beziehung zu Staatsanwalt Emre ist ein weiteres ambivalentes und ungenaues Puzzlestück in den aufgrund der Hitze und aufgeheizten Stimmung Balkayas schweißtreibenden durchaus wirkungsvollen Aufnahmen. Letztlich überwiegt in diesen das Spiel mit einer Handvoll Wahrheiten das holprige Ineinandergreifen gesellschaftlicher, politischer und privater Konflikte. Emres’ Weg durch diverse Abgründe bietet großes Spannungspotential, das in der unentschlossenen und konkrete Antworten aussparenden Erzählung selten so entflammen kann, wie es der Titel des Films vorgibt.
Fazit
BURNING DAYS zeigt das Ringen um Recht und Wahrheit in einer türkischen Kleinstadt als Mischung aus Kriminalthriller und Charakterdrama, welche sowohl die Intensität seiner Genre als auch die Komplexität der angerissenen Themen selten wirklich zur Geltung bringt.
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Originaltitel | Kurak Günler |
Kinostart | 9.12.2022 |
Länge: | 131 minuten |
Produktionsland | Croatia |
Genre: | Drama | Thriller |
Regie | Emin Alper |
Producer | Nadir Öperli | Kerem Çatay | Stienette Bosklopper | Viola Fügen | Anita Juka | Fatih Sakız | Yorgos Tsourgiannis | Maarten Swart |
Cast | Selahattin Paşalı, Ekin Koç, Selin Yeninci, Erol Babaoğlu, Erdem Şenocak, Sinan Demirer, Nizam Namidar, Ali Seçkiner Alıcı, Eylül Ersöz, Onur Gürçay, Mehmet Kervancı, Hatice Aslan, İsmail Bahadır Peker, Enver Hüsrevoğlu, Emin Alper |
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