Originaltitel: Candyman
Kinostart: 26.08.2021
Länge: ca. 91 Minuten
Produktionsland: USA | Kanada
Regie: Nia DaCosta
Schauspieler:innen: Yahya Abdul-Mateen II | Teyonah Parris | Nathan Stewart-Jarrett
Genre: Horror | Thriller
Verleih: Universal Pictures Germany
Dass Horrorfilme noch stärker unter die Haut kriechen und für einen kalten Schauer sorgen, wenn sie sich real anfühlen, hat Jordan Peele bereits mit GET OUT und WIR eindrucksvoll bewiesen. Dabei wird das Genre so instrumentalisiert, dass aktuelle soziokulturelle Themen aufgearbeitet werden können. Mal mehr, mal weniger subtil tritt dabei ein Subtext zutage, der sein Publikum auch provokant herausfordert. Für den neuen Horrorfilm CANDYMAN nimmt Peele zwar nicht mehr auf dem Regiestuhl Platz, lässt aber als Co-Autor und Produzent seine Handschrift dennoch deutlich erkennen.
Nia DaCosta, die nun mit CANDYMAN ihren zweiten Langfilm abliefert und ebenfalls am Drehbuch mitschrieb, zeigt sich als Regisseurin aber genauso kompetent wie kreativ. Damit sind für den Film, der bereits 2019 fertiggestellt und für 2020 geplant war, zwei herausragende Filmschaffende verantwortlich, denen die Pandemie in gewisser Weise sogar noch in die Hände spielte. Denn nach der im Sommer 2020 aufkeimenden und immer stärker werdenden Black Lives Matter Bewegung ist die neue Adaption der Kurzgeschichte von Clive Baker und dem 1992 erschienenen Film so relevant und gleichzeitig so fragil wie nie.
Darum geht es…
10 Jahre nach dem das letzte Hochhaus in dem Sozialbauviertel Cabrini Green in Chicago gefallen ist, ziehen Künstler Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen II) und seine Freundin, die Galeristin Brianna Cartwright (Teyonah Parris) in eines der neu gebauten Lofts. Anthony, dessen Karriere allerdings gerade etwas ins Stocken gerät, sucht in den letzten verbliebenen Häusern des einstigen Cabrini Green nach Inspiration. Dabei stößt er auf William Burke (Colman Domingo), der ihm die Geschichte einer urbanen Legende näher bringt, die das Viertel über Jahre in Angst und Schrecken versetzte. Dem Mythos nach muss der Name des Killers mit der Hakenhand fünfmal vor einem Spiegel genannt werden, um ihn zu beschwören. Anthony begibt sich auf Nachforschungen, kreiert manisch neue Kunstwerke und öffnet damit immer weiter eine Tür zur Vergangenheit, die ungeahnte Gewalt und Terror hervorbringt.
Rezension
Gespiegelte Studiologos, eine Stadt, die sich bedrohlich grau und nebelverhangen wie in einer Pfütze spiegelt. Was wie ein Fehler im Projektor wirkt, ist jedoch berechnende Absicht. DaCostas CANDYMAN wagt einen etwas ungewöhnlichen Einstieg und macht deutlich Spiegel oder Spiegelbilder werden nicht nur in Bezug auf den urbanen Mythos um den grausamen Killer eine tragende und außergewöhnlich vielschichtige Rolle spielen, sondern auch für die Figuren und das Publikum. Schaut man auf die Filme von Peele und DaCosta zurück, so sollte klar sein CANDYMAN wird kein gewöhnlicher Horrorfilm der sich mit Jump Scares zufrieden gibt, sondern mit seiner Story eine ganz klar politische Message nach draußen trägt.
Zunächst besticht der Horrorthriller aber mit erstklassigen Bildern, die die schmerzliche Vergangenheit von Cabrini Green in einer trüben und fast ausgelaugten Atmosphäre einfangen und sie zugleich in einen starken Kontrast zu den stringenten bis durchgestylten neuen Lofts setzen, die eine heile Welt suggerieren. Wenn allerdings in einem visuell beeindruckenden Schattenspiel der Ursprung des CANDYMAN Mythos von DaCosta noch einmal zum Leben erweckt wird, lässt der Horror nicht lange auf sich warten. Künstlerisch bewegt sich der Horrorfilm dabei immer auf durchaus hohem Niveau und knüpft damit ebenfalls an die Charakterzüge seiner Hauptfigur Anthony an, der nach seiner CANDYMAN Mutprobe mit seinen neuen Bildern in einen Strudel aus Trauma und Obsession gerät.
Das Blutvergießen geht weiter
Die brutalen Morde durch den Hakenmörder hingegen brechen dann umso mehr mit der Szenerie, sorgen aber für die erwünschten Schockmomente mit ordentlich Blutvergießen. Wer Bernard Roses CANDYMAN in den 90-er Jahren gesehen hat, dürfte sich da über den erneuten Auftritt von Tony Todd freuen, der nun mittlerweile zum vierten Mal in die Rolle des fürchterlichen Killers schlüpft. Wenngleich dabei DaCostas Herangehensweise weder wirklich als Sequel noch als Reboot oder Remake verstanden werden kann und ihr Werk insgesamt auch als eigenständiger Film funktioniert, so greift sie einige Merkmale (wie Graffitis) auf, die nur wahrgenommen werden können, wenn man den ersten Film der Reihe auch tatsächlich kennt.
Trotz aller Referenzen beanspruchen die Macher aber die Geschichte nun für sich und erzählen nun, anders als noch im ersten Teil, aus der Sicht der schwarzen Bevölkerung von einem kollektiven Trauma, das sich tief in das Bewusstsein der Gesellschaft gefressen hat und letztendlich durch den CANDYMAN wieder zum Vorschein kommt. DaCosta geht dabei jedoch leider wenig subtil vor und präsentiert die Messages des Films als chaotischen Süßigkeitenmix auf einem Silbertablett. Für den Horrorfilm wird das dann auch tatsächlich Fluch und Segen zugleich. Denn obwohl Schockmomente, großzügig eingesetzter Bodyhorror und inhaltliche Aktualität einem hin und wieder das Blut in den Adern gefrieren lässt, so ist es eben der politische Subtext, der zusehends auf den Spannungsbogen drückt und CANDYMAN schlussendlich seiner Wirkung beraubt.
Fazit
CANDYMAN lockt mit schonungslosem Bodyhorror, blutigen Schockmomenten und großartig komponierten Bildern, schneidet sich dann allerdings an seiner wenig subtilen Message zusehends ins eigene Fleisch.
Schauspieler:in | Rolle |
Yahya Abdul-Mateen II | Anthony McCoy |
Teyonah Parris | Brianna Cartwright |
Nathan Stewart-Jarrett | Troy Cartwright |
Colman Domingo | William Burke |
Kyle Kaminsky | Grady Cartwright |
Vanessa Williams | Anne-Marie McCoy |
Rebecca Spence | Finley Stephens |
Carl Clemons-Hopkins | Jameson |
Brian King | Clive Privler |
Miriam Moss | Jerrica Cooper |
Cassie Kramer | Librarian |
Mark Montgomery | Det. Lipez |
Genesis Denise Hale | Sabrina |
Rodney L. Jones III | Billy |
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