Originaltitel: Censor
Kinostart: 29.07.2021
Länge: ca. 84 Minuten
Produktionsland: Vereinigtes Königreich
Regie: Prano Bailey-Bond
Schauspieler:innen: Niamh Algar | Michael Smiley | Nicholas Burns
Genre: Horror | Drama
Verleih: Kinostar
Zensurdebatten gab und gibt es in der Filmwelt immer wieder – in den 80ern sicherlich noch häufiger und prominenter als heutzutage, fokussieren sich viele der jüngeren Diskussionen doch eher auf Gewaltdarstellungen in Videospielen. Im Zuge der Verbreitung von Videokassetten und der Möglichkeit, Filme auch im privaten Rahmen ansehen zu können, gab es in den 1970er und 80er Jahren etliche Debatten rundum die Prüfungsprozesse von Filmen. Vorangetrieben und verschärft wurden diese in Großbritannien vor allem durch Mary Whitehouse, die besonders morbiden Filmen vorwarf, die Jugend zur Nachahmung von Gewalttaten zu verleiten. Dem folgend landeten etliche Werke auf der Liste verbotener und strafrechtlich verfolgter Filme.
Diese Ära an strenger und säuberlicher Zertifizierung von Filmen nutzt die britische Regisseurin Prano Bailey-Bond als Aufhänger für ihr Spiefilmdebüt und inszenierte einen Horrorfilm, der auf dem diesjährigen Sundance Film Festival seine Premiere feierte. In ihrem ersten Regieprojekt verschwimmen verschiedene Horrorstile mit der persönlichen Geschichte einer Frau, die sich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert sieht. Die Hauptrolle übernahm die irische Schauspielerin Niamh Algar (RAISED BY WOLVES), in den Nebenrollen sind unter anderem Andrew Havill (THE KING’S SPEECH) und Felicity Montague (BRIDGET JONES) zu sehen.
Darum geht es…
Enid arbeitet für die nationale Zensurbehörde Großbritanniens. Tagtäglich schaut sie sich potentiell gewaltverherrlichende Filme an und prüft sie auf deren Unbedenklichkeit. Gemeinsam mit ihren Kolleg*innen berät und diskutiert sie ausführlich über die Freigaben von auserlesenen Kino- und Homevideoveröffentlichungen. Als ein Verbrechen begangen wird, welches an einen Tatbestand aus einem von Enids überprüften Filmen erinnert, gerät sie samt ihrer Fehleinschätzung unter den Druck der Öffentlichkeit. Doch nicht nur die Presse und aufdringliche Anrufe stellen sie auf eine Probe, sondern auch ein neuer Film, den es zu begutachten gilt. Ein Film, in dem sie ihre Schwester wiederzuerkennen glaubt, die vor zwanzig Jahren verstorben ist …
Rezension
Tatsächlich spielen die Zensurdebatten gar keine so einnehmende Rolle, wie es aufgrund der Inhaltsbeschreibung und des Titels vermutet werden könnte. Viel mehr nimmt CENSOR diese Umstände zum Anlass, eine charakterzentrierte Geschichte zu erzählen. Die im Mittelpunkt stehende Enid wird zwar immer wieder durch ihren Beruf, die akribische Arbeit und den starken Druck dahinter in ihrer Handlungen und in ihrer Wahrnehmung beeinflusst, eine richtige Auseinandersetzung mit dem Thema filmischer Zensur gibt es aber nicht. Eher werden die Auswirkungen und verschiedene Umgangsweisen mit dem täglich schwer verdaulichen Content gezeigt, welcher manchen Figuren zur Gewohnheit, anderen aber auch zur Belastung wird.
Alltagshorror
Zentral bleibt Enid, welche sich vor allem in Bezug auf die Hintergrundgeschichte rundum ihre jahrelang verschwundene Schwester charakterisiert und durch ihre Beharrlichkeit auffällt. Die tiefsitzende und verzweifelte Hoffnung, ihre Schwester lebend wiederzufinden, steht ganz im Kontrast zu der abgebrühten, akkuraten Persönlichkeit, die sie bei der Begutachtung verschiedenster Filme an den Tag legt. Ihre doppelbödige Verbissenheit macht sie als Hauptfigur undurchsichtig und stellenweise unnahbar. Die häufig eingesetzten Rückblenden in ihre Vergangenheit bestechen zwar durch Kürze, wirken mit zunehmenden Gebrauch aber auch ermüdend.
Wirklich bedrückend wird es hingegen, wenn die Protagonistin nicht nur mit den geißelnden Blicken der Presse und ihrem Schicksalsschlag zu kämpfen hat, sondern sich obendrein in ihrem männerdominierten und ekelhaft anzüglichen Arbeitsumfeld behaupten muss. Soweit, bis einer der Regisseure ihr sogar seine Fantasie offenbart, wie sie in einem seiner kommenden Filme sterben würde. Es scheint fast so, als nehme die Regisseurin die Hauptfigur, um neben deren Bedrängnisse am Arbeitsplatz auch noch das Frauenbild in Horror- und Folterfilmen zu reflektieren und schwarzhumorig zu kommentieren.
Lichtgestalten des Horrors
Im Gegensatz zu den Filmen, die Enid die meiste Zeit zu Gesicht bekommt, hält sich CENSOR in Sachen Blutrausch zurück. Die Zensurarbeiten werden meist an der kritischen Stelle abgeblendet, viele brutale Szenen spiegeln sich jedoch in den Gesichtern der Zensierenden wieder. Deren Reaktionen und eine blutspritzende Soundkulisse entlassen den Zuschauer meist mit Kopfkino in die nächste Szene.
Die Optik des Films beschränkt sich häufig auf düstere Innenräume, erst zum Finale begibt sich die Geschichte auch hinaus in den nächtlichen Wald. Häufig ist es die Beleuchtung, die bestimmte Akzente setzt und sich vom gewöhnlichen Rest des Bildes abhebt. Gegen Ende hin steigert sich die Ausgelassenheit der Inszenierung und nimmt tranceartige Züge an, wo im ersten Drittel noch grünes und blaues Neonlicht dominierte, versinken die Lichter mit zunehmender Laufzeit in Rottönen.
Wirklich schaurig wird es dabei allerdings selten, immerhin werden Jumpscares nur sehr sparsam eingesetzt. Erst am Ende schöpft der Film noch einmal aus den Vollen und endet in einem blutigen, undurchsichtigen Chaos, welches versucht, die Aufmerksamkeit der Zuschauer durch nebulöse Wendungen aufrecht zu erhalten. Leider ist das anfängliche Hauptthema dann schon vergessen und die Schicksale der Charaktere längst nicht so interessant, wie es präsentiert wird, sodass das Finale eher durch seine Unbestimmtheit und Groteske, aber auch mit dem Gipfel seiner Aufmachung und handwerklichen Effekte besticht.
Fazit
CENSOR ist ein interessantes Regiedebüt, welches die Herzen von Genrefans höher schlagen lassen kann. In der Verarbeitung verschiedener Horrorstile in Kombination mit der tragischen Geschichte einer jungen Frau und der zeitgemäß gewissenhaften Zensurarbeit entsteht ein Horrorfilm in kreativer und stilistisch überzeugender Aufmachung, dem es jedoch an entscheidenden Spannungsmomenten fehlt. Wenig aufregende Charaktere und das eigentümliche Ende tragen ihren Teil zum zwiespältigen Eindruck bei, hinterlassen aber immer noch eine passable Seherfahrung.
Schauspieler:in | Rolle |
Niamh Algar | Enid Baines |
Michael Smiley | Doug Smart |
Nicholas Burns | Sanderson |
Vincent Franklin | Fraser |
Sophia La Porta | Alice Lee |
Adrian Schiller | Frederick North |
Clare Holman | June |
Andrew Havill | George |
Felicity Montagu | Valerie |
Danny Lee Wynter | Perkins |
Clare Perkins | Anne |
Guillaume Delaunay | Beastman |
Richard Glover | Gerald |
Erin Shanagher | Debbie |
Beau Gadsdon | junge Enid |
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