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Andrea Arnold

Andrea Arnold ©2022 MUBI

Wo sich der von Victor Kossakovsky inszenierte und von Oscar®-Preisträger Joaquin Phoenix mitproduzierte Dokumentarfilm GUNDA, ein Einblick in das tägliche Leben der titelgebenden Schweinedame, noch in malerischen Schwarzweiß ästhetisierte, verzichtet Andrea Arnold in ihrem neusten Film mit ähnlicher Thematik auf jedwede künstlerische Finessen. Statt eines Schweins steht der Alltag der Kuh Luma, welche auf einer Farm in den Vereinigten Staaten grast, gebärt und Milch von sich gibt, im Vordergrund.

Nach ihren Cannes-Beiträgen wie RED ROAD, FISH TANK und AMERICAN HONEY, dem Oscar®-Prämierten Kurzfilm WESPEN und ihrer Mitarbeit an der Fortsetzung des HBO-Überraschungserfolgs BIG LITTLE LIES inszeniert Andrea Arnold keine weitere Fiktion, sondern widmet sich mit COW erstmals dem Dokumentarfilm. Ein Dokumentationsdebüt mit hoher Authentizität und Observierungsgabe, ganz ohne kommentierendes Voice-Over und ohne zusätzliche Musik: Arnolds langersehntes Projekt, welches vergangenes Jahr bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes Premiere feierte, erscheint Anfang Februar beim Streaminganbieter MUBI.

Aus dem Leben einer Milchkuh

COW ist ein dokumentarisches Essay, welches sich mit seinen Bildern nah am Tier bewegt, seine vollständige Konzentration auf das Erleben und Befinden der Kuh richtet und Menschen weitgehend auszublenden versucht. Eingefangen werden somit ungeschminkte Momente wie etwa der Geburt oder der festgesetzten Routine, eingeengt in Ställen, in denen die Kamera von Magdalena Kowalczyk gelegentlich Mühe hat die Kuh im Ganzen zu erfassen. Oft folgt sie den Bewegungen des Tieres, erhascht Blicke von ihr, ohne sich zu weit zu distanzieren. Im Gegensatz zum obengenannten Dokumentarfilm GUNDA steht die Kamera in COW nur selten still, erzeugt in beengende Bildern gar Orientierungslosigkeit, aber auch eine gewisse Vertraulichkeit. In seiner Ungeschliffenheit und Tristesse liefert der Film unverfälschte und intime Einblicke, jedoch keine packende und fesselnde anderthalb Stunden.

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Arnolds Dokumentation verdeutlicht vor allem ihre persönliche Liebe zu den Tieren und eine enge Naturverbundenheit, die sie bereits seit Kindheitstagen hegte. Pfleger*innen und Mitarbeiter*innen des landwirtschaftlichen Betriebs treten konturlos im Hintergrund auf, erhalten kaum mehr Profil als die tüchtig arbeitenden Melkmaschinen. Vielmehr steuern Mensch und Maschinen wie ein und derselbe Fremdkörper die ausbeutenden Eingriffe in das natürliches Leben. Es entsteht ein ungeschöntes und  kräftezehrendes Porträt eines Farmlebens. Kommentiert wird diese Szenerie von den tiefschwarzen Blicken Lumas, deren lebhafte und empathisch eingefangene Gestalt die Gedanken des Publikums zur Regung bringen sollen, ohne dass sich der Film einer weiterführenden Auseinandersetzung dieser annimmt.

Cow

Cow ©2022 MUBI

Die Eintönigkeit der Bestandsaufnahme

COW zeigt monotone Abläufe, wenig Freiheiten und nahezu kein Entkommen auf. Das überträgt sich bewusst auf die Zuschauer*innen, die vor allem Geduld in die Sichtung dieses Film investieren sollten. Was erzählt und gezeigt wird, hätte sich auch in der Hälfte der Spielzeit in seinen gezeigten Facetten entfalten können. Arnold nutzt die Wiederholungen, um Fragen nach dem Leben der Tiere und lebenswürdigen Umständen wieder und wieder aufzukommen zu lassen, versieht sie aber nie mit einer fesselnder Eindrücklichkeit. Die Aussagekraft leidet trotz ihrer Relevanz unter der filmischen Zurückhaltung.

Zu den wackeligen Kamerabewegungen gesellen sich einzig und allein eine breite Palette an Hintergrundgeräuschen, die von Rascheln im Heu über den technischen Eifer der Melkmaschinen bis hin zu Radiosendungen reichen. Auch da gilt: für die Authentizität und Fokussierung auf das Leben der Tiere ist der Verzicht auf richtungsweisende oder überhaupt eine Form der musikalischen Gestaltung ein Gewinn, weniger für das Interesse seiner Zuschauer*innen. Die bekommen indes jede einzelne Minute zu spüren, die wohl lebhafter und erfahrungsintensiver auf dem Bauernhof um die Ecke in Augenschein genommen werden können.

Fazit

COW zeigt einen engen, enervierenden Einblick in das triste Leben einer Kuhdame, extrem nah und  unverfälscht. Mühsam dokumentiert der Film verschiedene Tagesabläufe und Routinen, ohne einen Reiz in seiner Inszenierung zu suchen. Das sorgt für hohe Authentizität und gleichermaßen hohe Nüchternheit, die jedweden Zugang erschweren kann. Die meisten Beobachtungen sind schlicht und gewöhnlich, selten packend oder gar dringlich und bleiben deutlich hinter den Vorschusslorbeeren zurück.

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Originaltitel Cow
Streaming – Release 11.02.2022
Länge ca. 94 Minuten
Produktionsland Vereinigtes Königreich
Genre Dokumentation
Verleih MUBI
FSK unbekannt

Regie Andrea Arnold
Produzierende Charlie Falconer | Maxyne Franklin | Rose Garnett | Kat Mansoor | Tessa Morgan | Sandra Whipham
Kamera Magda Kowalczyk
Schnitt Nicolas Chaudeurge | Rebecca Lloyd | Jacob Secher Schulsinger

 

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