Review
Was ist ein Betatest? Es ist eine Phase in der Softwareentwicklung, in der ein Produkt von einer begrenzten Anzahl von Nutzern getestet wird, um Fehler und Probleme zu identifizieren, bevor es der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Der von Hauptdarsteller Jim Cummings verkörperte Jordan Hines steht kurz vor der Hochzeit mit seiner Verlobten Caroline Gates (Virginia Newcomb). Sechs Wochen vor „dem schönsten Tag in seinem Leben“ erhält Jordan einen lila Umschlag. Dieser enthält eine unmoralische Einladung für ein unverbindliches Treffen in einem Hotel. Jordan ist hin- und hergerissen, ob er die Einladung annehmen soll oder nicht. Ist es ein Treuetest? Wer steckt dahinter? Wer möchte sich mit ihm zum Sex treffen?
Anonymer Sex als Stresskiller?
Hines ist ein gestresster Hollywood-Agent, der auf den ersten Blick ein super Leben führt inklusive Tesla. Dieser steht symbolisch für sein Leben. Das Auto ist nicht sein Eigenturm, sondern nur geleast. Hines lebt nach dem Motto „mehr Schein als Sein“. Eindruck schinden ist wichtiger als echte Beratung und für die Klienten da zu sein – Jerry Maguire lässt grüßen.
Natürlich überwindet Jordan seine moralischen Gewissensbisse und trifft sich mit einer unbekannten Frau zum Schäferstündchen. Dank Masken bleiben beide unerkannt. Doch damit beginnt erst der richtige Stress für Hines: Wer war die Frau? Kann er sie wiedersehen? Wer steckt hinter der Einladung? Soll er erpresst werden?
Gute Idee – Billige Umsetzung?
Die Prämisse klingt richtig klasse für einen Erotikthriller. Doch kann dieser Betatest bestehen? Immerhin wurde der Film vollständig durch Crowdfunding finanziert und kostete keine halbe Million Dollar. Davon ist vom Look her gar nicht zu sehen. Der Film ist natürlich weit vom Hollywood-Blockbusterkino entfernt, aber einen Billiglook hat er nicht. Gerade die Kameraarbeit weiß zu überzeugen und sorgt zwischendurch für Spannung und Interesse: Man weiß nicht immer, was gleich zu sehen ist oder passiert. Hier hat der Film seine Stärke und ist das Positivste in der Arbeit von Hauptdarsteller Cummings, der zusammen mit PJ McCabe Regie führte. Beide schrieben auch das Drehbuch, das viele Themen behandelt: Moral, Internetkonsum, Datenschutz, die Scheinwelt in Hollywood und sogar am Rande den Harvey Weinstein Skandal. Und das alles in nur 90 Minuten.
So verlockend es klingt, erfüllt DER BETATEST leider nicht die Erwartungen. Kein Charakter zieht einen in den Bann oder scheint außer der Hauptfigur von Bedeutung zu sein. Es sind alles nur Randfiguren und die vorgenannten Themen werden nur angekratzt. Allerdings könnte dies auch gewollt sein. Immerhin geht es ja gerade um eine Scheinwelt, in der Honig ums Maul geschmiert wird, aber über Gefühle und das darüber reden wird ein Bogen gemacht.
Von allem zu wenig – zwischendurch aber Highlights
Auch die Darsteller wirken nicht überzeugend – jedenfalls die von der Hauptstory. Im Betatest tauchen zwischendurch immer wieder Szenen auf, die den Thriller-Charakter verdienen und für Spannung in der Geschichte um Jordan Hines sorgen sollen. Diese Szenen sind beängstigend und kommen trotz oder gerade wegen ihrer kühlen Inszenierung mit einer Intensität rüber, die dem Film sonst fehlt. Alles scheint voller Bugs zu sein: Für einen Erotikfilm viel zu wenig Erotik. Für einen Thriller nicht spannend genug. Einige bezeichneten den Betatest sogar als Horrorfilm. Dies könnte ich nur aus einem Punkt bestätigen: So eine Welt, in der mit Lügen und Fehlern so umgegangen wird oder dies eine logische Schlussfolgerung ist, wäre für mich der Horror.
Ich habe den Film in der deutschen Synchronisation gesehen und diese ist billig geraten: Jim Cummings alias Jordan Hines ist zwar völlig überzeichnet, aber sein Charakter und seine in den Mund gelegten deutschen Sätze wirken dadurch teilweise lächerlich. Hier täte eine Überarbeitung genauso gut wie einige Minuten mehr und das verbuggte Pacing vom Betatest wäre schon mal gerettet. Aber natürlich heißt es auch bei diesem Film Time Is Cash, Time Is Money. Das muss man bei aller Kritik im Hinterkopf behalten. Natürlich könnte auch genau dies die Intention des Films sein und Hollywood durchaus berechtigterweise kritisieren: Muss alles erklärt werden? Muss Sex minutenlang ausgeschmückt und mit einem üppigen Score versehen werden? Ist weniger nicht mehr? Viele Zuschauer sind gar nicht mehr an einer guten Story interessiert, sondern nur noch an einer bombastischen Umsetzung. Der Film bietet auf jeden Fall Ansätze, um über das eine oder andere nachzudenken. Auch über den Film an sich.
Fazit
Der Film erzählt eine starke Idee, die nur in wenigen Momenten als Thriller funktioniert und fast wie ein Storyboard für einen viel größeren Hollywoodfilm wirkt, der in den nächsten Jahren veröffentlicht wird und uns dann mehr überzeugt und in den Bann zieht. Zu beachten ist, dass DER Betatest eben ein einfacher kleiner Film ist und auch sein möchte. Trotzdem wäre es sinnvoll gewesen, ihn vorab selbst zu testen. Ein bisschen mehr von allem, was einen Erotikthriller ausmacht, hätte ihm sehr gutgetan.
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Originaltitel | The Beta Test |
Kinostart | 15.10.2021 |
Länge: | 91 minuten |
Produktionsland | United Kingdom |
Genre: | Thriller | Horror | Komödie |
Regie | PJ McCabe | Jim Cummings |
Executive Producer | Alex C. Rudolph | Jake Orthwein | Matthew A. Stewart |
Producer | Matt Miller | Natalie Metzger | Benjamin Wiessner | John Jeffrey Martin | Douglas Choi |
Kamera | Kenneth Wales |
Visual Effects | Mike Cisneros |
Musik | Ben Lovett | Jeffrey Campbell Binner |
Cast | Jim Cummings, Virginia Newcomb, PJ McCabe, Kevin Changaris, Olivia Grace Applegate, Jessie Barr, Jacqueline Doke, Wilky Lau, Keith Powell, Scott Parkin, Joy Sunday, Lya Yanne, Jeffrey Markle, Bryan Casserly, Dustin Hahn, Bridge Stuart, Ray Chao, Ammar Aldieri, Grant Rosenmeyer, Ashley Denise Robinson |
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