Review
Die Geschichten von Alexandre Dumas wurden schon etliche Male verfilmt und gehören wahrscheinlich zu den am meisten umgesetzten Stoffen der Filmgeschichte. Gerade in Frankreich erfreuen sich seine Werke neuer Beliebtheit, was aufwendige Filmproduktionen und die Wiederbelebung der Mantel-und-Degen-Filme nach sich zog. Nach DIE DREI MUSKETIERE -D’ARTAGNAN und DIE DREI MUSKETIERE – MILADY kann sich das Publikum an DER GRAF VON MONTE CHRISTO von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte erfreuen. Der Film ist die 19. Adaption des gleichnamigen Buches, welches über 900 Seiten umfasst, was die Lauflänge von 178 Minuten erklärt.
Im Mittelpunkt der Handlung von DER GRAF VON MONTE CHRISTO steht der aufstrebende Seefahrer Edmond Dantès (Pierre Niney), welcher seine Geliebte Mercédès Herrera (Anaïs Demoustier) heiraten will und dadurch in eine Verschwörung ausgelöst von seinem ehemals besten Freund Fernand de Morcef (Bastien Bouillon) – sowie Cousin und Liebhaber von Mercédès – Kapitän Danglars (Patrick Mille) sowie dem Prokurator Gérard de Villefort (Laurent Lafitte) getrieben wird. Ihm wird vorgeworfen, ein Bonapartist zu sein. Diese hat zur Folge, dass Edmond auf der Gefängnisinsel Château d’If gefangen gehalten wird.
Dort lernt Edmond in einem Fluchtversuch den letzten Tempelritter Abbé Faria (Pierfrancesco Favino) kennen, welcher Edmond unterrichtet und vom Templerschatz versteckt auf der Küsteninsel Monte Christo erzählt. Bei einem gemeinsamen Fluchtversuch stirbt Abbé Faria jedoch, weshalb Edmond alleine entkommt. Als dieser erfährt, dass er alles verloren hat, plant der Held geduldig seine Rache und wird mit dem Schatz der Templer im Rücken zum Grafen von Monte Christo.
Das Frankreich des 19. Jahrhunderts
DER GRAF VON MONTE CHRISTO wirkt lebendig und lässt das Publikum mit Leichtigkeit in seine Handlung abtauchen. Das ist den belebten, sowie detaillierten Sets, den verspielten Kostümen sowie der Menge an Komparsen zu verdanken. Ein Highlight sind hier auch die nachgebauten Schiffe, die nur kurz zur vorkommen und dennoch wie ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert wirken. Das Produktionsteam hat sich merkbar Gedanken gemacht, wie der Film glaubhafter als die Vorgänger aussehen kann und in Verbindung mit dem Score von Jérôme Rebotier ein immersives Erlebnis liefert.
Hier muss auch der Einsatz von CGI in gelobt werden. Während viele Filme sich bei den Schiffen oder den diversen Schlössern mit computergenerierten Welten aushelfen würden, um vermeintliche Kosten zu sparen, nutzt DER GRAF VON MONTE CHRISTO es nur ergänzend, um bereits reale Schlösser noch imposanter wirken zu lassen, oder Wracks im Hintergrund anzudeuten. Durch das Zusammenspiel mit echten Gegenständen, sehen die Effekte grandios aus.
Gerade, wenn bedacht wird, dass der Film „nur“ 42,9 Millionen Euro gekostet hat, ist diese optische Leistung beeindruckend. Da kann Hollywood mit den aufgeladenen Budgets, welche mit MISSION: IMPOSSIBLE – THE FINAL RECKONING einen Höhepunkt von 400 Millionen Dollar erreichten, nicht mithalten. Solch ein Budget ermöglicht acht Mal die Produktion von DER GRAF VON MONTE CHRISTO. Amerikas Traumfabrik hat das verlernt, was Frankreich und weitere europäische Produktionen abzuliefern vermögen: wunderschöne Blockbuster ohne massiv gesprengte Kosten. Und Förderfonds der Länder zählen hier nicht als Begründung. Denn von diesen Fonds profitiert Hollywood selbst.

Der Graf von Monte Christo © Capelight | Jerome Prebois
Lang, aber keine Überlänge
Die Laufzeit von fast drei Stunden könnte einige Zuschauende abschrecken, doch DER GRAF VON MONTE CHRISTO fühlt sich zu keiner Sekunde zu lang an. Im Gegensatz zu Filmen mit Überlänge wie MISSION: IMPOSSIBLE – THE FINAL RECKONING hat der französische Rachefilm kein Problem mit dem Pacing und erzählt seine Handlung direkt auf dem Punkt, ohne sich mit unnötigem Ballast oder verworrenen handlungssträngen aufzuhalten. Auch, wenn das einigen Buchfans sauer aufstoßen könnte.
Denn DER GRAF VON MONTE CHRISTO hat nicht mehr viel mit Alexandre Dumas Vorlage gemein. Die Rahmenhandlung um den verratenen Edmond Dantès ist zwar identisch, aber der Film lässt diverse Stränge der Buchvorlage weg und dichtet sich im Tenor passende Elemente hinzu. Dies ist aber mehr Fluch als Segen, da das Buch deutlich langatmiger ist und in der Erzählweise abwechselnd schnell und langsamer erzählt ist. Der Film wirft damit unnötigen Ballast von Board und konzentriert sich allein auf die Rache. Denn DER GRAF VON MONTE CHRISTO ist seit jeher die Mutter der Rachegeschichten.
Es gibt bereits diverse Verfilmungen von DER GRAF VON MONTE CHRISTO. Die Stummfilmversion von 1908 von Regisseur Francis Boggs hat sogar Geschichte geschrieben. In dieser wurde der erste Stuntman der Filmgeschichte eingesetzt. Dieser Stuntman (Name nicht bekannt) sprang damals für fünf Dollar über eine Klippe, damit die Flucht aus der Gefängnisinsel imposanter wirkte. Seitdem folgten 18 weitere Verfilmungen. Eine von diesen ist mit Richard Chamberlain in der Hauptrolle, welcher sich mehrfach in Verfilmungen von Dumas Geschichten wiederfand.

Der Graf von Monte Christo © Capelight | Jerome Prebois
Doch diese französische Version von DER GRAF VON MONTE CHRISTO ist wie schon DIE DREI MUSKETIERE -D’ARTAGNAN und DIE DREI MUSKETIERE – MILADY von Martin Bourboulon deutlich ernster als die bisherigen Verfilmungen, erlaubt sich wenig bis gar keinen Humor und verlangt dem Publikum ab, einen Film ohne Comic Relief zu genießen. Doch solch ein Charakter fehlt zumindest den europäischen Rezipienten nicht, da diese sich an der Rache von Edmond erfreuen. Damit ist DER GRAF VON MONTE CHRISTO die anspruchsvollste Ton-und-Farbverfilmung des Werkes.
Eine Maske, keine Maske
Das Schauspiel ist bemerkenswert und gerade Pierre Niney kann überzeugen. Dieser spielt nicht nur Edmond Dantès, sondern auch den namensgebenden Grafen von Monte Christo, einen Priester sowie weitere Charaktere. In Verbindung mit den Masken, die täuschend echt wie Gesichter wirken blüht Pierre Nineys Schauspiel auf. Die Rollen sind facettenreich und tragen alle eine eigene Note, wodurch das Publikum ihn zwar erkennt, es aber realistisch dargestellt ist, dass die anderen Charaktere ihn in den verschiedenen Rollen ausmachen können.
Die Ziehkinder Haydée (Anamaria Vartolomei) und Andréa (Julien De Saint Jean) sind dabei wie Edmond Dantès Ying und Yang. Andréa verkörpert den puren Hass, der um jeden Preis Rache fordert, während Haydée eher ausgewogener, emotionaler und auch noch voller Liebe ist. Sie stellt die Rache nicht über alles. Dies spiegelt sich auch in der Kleidung der Beiden wieder. Der Ziehsohn fällt durch dunkle Kleidung auf, während die Ziehtochter sich noch farbenfroh schmückt.

Der Graf von Monte Christo © Capelight | Jerome Prebois
Aber auch die Antagonisten von DER GRAF VON MONTE CHRISTO – Fernand de Morcef (Bastien Bouillon), Kapitän Danglars (Patrick Mille) sowie Gérard de Villefort (Laurent Lafitte) – wissen von sich zu überzeugen. Sie sind jederzeit eine echte Bedrohung und die Zuschauenden spüren, welch eine Macht und Gier von diesen ausgeht. In solch einer Geschichte macht es auch nichts aus, dass die Antagonisten sich nicht stereotyp groß erklären. Ihre Ziele sind klar und durch ihren Machthunger geleitet halten sie sich für Humanisten.
Fazit
DER GRAF VON MONTE CHRISTO weiß von sich zu überzeugen und kann nicht nur mit DIE DREI MUSKETIERE -D’ARTAGNAN und DIE DREI MUSKETIERE – MILADY, sondern auch locker mit Hollywood-Blockbustern mithalten. Der Film ist ein Gegenpol zu den teils humorüberladenen Vorgängerfilmen und aktuellen Werken aus Amerikas Traumfabrik. Die Ernsthaftigkeit, die ausgeladenen Sets, das Schauspiel und die Liebe zum Detail begeistern die Zuschauenden, welche erneut einen Grund haben, auf große Produktionen aus Frankreich zu achten und jetzt noch auf eine Verfilmung von „Der Mann mit der eisernen Maske“ im gleichen Tenor hoffen.
Gerne wäre ich noch auf das Mediabook und dessen üppigen Inhalt eingegangen, jedoch hat uns Capelight-Pictures nur einen Screener-Link zur Verfügung gestellt.
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Originaltitel | Le Comte de Monte-Cristo |
Kinostart | 28.6.2024 |
Länge: | 173 minuten |
Produktionsland | France |
Genre: | Abenteuer | Action | Drama |
Regie | Alexandre de La Patellière | Matthieu Delaporte |
Producer | Dimitri Rassam | Cédric Iland |
Kamera | Nicolas Bolduc |
Cast | Pierre Niney, Bastien Bouillon, Anaïs Demoustier, Laurent Lafitte, Pierfrancesco Favino, Patrick Mille, Vassili Schneider, Julien de Saint Jean, Anamaria Vartolomei, Julie de Bona, Adèle Simphal, Stéphane Varupenne, Marie Narbonne, Bruno Raffaelli, Abde Maziane, Amaya Ducellier, Oscar Lesage, Joachim Simon, Françoise Gazio, Axel Baille |
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