Michel RieckPaul Seidel
Berlinale Palast von innen

Berlinale Palast von innen ©Paul Seidel

Mehrere Jahre lang habe ich im Kino Colosseum als Service die Gäste betreut und ihre Wünsche erfüllt. Das Haus gehörte rund 15 Jahre zu den jährlichen Spielstätten der Berlinale und so kam ich 2016 erstmalig in Berührung mit diesem renommierten Festival, welches es schafft, die ganze Welt für einen kurzen Augenblick auf Berlin blicken zu lassen. Ich kann aus der Vergangenheit sagen, dass nur sehr ungerne die Kolleg:innen eine Berlinale-Schicht machen wollten, denn das Publikum war anders als das bekannte Kiezpublikum. Viele Gäste befanden sich stets im Stress, waren etwas mürrisch, verstanden die speziellen Berlinaleregeln nicht und die ganze Atmosphäre wirkte sehr steif. Nicht selten mussten wir uns von Leuten, die den Anschein machten als würden sie sich als etwas Besseres fühlen als wir es waren, seltsame Predigten anhören. Die schlimmsten jedoch waren die Presseleute, die immer den Anschein machten, als wären sie über jeden Zweifel erhaben und wüssten alles.

Nie hätte ich mir erträumen lassen, dass auch ich einmal am Einlass meinen Presseausweis hochhalten würde und völlig gestresst und genervt von der Handhabe verschiedener Regeln in den Saal stürme. Alles fing damit an, dass im Dezember 2021 im Teamgespräch das Interesse aufkam von der Berlinale zu berichten, nachdem Paul für uns bereits auf der Filmkunstmesse in Leipzig war und von dieser sehr begeistert zurückkehrte. Ohne Frage wäre dies für eine Kritikenseite, wie wir es sind, natürlich eine spektakuläre Möglichkeit. Doch die Skepsis war groß, denn offiziell existieren wir erst seit rund zwei Jahren und noch sind wir nicht bei den großen Playern der Branche angekommen. Dennoch versuchte Paul einfach eine Presseakkreditierung zu bekommen und siehe da: es klappte. Etwas hin und hergerissen entschied also auch ich, mich darauf zu bewerben und hoffte mit meiner Position als Redaktionsleiter eine Chance zu bekommen. Pünktlich zu Weihnachten erhielt ich die Bestätigung.

Afterwater

Afterwater ©Flaneur Films

Das ging schneller als erwartet

Da die Berlinale erst Mitte Februar stattfinden würde, war der Januar angesetzt für das Alltagsproblem und eine gewisse Vorarbeit, um für die zehn Tage Festival genug Freiraum zu schaffen nicht auch noch andere Filme besprechen zu müssen. Recht schnell jedoch wurde klar, dass aus diesem Plan nichts werden würde. Von meinen guten Kolleginnen Lida und Elisabeth erfuhr ich doch tatsächlich nach der zweiten Sichtung von KING RICHARD, dass einen Tag später, am 14.01., bereits erste Berlinale-Pressevorführungen stattfinden würden. Dies überrumpelte mich und meine Pläne doch vollkommen, denn ich hatte weder eine Infomail erhalten noch konnte ich entsprechende Informationen auf der Website finden. Dieser etwas holprige und plötzliche Startschuss sorgte dafür, dass leider einige andere Arbeiten liegen bleiben mussten und ich mich am Folgetag zu meinem ersten Berlinalefilm überhaupt begeben würde: MY TWO VOICES.

Die ersten zwei Tage wurde ich bombardiert mit Filmen aus der Sektion Forum und ich war regelrecht geschockt, was mich hier für Werke erwarteten. Schon am zweiten Tag sah ich meinen persönlich schlechtesten Film des Jahres mit AFTERWATER – ein Glück, dass der Sonntag ein freier Tag war und ich mich von diesem Schock ein wenig erholen konnte. Zwar folgte am Montag sogleich der zweitschlechteste Film der Berlinale (ECHO), doch von da an besuchte ich vor allem die Vorführungen aus der Sektion Generation, die deutlich angenehmer verdaulich waren und ein viel breiteres Spektrum an Unterhaltung boten. Insbesondere GIRL PICTURE, THE QUIET GIRL und A WIE APFEL sind mir bestens im Gedächtnis geblieben und wurden nur noch getoppt von MY SMALL LAND. Jeden Morgen hieß es allerdings um 10 Uhr im Kino sein und drei bis vier teilweise recht anstrengende Filme schauen, anschließend schnell nach Hause und anfangen zu schreiben. Nach wenigen Tagen war ich vollkommen erledigt.

Mein kleines Land

Mein kleines Land ©2022 MSLPC

Wie Corona ein Festival auf den Kopf stellt

Allgegenwärtig war in diesem Jahr natürlich immer das nachrichtendominierende Problem: Corona. Die Zahlen stiegen unaufhörlich und die Skepsis, ob das Festival stattfinden könnte, mit diesen. Natürlich musste die Berlinale dafür Vorkehrungen treffen und so begann ein heilloses Durcheinander von Regeln und Auflagen, die ganz offensichtlich gut gemeint waren, aber ähnlich wie die bundesweiten Beschlüsse irgendwann einfach nicht mehr verstanden wurden. Vorweg sei jedoch gesagt, dass grundsätzlich das Festival sehr ordentlich ablief, ich selbst keine Erkrankung abbekam und man sich immer den Umständen entsprechend sicher fühlte. Dennoch gab es ein paar sehr eigenwillige Entscheidungen, die ich in diesem Rahmen doch einmal anbringen möchte, in der Hoffnung, dass im kommenden Jahr einfach noch ein Schritt weiter in der Planung gedacht würde.

Neben den immer abwechselnden Meldungen, ob Presseleute nun trotz Boosterung auch einen Test bräuchten, war vor allem ein Problem zu so früher Stunde einen Test zu bekommen, denn gerade im Festivalzeitraum selbst gingen die Veranstaltungen schon um neun Uhr los und bei einer einstündigen Anreise ist dies schon eine recht komplizierte Problemstellung. Im Vorlauf der Berlinale arrangierte man sich recht gut mit den Regeln doch etwas absurd wurde es zwischen dem 10. und 20. Februar, denn nicht selten befanden wir uns in Pressevorführungen in denen gerade einmal rund 20-40 Leute in Sälen mit rund 400 Plätzen saßen. Eigentlich optimal, um Abstand zu halten. Da wir jedoch mittels elektronischem Ticketsystem stets einen Platz entfernt zur nächsten Person platziert wurden, saßen schlussendlich alle Kolleg*innen gedrängt in vier Reihen statt aufgeteilt auf 30 Reihen.

Berlinale Goodies

Berlinale Goodies ©Michel Rieck

Der große Unterschied

Auch ein Umsetzen war partout nicht möglich, wegen einer möglichen Corona-Nachverfolgung, weshalb einer guten Kollegin sogar mit dem entsprechenden Rauswurf aus dem Saal gedroht wurde. Einer der Kollegen streikte regelrecht, platzierte sich selbst bewusst woanders und rief in mehreren Veranstaltungen offen dazu auf, sich nicht den Vorgaben der Berlinale zu unterwerfen. Im inhaltlichen Grundgedanken ganz richtig, wie ich finde, in der Umsetzung jedoch sehr ungünstig von ihm präsentiert, weshalb er ab dem dritten Tag auch nie wieder gesehen wurde. Etwas tragisch waren die Regeln vor allem für einige gute Kolleg*innen, die als Techniker*innen eingestuft wurden und somit dieses Jahr erstmalig nicht an den Pressevorstellungen teilnehmen durften – die Begründung war, die befürchte Überfüllung der Säle, doch wie bereits angedeutet kam es nie dazu.

Die Krönung war jedoch die Regelstellung für die öffentlichen Veranstaltungen, in denen kein Gast getestet sein musste. Die Begründung: Pressevertretende seien viel mehr in Bewegung und Kontakt mit anderen, weshalb hier die Coronagefahr deutlich größer wäre. Dazu sei jedoch gesagt, dass üblicherweise alle Presseleute stets im gleichen Kinosaal, mehr oder weniger auf dem gleichen Platz und in der gleichen Personenbubble unterwegs sind – und dies von morgens bis abends. Umso absurder wurde es, wenn wir einmal die öffentliche Veranstaltung besuchten, und aufgefordert wurden einen Test zu zeigen (entgegen dem Regelwerk der Berlinale) und ohne Vorlage nicht eingelassen wurden. Somit saßen ein paar wenige Presseleute getestet in einem großen Saal voller Ungetesteter – das macht ganz klar Sinn….

Gangubai Kathiawadi

Gangubai Kathiawadi ©2022 Bhansali Productions | PEN Movies

Von großen und kleinen Filmen

Als es am 10.02. endlich los ging, war die persönliche Spannung auf dem Höhepunkt angelangt: Was erwartet uns? Wie läuft das alles ab? Welche Stars bekommen wir zu Gesicht? Tatsächlich war das Ganze jedoch deutlich unspektakulärer, als es den Anschein macht. Als Pressevertreter der Onlinekritiken waren wir im Grunde den gesamten Tag damit beschäftigt Filme zu sichten und trotz, dass es 256 Werke zur Auswahl gab, war es mir gerade einmal möglich 83 davon zu schauen. Dabei hat es mich sehr gefreut, dass ich ausnahmslos alle Wettbewerbsfilme geschafft habe und in RETURN TO DUST mein persönliches Highlight finden konnte. Aber auch die vielen Specialfilme wie GANGUBAI KATHIAWADI oder AGAINST THE ICE und THE OUTFIT hatten es mir angetan, auch wenn dies ganz klar die mainstreamigsten Werke der Berlinale waren.

Sowohl die Perspektive Deutsches Kino als auch Forum und Encounters haben mich sehr abgeschreckt und selbst die wenigen Sichtungen im Festivalzeitraum selbst haben es nicht mehr geschafft ein persönliches Interesse zu entwickeln, auch wenn durchaus Filme wie MYANMAR DIARIES eine hervorragende Diskussionsgrundlage bieten. Stattdessen hatten auch hier die Generationsfilme es mir einfach angetan und es war wundervoll mit BUBBLE auch den einzigen Anime auf diesem Fest schauen zu können.

Schreibwerkstatt bei der Berlinale

Schreibwerkstatt bei der Berlinale ©Paul Seidel

Ein letzter Blick

Vorzeitig endete die 72. Berlinale für mich, denn gerade einmal sechs Tage hatte die Presse, um sich problemlos von Film zu Film zu hangeln. Die darauffolgenden vier Tage galten als Publikumstage und hier war es äußerst schwer Tickets zu ergattern, da die Presse erst zwei Tage vor dem Veranstaltungstag buchen konnte, während normale Gäste dies bereits schon drei Tage vorher durften. Doch das war gar nicht mal so dramatisch, denn ich war frühzeitig am Ende meiner Kräfte angekommen. Nun werden sich wohl viele denken, was daran so schlaucht – es ist doch cool, den ganzen Tag nur Filme zu schauen. Grundsätzlich stimmt das auch, doch die Arbeitstage gingen in der Regel von 7:30 Uhr morgens bis 01:30 Uhr nachts, viele Filme waren recht anspruchsvoll in ihrer Thematik und wir mussten stets die FFP-2 Maske tragen. Auch wenn ich selbst nichts gegen diesen Schutz habe, so macht sich spätestens beim dritten Film der fehlende Sauerstoff deutlich bemerkbar.

Von dem ganzen restlichen Trubel der Veranstaltung habe ich nur wenig mitbekommen. Umso spannender war es, dass ich als Journalist zur letzten Pressekonferenz gehen konnte, auf der die Preistragenden noch einmal kurze Statements abgegeben haben und Fragen beantworteten. Als großer Cineast war es zudem fantastisch einmal die beeindruckenden Kinosäle des Friedrichstadt-Palasts, des Hauses der Kulturen und natürlich vom Berlinalepalast kennen zu lernen, auch wenn diese im Fernsehen bisher noch deutlich imposanter wirkten, als sie es in Realität sind. Insbesondere die Sitze waren im Vergleich zu anderen Kinos doch deutlich miserabler und wer ganz außen platziert wurde, hat vom Film auch nicht wirklich viel mitkriegen können. Ein Erlebnis war es dennoch. Und auch wenn ich noch schwanke, ob ich auch im nächsten Jahr den Stress noch einmal mitmachen möchte, so wird dieses erste Filmfest in meinem Leben doch für immer in Erinnerung bleiben.

Berlinalepalast

Berlinalepalast ©Paul Seidel

Der erste Besuch auf der Berlinale. Nicht nur ein Anlass, einige Berliner Spielstätten und Kinos kennenzulernen, sondern auch die Möglichkeit, eines der weltweit bedeutendsten Festivals der Branche vor Ort erleben zu können. Ja, in Präsenz und mit öffentlichen Veranstaltungen, wie es vergangenes Jahr nur reduziert und in Form eines Summer Specials möglich gewesen war. 2G+-Maßnahmen, ausgebaute Testbusse, Abstandsgebote, strenge Wegregelungen – und dennoch war selbst mit enganliegender FFP2-Maskierung stets ein Hauch von Festivalatmosphäre zu vernehmen. Und auch wenn mir die Begegnung mit und Sichtung großer (filmschaffender) Prominenz ausblieb, abgesehen von einem Roten-Teppich-Lauf der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth und CDU-Politiker Friedrich Merz, der mir völlig unabhängig von der Berlinale gezielten Schrittes den Weg kreuzte, gab es Gelegenheit, sich ausgiebig dem diesjährigen Programm zu widmen.

Von 256 gezeigten Filmen flimmerten für mich gut ein Fünftel über die Leinwände und den Online-Service für Akkreditierte. 53 Filme aus unter anderem dem Wettbewerb, den Sektionen Generation, Panorama, Forum und Retrospektive sowohl der Perspektive deutsches Kino – alle von unterschiedlichsten Format und mit unterschiedlichster Begeisterungskraft.

Öffentliches Screening im Haus der Kulturen

Öffentliches Screening im Haus der Kulturen ©Paul Seidel

Ein Tag im Festivalrausch

Ausgestattet mit roter Berlinale-Bauchtasche, Smartphone und Notizblock und einem in der Jackentasche vor Kälte erstarrten Mahlzeitersatz in Form eines Müsliriegels stand an oberster Stelle neun durchgeplanter Festivaltage möglichst viele der Berlinale-Beiträge im Kino zu sehen. Nach Weckerklingeln und morgendlichen Ticketing-Rausch, für jede Veranstaltung mussten Akkreditierte zwei Tage im Vorfeld Platztickets erringen, ging es nach kurzem Frühstück auf zum zentralen Punkt der Pressevorführung, dem Potsdamer Platz. Anschließend bewegte ich mich wahlweise zum grob umzäunten Berlinale-Palast oder in die Kellergewölbe des Cinemaxx, seltener auch mal ins Haus der Kulturen der Welt oder andere Spielstätten Berlins, nur um bei jedem Anblick des Feuerwerks im Berlinale-Intro denselben Gedanken zu hegen: Endlich ein Film im Kino!

Sektionenübergreifende Highlights schlossen sich dabei nahtlos filmischen Ernüchterungen an, konventionelles Erzählkino an experimentellen Eskapaden. So beeindruckend und groß viele Bilder, so oft brachten sie Kolleg*innen dazu auf ihren Plätzen Schlaf nachzuholen. Der Hang zur frivolen Freizügigkeit offenbart sich dabei ebenso abwechselnd voyeuristisch, zärtlich, intensiv oder abgedroschen, wie sich einige Filme in den Wettbewerbssektionen zeigten.

Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Die (herausragenden) Filme der 72. Berlinale

EVERYTHING WILL BE OK etwa präsentiert eine erschütternde Dystopie, die in Split-Screen-Stil und mit Ausschnitten aus Massentiervernichtungen beinah mehr Pressevertreter*innen aus dem Kino scheuchte, als der Film selbst Bewegtbild zeigte. Überwiegend erzählen Standbilder von einer düsteren Zukunft, in der die Menschen von Tieren unterjocht werden. Aus interessanter Prämisse entfaltet sich der Wettbewerbsbeitrag von Rithy Panh in langatmigen Modell-Bildern, durchbrochen von aufrüttelnden Archivmaterial, welches im Gesamteindruck nicht nur aufgesetzt, sondern auch beliebig wirkt.

Deutlich weniger Stop, dafür mehr (E-)Motion in ihrer Vortragsweise zeigten kleine, abseits des Wettbewerbs laufende Filme: neben einem höchstens soundtechnisch zermürbenden, ansonsten eher enttäuschen neuen Film von Peter Strickland FLUX GOURMET hatte die Sektion Encounters unter anderem das packende japanische Boxkampf-Drama SMALL, SLOW BUT STEADY und mit FATHERS DAY einen interessanten Episodenfilm aus Ruanda zu bieten. Auch im Bereich Panorama konnten Dramen wie THE APARTMENT WITH TWO WOMEN oder auch UNTIL TOMORROW einen voyeuristischen und trotz seiner Inzest-Thematik wenig reizvollen GRAND JETÉ überflügeln. In dokumentarischer Form meditierte HAPPER’S COMET wohltuend in nächtlichem Treiben, die deutsche Dokumentation SORRY GENOSSE bot eine Wes-Anderson-artige Flucht aus der DDR und anonyme Videoberichte aus Myanmar berichteten in MYANMAR DIARIES schonungslos vom Militärputsch.

Die Heimat der Forumsfilme: Kino Arsenal

Die Heimat der Forumsfilme: Kino Arsenal ©Paul Seidel

Weitere (auf ihre Art und Weise herausstechende) Filme in ungeordneter Reihenfolge:
– BUBBLE, welcher allein mit seinen animierten Bildern für visuelle Abwechslung sorgte, wenngleich weder Figuren noch Handlung über das dystopische Setting und das seichte World-Building hinausragen konnten
GANGUBAI KATHIAWADI, welcher sich trotz seiner 150 Minuten Spielzeit überraschend kurzweilig und kraftvoll einem wichtigen aktuellen Thema nach der Buchvorlage „Mafia Queens of Mumbai“ widmet
– RETURN TO DUST, welcher als Wettbewerbsbeitrag bei der Bären-Vergabe gänzlich leer ausging, obwohl sich die Geschichte rundum einen chinesischen Farmer und dessen Frau, die sich eine neue Existenz aufbauen wollen, mit seiner unaufdringlichen und gewissenhaften Inszenierung deutlich von vielen anderen Wettbewerbsfilmen abhebt
Zu weiteren Highlights des Wettbewerbs unter anderem den Goldenen Bären-Gewinner ALCARRÀS und den Sektionen Generation und Forum gibt es auf dieser Seite bereits etliche Einblicke in Langform!

 

Alcarràs

Alcarràs ©LluisTudela

Altbewährtes und neue Errungenschaften

Wo Regiegrößen wie Jean-Luc Godard und Dario Argento auf zahlreiche Regiedebütant*innen treffen, versteht sich auch der Austausch mit vielen Filmliebhaber*innen und Kolleg*innen. Zwischen den Vorstellungen hieß es, kurz frische Atemluft zu schnappen, den eben gesehenen Film wahlweise gemeinschaftlich zu zerreißen oder mindestens gemischt zu diskutieren und einen von vielen zuckerüberzogenen Donuts zu verdrücken. Nebenbei an der kühlen Luft Kontakte knüpfen oder sich in der gemütlichen Presse Lounge im unteren Stockwerk des Berlinale-Palastes niederlassen und dort beginnen, das Gesehene in Worte zu fassen, ehe es wieder hieß: „Das Festival präsentiert“.

Berlinale Bär

Berlinale Bär ©Paul Seidel

Eine Beobachtung, die wohl viele bei ihrem ersten Berlinale-Besuche als Akkredierte machen werden oder das schon längst getan haben: der Unterschied zwischen Zuschauervorstellung und Pressevorführung äußert sich nicht etwa in den aufgeschlagenen Notizbüchern, sondern viel mehr in der Involviertheit und Begeisterungsfähigkeit seines Publikums. Kein Wunder, dass es bei einer durchgeplanten Woche einen deutlichen Unterschied macht, ob es nun die erste oder fünfte Vorstellung des Tages ist. So konnte mir selbst der Eröffnungsfilm PETER VON KANT im Screening mit dem öffentlichen Publikum ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern, obwohl er gegenüber Fassbinders DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT nur zur Parodie verkommt.

Und was bleibt alles in allem?

Ein interessanter Filmjahrgang ohne nennenswerte Skandale oder den einen alles überragenden Gewinnerfilm (dafür mit sechs Wettbewerbs-Auszeichnungen an weibliche Filmschaffende!), aber mit vielen kleinen filmischen Überraschungen und der dringlichen Botschaft, dass kein Onlinefestival die Kultur hinter den Filmfestspielen und dem Erlebnis im Kino ersetzen kann.