Die schönste Zeit unseres Lebens

FilmkritikIn KürzeYoutubeDas sagen die Kollegen

Originaltitel: La Belle époque
Kinostart: 28.11.2019
DVD/Blu-ray – Release: 04.06.2020

FSK 12 ©FSK

Länge: ca. 116 Minuten
Produktionsland: Frankreich
Regie: Nicolas Bedos
Schauspieler:innen: Daniel Auteuil | Guillaume Canet | Doria Tillier
Genre: Romanze | Drama | Komödie
Verleiher: Constantin Film Verleih

Zeitreisen sind eine spannende, wenn auch schwierige Angelegenheit. Die Menschheit interessiert sich schon seit jeher für die wissenschaftliche Theorie und hat auch schon erste Ansätze gefunden, diese zu ermöglichen. Tatsächlich beruhen diese Ideen eher auf Gedankenspielerein, denn wirklich erfassbar ist eine solche Reise nicht. So können wir zum Beispiel in die Zukunft reisen, in dem wir mit einem Raumschiff in annähernder Lichtgeschwindigkeit uns von der Erde entfernen und später auf die Erde zurückkehren. Auf der Erde wird dann weitaus mehr Zeit vergangen sein als in dem Raumschiff. Eine Reise in die Vergangenheit ist einzig und allein möglich, wenn wir mit dem Teleskop ins Weltall blicken, da wir durch die endliche Lichtgeschwindigkeit Bilder wahrnehmen können, wie zum Beispiel die Sonne vor etwa acht Minuten aussah.

Diese Gedankengänge sind natürlich noch weit entfernt von der Zeitreiseidee, wie sie uns allen im Kopf rumschwirrt, denn wäre es nicht schön einmal zu den Anfängen des Film- und Kinos zurückzureisen? Diese Möglichkeit werden wir wohl nicht mehr erleben, denn unumstritten ist unter Wissenschaftlern, dass selbst wenn größere Reisen dieser Art möglich wären, die praktische Umsetzung jedoch in absehbarer Zeit nicht realisiert werden könne. Da uns somit also keine Befriedigung verschaffen werden kann, hat sich Regisseur Nicolas Bedos mit dem Thema etwas intensiver befasst und ist zwar mit seiner Geschichte nicht wie in ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT in die Vergangenheit gereist, orientierte sich jedoch sehr stark an dem Wunsch der Menschheit, dies zu tun und schickt dafür einen der bedeutendsten französischen Charakterdarsteller in seine liebste Zeit.

Darum geht es…

Comiczeichner Victor ist einfach nicht für die moderne Zeit geschaffen: Mit 65 Jahren ist die moderne Technik ihm stets ein Rätsel und mit den gegenwärtigen Gepflogenheiten im Umgang miteinander, kann er sich ebenfalls nicht identifizieren. Wie schön wäre es doch in die eigene Vergangenheit zu reisen und den Alltag wieder so zu erleben, als wäre es 1974? Als sein Sohn ihm eine Freude machen will, erhält Victor die Möglichkeit im Rahmen einer Eventagentur einen Abend ganz nach seinen Vorstellungen zu bekommen. Antoine, der Inhaber und Regisseur dieser Agentur ist, ist Victor noch etwas schuldig und bemüht sich daher aufs redlichste ihm seinen Wunsch in Perfektion zu erfüllen. So beginnt für den alten Griesgram eine Reise in die Vergangenheit mit allem was dazu gehört.

Dabei verschlägt es ihn genau an den Ort und den Zeitpunkt, als er seine gegenwärtige Frau das erste Mal kennen gelernt hat. Schlagartig verliebt er sich in dieses Gefühl wieder jung zu sein, sein ganzes Leben vor sich zu haben und jegliche Probleme, die seine Gegenwart zeichnen zu vergessen. So verschlägt es ihn künftig Tag für Tag in diese längst vergessene Zeit, bis die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts fast gänzlich vergessen scheinen. Doch ist es wirklich eine Option auf lange Sicht gesehen in eine andere Realität zu flüchten?

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Rezension

Treffender könnte ein Filmtitel wohl kaum sein, denn nicht nur die Figuren im Film bekommen die schönste Zeit ihres Lebens, sondern vor allem auch die Zuschauer. Okay, diese Aussage klingt doch etwas hochtrabend und ist letztlich wohl nicht ganz zutreffend, doch kann mit definitiver Sicherheit gesagt werden, dass mit diesem Werk eine wirklich fabelhafte und herzliche Geschichte erzählt wird. Gleich mehrfach schaffte es DIE SCHÖNSTE ZEIT UNSERES LEBENS mich zu Tränen zu rühren. Doch fangen einmal vorne an.

Nicolas Bedos neustes Werk benötigt ein wenig Zeit, um richtig in Fahrt zu kommen. Zwar wird mit der ersten Szene ein rasantes und begeisterndes Opening präsentiert, doch bricht danach die Stimmung ein wenig ein, da man sich erst einen Moment genommen hat, um Figuren einzuführen und zu charakterisieren. Schon hier gibt es immer wieder ein paar nette schwarzhumorige Spitzen, die ein angenehmes Ambiente erzeugen. Doch so richtig fahrt aufnehmen tut diese Produktion erst, als die Handlung in eine sinnbildliche Vergangenheit gelegt wird. Ab diesem Augenblick zeigt sich der Wunsch des Regisseurs, hier eine herzergreifende und schön anzusehende Story zu erzählen und dies gelingt ihm auch bestens. Vor allem die skeptische Betrachtung der inszenierten Realität durch die Hauptfigur bietet einige amüsante Augenblicke.

Ein harmonisches Duo

Zwar habe ich selbst eher weniger Sympathien zum Schauspieler Daniel Auteuil, da mir seine Auftritte in der Regel doch etwas steif und erzwungen wirken, doch je ausufernder sich die Handlung in diesem Film entwickelt, je mehr schaffte er es auch seine Qualitäten ans Licht zu bringen. Tatsächlich wirkte es, als würde sich Auteuil richtig wohl fühlen in seiner Rolle und selbst als Mensch die 70er Jahre über alles lieben. Es dauert zwar ein wenig, doch Stück für Stück scheint er seine Rolle als Victor abzulegen und einfach nur noch sich selbst zu geben und dabei mit vollem Elan und all seiner Energie den Moment zu genießen. Dieser (ich nenne ihn mal…) wahre Auteuil, ist genau das, was ich sehen möchte, denn damit schafft er es trotz einer etwas eintönigen Charakterdarstellung, den Humor und die Unterhaltung des Films perfekt in Szene zu setzen.

Doch fast noch bemerkenswerter war für mich die zweite Hauptfigur. Doria Tillier verleiht dem Zuschauer ein angenehmes Gefühl von Freiheit, denn nicht nur, dass ihre Figur als unabhängige und selbstbestimmte Person auftritt, auch die Schauspielerin selbst bringt eine gewisse Leichtigkeit mit, die ansteckend wirkt. Recht unerwartet und trotzdem Tatsache ist, dass die beiden Protagonisten einfach wunderbar miteinander harmonieren, was der absolut wichtigste Aspekt einer Romanze ist, die auch wirklich echt wirken soll. Die große Distanz der beiden Figuren, verbunden durch einen großen Zufall, erzeugt eine knisternde Spannung, die regelrecht im Raum zu spüren ist und sich letztlich verblüffend auch auf das Ende des Films auswirkt.

Eine Augenweide für alle Sinne

Neben der schauspielerischen Arbeit, die hier großen Einfluss auf den Erfolg hat, ist es wohl vor allem auch die Setgestaltung, die für Begeisterungsströme sorgt. Mit einem Hauch von Perfektion und Liebe fürs Detail wurden die Kulissen so zusammengestellt, dass es ein richtig wohliges Gefühl gibt, sobald die Story in die scheinbare Vergangenheit verlegt wird. Viele Elemente der Kulisse wirken so echt und zeitgemäß, dass es richtig schön ist zu sehen, als der Figur von Auteuil auffällt, dass doch die Wände nur mit Tapete zugekleistert sind. Gepaart mit der sorgfältig ausgewählten Musik, schafft es der Film uns dennoch in eine Zeit zurück zu versetzen, die voller Faszination steckt und gleichzeitig aufzuzeigen, dass das Hier und Jetzt doch das viel wertvollere Gut ist, egal wie sehr wir und zurückwünschen.

Leider jedoch hat DIE SCHÖNSTE ZEIT UNSERES LEBENS auch einige kleine Probleme, die den Filmgenuss etwas schmälern. So wird immer wieder auch ein Blick in die derzeitige Realität geworfen, den der Zuschauer gar nicht unbedingt haben möchte. Die Geschichte rund um die beiden Protagonisten funktioniert sowohl in der Gegenwart als auch der Vergangenheit, während jedoch das Publikum nur wenig Interesse daran hat zu erfahren, was die abtrünnige Ehefrau in eben jener Zeit tut. Warum opfert man also diese verbotene Liebesgeschichte, um uns eine tragische Abtrünnigkeit zu servieren? Zudem wird auch die recht aufwendig und langwierig aufgebaute Stimmung teilweise mit schnellen und unnötigen Cuts in eine andere Szenerie, einfach achtlos über Bord geworfen.

Wer von uns wollte nicht schon einmal in eine vergangene Zeit reisen und einen Moment erneut genießen, der damals doch so traumhaft schön war? Dieser Film bietet uns zumindest im Ansatz eine Möglichkeit dafür, denn gemeinsam mit dem Protagonisten wird uns eine Welt offenbart, die eben jenen Wunsch auf völlig reale Weise geschehen lässt. Doch ist das Zeitreiseelement hier eigentlich nur ein Werkzeug für eine viele emotionalere Perspektive auf das eigene Leben, in der uns allen verdeutlicht wird, dass die Vergangenheit zwar schön ist, doch die Gegenwart in all ihrer unerwarteten Pracht unübertroffen bleibt. Regisseur Nicolas Bedos schafft es dabei auf der einen Seite unsere Gefühle wunderbar anzusprechen, verzettelt sich doch dabei auch ein wenig in seiner eigenen Geschichte und zeigt Handlungsstränge, die völlig überflüssig sind und teilweise die mühselig aufgebaute und großartige Atmosphäre zerstören.

Wichtig zu erwähnen ist hierbei die tolle harmonische Arbeit der beiden Hauptdarsteller, bei denen es ein absoluter Genuss ist dem Werdegang der Handlung zu folgen, weshalb die Cuts auf die kleine Nebengeschichte, die unabhängig von den beiden Protagonisten etabliert wird, einfach nicht schön anzusehen sind. Wenn ihr jedoch einen Abstecher in die 70er Jahre machen wollt und abseits der völlig unromantischen modernen Produktionen mal wieder eine hart erkämpfte und Gentleman basierende Liebesgeschichte sehen wollt, die immer wieder den Moment für einen netten Schmunzler auf den Lippen auskostet, dann seit ihr hier völlig richtig. Ich persönlich bin sehr hingerissen von diesem Werk und habe mich herrlich in die Figuren hineinfühlen können. Zudem wurde ich emotional so gepackt, dass mir gleich mehrfach die Tränen liefen und ich trotzdem immer wieder erfreut an den Geschehnissen war. Und abschließend muss ich ehrlich sagen, dass meine Review dem Film mit Sicherheit nicht einmal im Ansatz gerecht wird!

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7,5 von 10 (Stand: 10.06.2020)