Seitdem im Jahr 1998 der Film DIE TRUMAN SHOW in den Kinos erschienen ist, hat sich die Fernsehlandschaft komplett verändert. Der australische Regisseur Peter Weir, der neben DIE TRUMAN SHOW auch für Filme wie DER CLUB DER TOTEN DICHTER oder MASTER & COMMANDER verantwortlich ist, hat hier eine Mediensatire geschaffen, die sich kritisch mit dem Thema Reality-TV auseinandersetzt. Mit seinem Film hat er prophezeit, dass die Grenzen dessen, was im Fernsehen möglich ist, immer weiter verschoben werden. Zwei Jahre nachdem wir Jim Carrey als Truman Burbank gesehen haben, hat es die Show BIG BROTHER ins Fernsehen geschafft. In dieser Serie werden die Teilnehmer*innen in einen Wohncontainer gesperrt und sind abgeschnitten von der Außenwelt, dabei werden sie rund um die Uhr von Kameras beobachtet. Die Serie ist durch ihre komplette Zurschaustellung der Bewohner*innen sehr umstritten.
Seitdem buhlen Jahr für Jahr neue Formate um die Gunst der Zuschauenden. Dabei geht es oft um sozial schwache Menschen, an deren vermeintlichem Elend sich die Zuschauerschaft ergötzt, oder um Prominente aus der zweiten Reihe, die man beim Scheitern beobachten will. Nachdem Privatsender wie RTL oder SAT1 diese Formate zuerst für sich beansprucht haben, findet man mittlerweile immer mehr solcher „Trash-TV“-Sendungen auf den großen Streaming-Anbietern. Statt auf Qualität zu setzen, ist der Streaming-Riese Netflix mittlerweile an dem Punkt angekommen, an dem es hauptsächlich um einen konstanten Fluss an Content geht. Reality-TV ist verhältnismäßig günstig und schnell zu produzieren. Mit dieser Flut an fragwürdigen Formaten stellt sich nun die Frage, ob DIE TRUMAN SHOW auch 25 Jahre nach Veröffentlichung noch zeitgemäß ist oder ob man nur noch müde über die Ideen lächeln kann.
Darum geht es…
Seit knapp 30 Jahren läuft sie nun. Es ist die erfolgreichste Fernsehshow aller Zeiten: DIE TRUMAN SHOW. Tagtäglich können die Zuschauenden Truman Burbank (Jim Carrey) beim Leben zusehen. Er wohnt in der Kleinstadt Seahaven, die extra für das Format geschaffen wurde. Die Stadt befindet sich unter einer riesigen Kuppel in den Hollywood-Hills und ist mit über 5.000 Kameras ausgestattet. Der Clou bei der Sache: Truman weiß nicht, dass er sich in einer Fernsehshow befindet. Er glaubt, ein normales Leben zu führen. Dabei sind sämtliche Menschen in seinem Leben Schauspieler*innen: Seine Frau Meryl (Laura Linney), sein bester Freund Marlon (Noah Emmerich) und sogar seine Mutter (Holland Taylor). Überwacht wird die Show von TV-Mastermind Christof (Ed Harris). Als eines Morgens ein Scheinwerfer aus dem Himmel fällt, beginnt die Fassade der TV-Produktion zu bröckeln. Truman fallen seltsame Dinge auf, ihm wird bewusst, dass etwas mit Seahaven nicht stimmt.
Rezension:
DIE TRUMAN SHOW hat mittlerweile einen absoluten Klassikerstatus erlangt. Es handelt sich dabei um die Art von Film, die heute leider viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt: ein Film, der gleichermaßen unterhaltsam und clever ist, der seine Zuschauenden mit subtilen Botschaften zum Nachdenken anregt. Auch noch Tage nach dem Schauen kommen die Themen des Films immer wieder ins Gedächtnis zurück. Das liegt zu einem großen Teil an der genial simplen Idee: Wir beobachten einen Menschen, der Teil einer Fernsehshow ist, aber nichts davon weiß. Statt sich auf dieser Idee auszuruhen, wurde in DIE TRUMAN SHOW großer Wert auf kleine Details gelegt. Überall sieht man kleine schwarze Halbkreise, die wie Abdeckungen von Überwachungskameras wirken. Diese sind jedoch so subtil mit der Umwelt verschmolzen, dass sie eher wie Verzierungen wirken. Generell macht die ganze Stadt den Anschein, als wäre sie ein Filmset. Hier wurde bewusst darauf geachtet, dass die Kameras zu jeder Zeit Truman beobachten können.
Dies macht sich auch auf technischer Ebene bemerkbar. DIE TRUMAN SHOW spielt mit den unterschiedlichsten Kamerawinkeln. Wir sehen einerseits normale Kamerafahrten, der Film allerdings ist auch gespickt mit Aufnahmen der versteckten Kameras. So beginnt der Film mit dem Protagonisten, wie er morgens vor dem Spiegel steht. Er hat ein Spiel daraus gemacht, kleine Rollen vor dem Waschbecken zu spielen. Hinter dem Spiegel befindet sich selbstverständlich eine Linse, die den ahnungslosen Truman bei seiner Morgenroutine beobachtet. Dabei sehen wir immer wieder durch diverse Verstecke wie Knopflöcher, Anspitzer oder das Armaturenbrett in Trumans Auto. Während die Kamera auf sie gerichtet ist, achten die Darsteller*innen in der Show darauf, Werbung für Produkte zu machen. Da kontinuierlich gesendet wird, müssen eben Produktplatzierungen erfolgen. So schmeckt ein Bier, dessen Etikett stets in die Kamera gehalten wird, besonders erfrischend oder es wird von diesem einen neuen Rasenmäher geschwärmt. Was für andere Menschen seltsam scheinen würde, ist für Truman seit seiner Geburt Realität und wird deswegen nicht hinterfragt.
Jim Carey: Comedian und ernstzunehmender Darsteller.
Für Jim Carrey war DIE TRUMAN SHOW der Film, der seinen Status als ernstzunehmender Schauspieler manifestieren sollte. In den Jahren zuvor fiel der Kanadier durch komische Rollen auf. Carrey war bekannt für seine Grimassen und Improvisationen. In Filmen wie ACE VENTURA – EIN TIERISCHER DETEKTIV, DIE MASKE oder DUMM UND DÜMMER wurde Jim Carrey zum Comedy-Star. Doch wie bei vielen talentierten Komikern steckt auch in Carrey ein fantastischer Schauspieler, wie er hier beweisen konnte. Truman Burbank ist nicht einfach nur die Figur einer Reality-TV-Show, Jim Carrey verleiht seiner Figur Menschlichkeit. Im Vergleich zu seinen vorherigen Rollen begibt sich Carrey in unbekannte Gefilde. Anstelle übertriebener Emotionen erzeugt er Subtilität in seiner Figur. Er macht Truman zu einem neugierigen Mann, dessen tiefes Bedürfnis es ist, die Welt zu erkunden. Sobald er versucht auszubrechen, werden ihm jedoch Steine in den Weg gelegt. Man vergisst, dass man den Komiker Jim Carrey sieht und fiebert mit Truman Burbank mit.
Auf der Oberfläche betrachtet man also einen Film, in dem ein Mann langsam herausfindet, dass er Teil einer Fernsehshow ist. Doch wenn man genauer hinschaut, ist DIE TRUMAN SHOW viel mehr. Der Film setzt sich kritisch mit den Medien auseinander. Wie weit kann ein Studio gehen? Was ist moralisch vertretbar? Und was hat Vorrang: unser Bedürfnis nach Unterhaltung oder die Privatsphäre einer einzelnen Person? Besonders faszinierend ist das Verhältnis zwischen dem Schöpfer Christof und Truman. Ed Harris spielt einen Produzenten mit Allmachtsfantasien, der an die exzentrischen CEOs heutiger Tech-Konzerne erinnert. Der Film kann auch als Religionskritik gelesen werden. Truman glaubt sein Leben lang an eine Wahrheit, bis er anfängt, diese zu hinterfragen. Er strebt ein selbstbestimmtes Leben an und möchte nicht von einer höheren Macht abhängig sein. Regisseur Peter Weir präsentiert dabei ein ähnliches Gedankenexperiment wie Lana und Lilly Wachowski in ihren MATRIX-Filmen.
Fazit:
Statt uns nur unterhalten zu wollen, möchte Peter Weir uns mit DIE TRUMAN SHOW zum Nachdenken anregen. Der Film ist das perfekte Beispiel dafür, wie komplexe Botschaften in ein unterhaltsames Gewand gekleidet werden können, um so leichter verdaulich zu sein. Mit einer enormen Liebe zum Detail hat der Regisseur einen Film geschaffen, der sich kritisch mit der Entwicklung des Fernsehens auseinandersetzt und seine Zuschauer*innen dazu ermutigt, aus dem Alltagsleben auszubrechen und ihren eigenen Weg zu finden. Und als wäre das nicht genug, präsentiert uns DIE TRUMAN SHOW Jim Carrey in seiner ersten ernsthaften Hauptrolle. Der Komiker zeigt uns, dass er nicht nur das komödiantische Fach beherrscht, sondern auch in der Lage ist, ernste Töne anzuschlagen. Es ist nicht verwunderlich, dass DIE TRUMAN SHOW zu einem Klassiker geworden ist. Sobald man diesen Film gesehen hat, wird man ihn nie wieder vergessen. Trotz seiner 25 Jahre bleibt dieser Film ein zeitloses Meisterwerk.
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Originaltitel | The Truman Show |
Kinostart | 4.6.1998 |
Länge: | 102 minuten |
Produktionsland | United States of America |
Genre: | Komödie | Drama |
Regie | Peter Weir |
Executive Producer | Lynn Pleshette |
Producer | Edward S. Feldman | Andrew Niccol | Scott Rudin | Adam Schroeder | Richard Luke Rothschild |
Kamera | Peter Biziou |
Visual Effects | Michael J. McAlister | Craig Barron |
Musik | Burkhard von Dallwitz | Philip Glass | Wojciech Kilar |
Cast | Jim Carrey, Laura Linney, Noah Emmerich, Natascha McElhone, Holland Taylor, Ed Harris, Paul Giamatti, Brian Delate, Peter Krause, Blair Slater, Heidi Schanz, Una Damon, Krista Lynn Landolfi, O-Lan Jones, Ron Taylor, Don Taylor, Ted Raymond, Harry Shearer, Jeanette Miller, Philip Glass |
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