Originaltitel: Dreamkatcher
DVD/Blu-ray Release: 28.01.2021
Länge: ca. 85 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Kerry Harris
Schauspieler:innen: Radha Mitchell | Henry Thomas | Finlay Wojtak-Hissong
Genre: Horror | Thriller
Verleiher: Koch Films
Credit-Szenen: 1
Traumfänger sind ein Glaubensrelikt der Ojibwe-Kultur, eines der heute größten Indianervölker Nordamerikas. Es ist nicht bekannt, wann dieses Kultobjekt erstmalig angefertigt wurde, doch besonders seit den 1960er Jahren hat es sich rasant in den verschiedenen Volksgruppen Nordamerikas verbreitet und findet seitdem auch immer wieder Berücksichtigung in Filmen. Ein Traumfänger besteht in der Regel aus einem Netz in einem Weidenreifen, der mit persönlichen oder heiligen Gegenständen verziert wird. Dem Glauben nach soll dieser Reifen schlechte Träume auffangen und diese nicht an die/den Besitzhabenden heranlassen. Nur die guten Träume würden dieses Hindernis passieren können. Während hier zu Lande dieser Kult noch nicht so ausgebreitet scheint, ist es dennoch erstaunlich, welche Vielfalt dieser Gegenstände erhältlich ist – bis hin zu einer rund 800,-€ teuren Variante aus Silber und Gold.
Mit DREAMKATCHER gibt Kerry Harris sein Regiedebüt für einen Langfilm, nachdem er zuletzt im Serienbereich tätig war. Mit Radha Mitchell konnten sie sich eine namhafte Hollywooddarstellerin sichern, die bereits in Filmen wie OLYMPUS HAS FALLEN – DIE WELT IN GEFAHR, SILENT HILL, NICHT AUFLEGEN! und PITCH BLACK – PLANET DER FINSTERNIS auftauchte. Auch Henry Thomas ist als Hauptdarsteller Elliott mit dem Film E.T. – DER AUẞERIRDISCHE in die Filmgeschichte eingegangen. Zuletzt sahen wir ihn in STEPHEN KINGS DOCTOR SLEEPS ERWACHEN. Im Horrorgenre hingegen ist wohl Nebendarstellerin Lin Shaye die absolut populärste, denn mit Filmen wie der INSIDIOUS-Reihe, THE GRUDGE und OUIJA – SPIEL NICHT MIT DEM TEUFEL hat sie schon längst einen bleibenden Eindruck beim Publikum hinterlassen. Angesichts der nicht ganz so umfassenden Produktionen, schafft sie es sogar jährlich bei gleich mehreren Filmen aufzutauchen und kann daher seit 1975 auf ganze 205 Filme in ihrer Vita zurückblicken.
Darum geht es…
Zwei Jahre ist es her, seit die Mutter des kleinen Josh völlig verstörend ermordet wurde. Vater Luke hat mittlerweile eine neue Weggefährtin gefunden, die zudem auch noch Kinderpsychologin ist und Josh noch immer behandelt. Diesen plagen nämlich noch Albträume, geprägt von seiner Mutter, viel Hass und Leid. Er selbst möchte diese hinter sich lassen und ist überglücklich, als er eines Tages Ruth kennenlernt, die einen kleinen Laden weitab von der Zivilisation besitzt, in welchem sie Traumfänger und andere mysteriöse Gegenstände verkauft. Josh sieht die Chance diese Träume mit der Kraft des Glaubensreliktes zu verbannen und stiehlt sich heimlich einen dieser Gegenstände. Doch sein Unwissen wird ihm zum Verhängnis, als klar wird, dass dies kein gewöhnlicher Traumfänger ist, sondern er mit der Zeit den Jungen immer stärker verändert und Besitz von ihm ergreift.
Rezension
Bereits mit dem Intro des Films schafft es dieser das Publikum zu verunsichern. Gezeigt bekommen wir sowohl die Definition von Dreamcatcher, als auch Dreamkatcher. Erst eine anschließende Recherche ergab, dass der zweite Begriff offenbar nur eine Wortschöpfung ist, die dem Film zur Grundlage dienen solle und somit nicht im realen Gebrauch existiert. Definiert wird das Wort wie folgt:
A misshapen wooden hoop asymmetrically looped with blackened string, decorated with feathers and beads, believed to hold evil. Its origins are ancient and unknown. (Ein unförmiger Holzreifen, der asymmetrisch mit einer geschwärzten Schnur bespannt ist und mit Federn und Perlen verziert wurde, um das Böse in sich zu transportieren. Sein Ursprung ist alt und unbekannt.
Es handelt sich somit ungefähr um das Gegenstück eines klassischen Traumfängers und soll somit die Krux des gesamten Filmes werden. Als Einführungsszene bekommen wir sogleich eine kurze und bündige Einleitung, die dem Publikum ein ungutes Gefühl machen soll, insbesondere im Hinblick auf die recht lang folgende Spieldauer, in der lange Zeit gänzlich vom Thema abgewichen wird und ein komplett anders Genre Zugriff findet. Vielmehr gleich der Film nämlich einem Familiendrama, welches sich mit der Aufarbeitung einer schrecklichen Psychose beschäftigt und mit dem Annäherungs-Konflikt zwischen Sohn und Stiefmutter spielt. Hierbei werden selbstverständlich übliche Praktiken angewandt, die unverkennbar deutlich machen sollen, dass beide Protagonist:innen nicht miteinander auskommen und sich gegenseitig Probleme bereiten.
Fragen über Fragen
Tatsächlich kommt dabei sogar eine recht interessante Szene zu Tage, als der kleine Junge in den Wald läuft und sich auf den Rand eines Brunnens stellt, um damit eine gewisse Erpresserebene gegenüber der Stiefmutter einnehmen zu können (Wenn du nicht tust, was ich sage, dann springe ich). Der Kamerawinkel ist optimal gewählt und schafft völlig unerwartet eine wirklich spannende und kurzweilige Szene, gekrönt vom tatsächlichen Sprung des Jungen. Nur Sekunden später bekommen wir zwar eine Auflösung des Moments geliefert, doch war dies generell ein netter Kniff, um den Zuschauenden ein Gefühl für die Sorgen der Stiefmutter zu vermitteln. Leider jedoch verliert sich DREAMKATCHER in der Folge ganz schön in seiner eigenen Dramenerzählung und schafft es nicht noch einmal einen solchen Moment zu erzeugen.
Insbesondere leidet DREAMKATCHER darunter, dass lange Zeit nicht so recht klar wird, ob sich der Junge und die Stiefmutter nun voneinander distanzieren oder tatsächlich eine Annäherung stattfindet. Ebenso undurchsichtig zeigt sich der tatsächliche Hintergrund der Geschichte, wo doch offenbar die Familie bereits in der Gegend gewohnt hat, aber anscheinend nicht im selben Haus. Warum sind sie dann drei Häuser weitergezogen? Wenn sie nicht umgezogen sein sollten, warum ist dann ihr Haus von oben bis unten dreckig und muss erst gereinigt werden (okay, ein Männerhaushalt könnte dies natürlich erklären..)? Wieso begegnet der Junge der geheimnisvollen Ruth mit ihren Traumfängern nun erstmalig? So richtig durchsichtig scheint die Geschichte nicht zu sein. Auch wenn es für all dies eine logische Erklärung geben mag, so wird sie im Film erst einmal nicht wirklich deutlich.
Horror oder psychologische Studie?
Zeitgleich wird nicht so recht klar, in welchem Zeitraum sich die Handlung abspielt. Immer wieder verliert das Publikum das Gefühl für die Zeit und tappt im Dunkeln herum. Dieser Faden zieht sich durch den gesamten Film und sorgt dafür, dass immer wieder gewisse Zeitsprünge entstehen, die nicht so recht durchschaut werden können und zudem nicht klar wird, was eigentlich in der Zwischenzeit passiert sein könnte. Auch ist es recht eigenwillig, dass der junge Mann offenbar niemals zur Schule muss und Heimunterricht auch nicht gerade deren Stärke ist. Selbst wenn der Film mit der bitteren Realität arbeitet und dort im Homeschooling keine entsprechende Technik existieren würde, wäre es doch zumindest angebracht, dass die Eltern ihm mal ein paar Bücher vor die Nase legen.
Das große Problem von DREAMKATCHER ist vor allem, dass keine klare Linie zu erkennen ist, was dieses Werk überhaupt sein möchte: Ein mystischer Horrorfilm, basierend auf irgendwelchen Okkulten oder eine psychologische Analyse und der Umgang mit Albträumen. Weitestgehend bekommen wir nämlich eher die zweite Möglichkeit präsentiert, die durchaus seine Vorzüge hat, denn es ist spannend zu beobachten, wie mit einer solchen psychischen Störung umgegangen werden kann, beziehungsweise, wie sie sich auswirken kann. Dementgegen steht aber mit großer Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei wohl eher nicht um fundierte Recherchen und Umsetzungen handelt, die tatsächlich einen Leitfaden für problembehaftete Familien bieten könnten.
Die einzigen beiden Horrorelemente, die hier wohl auftauchen sind die immer wohl Lin Shaye, die einfach weltbekannt für entsprechende Rollen ist und die etwas abgedrehte Soundgestaltung kombiniert mit einem mysteriösen Demon, auf den jedoch auch nicht so viel eingegangen wird. Grundlegend bleibt also wohl vor allem festzustellen, dass der Junge, gespielt von Finlay Wojtak-Hissong, einfach in die Klapsmühle gehört und sein Geisteszustand einmal ordentlich überprüft werden müsste. Hinsichtlich der Traumszenarien zeigt sich jedoch auch eine wirklich starke Szene, in der uns ein Traum im Traum im Traum gezeigt wird und stets ein realistischeres und glaubwürdigeres Szenario widerspiegelt. Eine wirklich schöne Idee, die tatsächlich mal wirklich überzeugen konnte.
Fazit
Wir bekommen somit wieder mal einen Horror-Film zu sehen, der nicht so viel mit dem Genre zu tun hat, wie er sollte – Thema verfehlt! Als psychologische Studie macht das Werk da schon deutlich mehr her und liefert uns auch zwei wirklich nette kleine Szenen, die begeistern können, krankt aber vor allem an einer letztlich halbwegs realistischen Umsetzung angesichts der Übermacht des Kindes gegenüber seinen Eltern. Klar kann nun gesagt werden, dass dies ja auch ein Horrorfilm ist und daher Realismus sowieso fernbleibt, doch genau da liegt die Krux – es ist nicht klar, was hier nun eigentlich auf die Leinwand gebracht wurde. Lobenswert ist vor allem nur die Soundgestaltung, die tatsächlich mal wieder mit wunderbaren Surroundsound arbeitet und daher ein angenehmes atmosphärisches Gefühl verleiht. Ob das große Finale noch wirklich hätte sein müssen, bleibt fraglich, denn es ist schon fast nervig, dass jeder Film mittlerweile sich die Option für einen weiteren Teil offenhält.
Habt ihr einen Traumfänger zu Hause? Glaubt ihr an die mystische Kraft dieser Gegenstände? Dann passt besser auf, dass dieser auch tatsächlich die bösen Träume herausfiltert und nicht das Grauen in eurem Haus verbreitet. Hier jedoch verbreitet eher der Film ein enormes Grauen, so richtig weiß dieser nicht, wo es eigentlich hingehen soll – erzählt man nun eine Horrorgeschichte kombiniert mit einem Familiendrama oder wird es schließlich doch eine psychologische Studie mit ein paar wenigen abgedrehten Effekten? Beide Varianten funktionieren auf jeden Fall nicht sonderlich gut, auch wenn es tatsächlich einige wenige Szenen gibt, die einen gewissen Einfallsreichtum des Regisseurs widerspiegeln. Selbstverständlich darf INSIDIOUS-Urgestein Lin Shaye auch bei diesem Horror-Werk nicht fehlen, auch wenn fraglich ist, ob sie hier überhaupt ihre Qualitäten wirklich gut ausspielen konnte. DREAMKATCHER bleibt weitestgehend in einer stets monotonen Erzählweise und schafft es einzig durch gut abgemischten Surround-Sound ein wenig zu glänzen, auch wenn dies in der heutigen Zeit schon ein Standard sein sollte. Wie so viele Veröffentlichungen schwebt somit auch das hiesige Werk irgendwo mitten drin in der riesigen breiten Masse von durchschnittlichen Produktionen, die einem nicht die Augen rausfallen lassen, aber auch weit weg von enthusiastischer Begeisterung existieren.