Originaltitel: Un monde plus grand
Kinostart: 09.07.2020
Länge: ca. 100 Minuten
Produktionsland: Frankreich | Belgien
Regie: Fabienne Berthaud
Schauspieler: Cécile de France | Narantsetseg Dash | Tserendarizav Dashnyam
Genre: Drama
Verleiher: MFA
Basierned auf dem Buch „Mein Leben mit den Schamanen“ von Corine Sombrun, erzählt Regisseurin Fabienne Berthaud eben jene wahre Lebensgeschichte der Autorin in diesem Film. Frau Sombrun ist eine Schriftstellerin, die weitestgehend autobiografische Werke verfasst und durch einen Zufall Verbindungen zum Schamanismus aufbaute. Das Buch dazu erhielt die Regisseurin durch ihren Produzenten, wodurch auch sie eher unerwartet sich dem Thema nährte. Als erste Buchverfilmung ihrer Karriere war es ihr wichtig das Wissen und die Erfahrungen ihrer Vorlagengeberin präzise mit einzubeziehen und dennoch den schmalen Grat der Interpretationsfreiheit zu nutzen, um keinen Dokumentarfilm zu gestalten. Für einen hohen Wahrheitsgehalt gab sie jedoch alles und reiste für den Dreh mit ihrem Team in den Norden der Mongolei, um unter möglichst realistischen Begebenheiten filmen zu können.
Der Cast ist zwar klein gehalten, doch sticht wieder einmal eine Darstellerin besonders raus. Cécile de France. Die 45jährige ist ein gern gesehener Gast in jeglichen französischen Produktionen. Zuletzt schrieb ich über sie zum Film REBELLINNEN – LEG‘ DICH NICHT MIT IHNEN AN!, doch erlangte Sie ihre weltweite Bekanntheit vor allem an der Seite von Jackie Chan im Werk IN 80 TAGEN UM DIE WELT. Zudem durfte sie bereits das Festival de Cannes moderieren und als Jurymitglied der 68. Internationalen Filmfestspiele von Berlin agieren.
Darum geht es…
Nach dem Verlust eines geliebten Menschen ist es immer schwer wieder in den Alltag zurück zu finden. So ergeht es auch Corine. Um jedoch auf andere Gedanken zu kommen, wird sie im Zuge ihrer Arbeit in die Mongolei geschickt, um dort Tonaufnahmen von Ritualen und typischen Geräuschkulissen zu machen, die später für Film und Fernsehen herhalten sollen. Doch neben diesen Aufnahmen bringt sie noch ganz etwas anderes mit nach Frankreich: Das Wissen, dass in ihr eine seltene Gabe schlummern soll, welche noch ausgebildet werden müsse. Trotz anfänglicher Skepsis packt sie die Neugier und sie kehrt zurück zu dem mongolischen Stamm, wo ihr von nun an das Dasein als Schamanin gelehrt wird.
Rezension
Ist es immer so klug einen Spielfilm aus allem zu machen? Dieser Frage werde ich auch demnächst in meiner Rezension zu SCHWARZE MILCH noch nachgehen, denn es gibt mehrere Parallelen zwischen beiden Filmen. Um das ganze noch etwas zu präzisieren, wäre wohl die Frage angebracht: Warum wurden hier draus keine Dokumentationsfilme produziert? Beide Filme bieten spannende Grundlagen und EINE GRÖẞERE WELT basiert sogar auf völlig realen Ereignissen. Aus diesem Grund wäre es doch spannend gewesen hier nicht noch eine überflüssige dramaturgisch ansprechende Geschichte drum herum zu basteln, sondern sich einfach auf die wesentlichen Fakten zu beschränken. Doch dies war offenbar nicht im Sinne der Regisseurin. Betrachten wir also den Film als solchen wie er ist.
Zu Beginn bekommen wir eine etwas unsinnige und überflüssige Story präsentiert, die nur auf das eigentliche Ziel hinleiten soll. Warum unsinnig und überflüssig? Weil die Momente, die in Frankreich spielen, nur einen ganz kleinen Part der Gesamtgeschichte einnehmen und einzig dafür da sind zu erklären, warum sich die Hauptfigur in der Mongolei, spezieller noch in einer abgelegenen Steppenregion der Mongolei aufhält. Ist diese Lokalität inhaltlich jedoch erst einmal aufgesucht, so steigt auch der Charme des Films deutlich an, denn trotz das wir eine recht absurde Handlung von spirituellen Künsten präsentiert bekommen, die für den modernen Geist unrealistisch erscheint, entwickelt sich eine nette Dynamik der Figuren miteinander.
Unvorstellbar wahre Geschichte
Eigentlich kaum vergleichbar, und doch treffender als jegliche andere Beschreibung, wird dem Zuschauer KARATE KID ähnlicher Filmaufbau gezeigt. So gibt es eine Einführung des Versagens, welche ein Motiv schafft, gefolgt von einem Abschnitt der Hoffnung und des Trainings, bei welchem zudem Skepsis und Zweifel mitspielen. Daraufhin begibt sich die Handlung zum Part der Erleuchtung und Erkenntnis sowie den finalen glorreichen Sieg. Die Themen beider Filme könnten zwar unterschiedlicher kaum sein, doch eint sie diese Strukturierung.
Was ist nun das Interessante an dem Film? Vor allem, dass das Publikum einen spannenden Einblick in die Lebensweise mongolischer Siedler bekommt – einem Volksstamm, welcher sonst kaum in den Medien präsent ist. Schon im Film ist deutlich erkennbar, wie viel Mühe sich die Regisseurin gemacht hat, um auf den Spuren von Corine Sombrun zu wandeln und ihre Erlebnisse zu rekonstruieren. Ebenfalls spannend ist der Einblick in die spirituelle Weltanschauung, welche ich zwar noch immer skeptisch betrachte, dieser jedoch nun etwas aufgeschlossener bin. Es war tatsächlich überraschend zu sehen, dass hier wahre Ereignisse verarbeitet sein sollen, auch wenn natürlich fraglich ist, wie nah sich der Film an diese heranwagt und welcher Anteil letztlich doch der Fiktion entspricht.
Unschön und langweilig
Dennoch muss auch gesagt werden, dass EINE GRÖẞERE WELT etwas träge und dröge erzählt ist. Hier wird ein Film in die Länge gezogen, der eigentlich nicht allzu viel zu erzählen hat und vor allem nur wenige dramaturgische Entwicklungen bieten kann. Nicht verwunderlich ist dabei, dass sich schnell auch mal die Müdigkeit ausbreiten kann, da der Zuschauer einfach nicht über die gesamte Spielzeit gefesselt wird. Das ist jedoch nur bedingt ein Problem der Regiearbeit als vielmehr der Vorlage, die einfach nicht für ein Spielfilm geeignet scheint. Aus diesem Grund komme ich auch zu meiner anfänglichen Frage zurück und möchte gern darauf hinweisen, dass in diesem Fall wohl eine dokumentarische Aufarbeitung angemessener gewesen wäre, insbesondere wo doch sogar die Buchautorin, die ihre eigenen Erlebnisse verarbeitet hat, zur Verfügung stand. Die wenigen gut inszenierten Naturaufnahmen reißen dabei leider nicht so viel raus.
Drama oder Dokumentation – das ist hier die Frage! Diese kann das Werk tatsächlich nur bedingt beantworten, denn während der gesamte Film als Drama angelegt ist, bekommen wir doch vielmehr eine dokumentarische Erzählung geliefert, die uns das Leben und den Glauben von Völkern in mongolischen Steppenlandschaften näher bringt. Um diese, auf wahren Begebenheiten beruhenden, Geschehnisse wird noch eine etwas lapidare Story drum herum konstruiert, um hiermit dem Anspruch einer dramaturgisch strukturierten Geschichte gerecht zu werden. Fraglich ist, ob dies wirklich nötig war. Ich persönlich bin der Ansicht, dass EINE GRÖẞERE WELT deutlich an Qualität gewonnen hätte, wenn er einfach nur strikt die Informationen abgearbeitet hätte, die als Vorlage dienten. So basiert die gesamte Geschichte auf einem Buch, in welchem die Vorlagengeberin eigene Erlebnisse und Erfahrungen festgehalten hat. Dadurch, dass hier ein Spielfilm konstruiert wurde, verliert der ganze Inhalt ordentlich an Glaubwürdigkeit, ganz abgesehen davon, dass dieser einfach viel zu stupide ist, um eine spektakuläre oder interessenweckende Geschichte zu erzählen. Es gibt Momente, die etwas neugierig machen, doch im Grunde verpufft die hintergründige Story an Hand filmischer Stilmittel. Schade, dass eine Genrewahl solch einen Einfluss bringt.