Etilaat Roz erzählt von der Redaktion der gleichnamigen Tageszeitung, die im Sommer 2021 den Machtwechsel in Afghanistan unmittelbar miterlebt. In Kabul ausharrend müssen sie sich entscheiden, wie ihre Arbeit und ihr Leben unter der Herrschaft der Taliban weitergehen kann.
Als sich amerikanische und europäische Streitkräfte im Sommer 2021 überstürzt aus Afghanistan zurückziehen und die Regierung des Landes zusammenbricht, beginnt die Machtübernahme der Taliban. Bilder überfüllter Flugzeuge kursieren um die Welt, die letzte Fluchtversuche vom Kabuler Flughafen zeigen. Anderthalb Jahre später finden die Entwicklungen des Landes nur noch am Rande (mediale) Aufmerksamkeit. Nun eröffnet ein Dokumentarfilm das diesjährige DOK.fest München, der die Situation und die erheblichen Veränderungen des August 2021 aus dem Blickwinkel einer ortsansässigen Tageszeitung festhält.
Diesen und viele weitere Dokumentarfilme gibt es vom 03.05.-21.05 auf dem Internationalen Dokumentarfilmfestival in München zu sehen. Erneut ist es in diesem Jahr möglich, Filme des DOK.fests sowohl im Kino (03.05.-14.05.) als auch Online (08.05.-21.05.) zur erleben.
Rezension
Ohne die Räumlichkeiten der Redaktion zu verlassen, dokumentiert Abbas Rezaie, ehemals Mitarbeiter der ETILAAT ROZ, die entscheidenden Tage vor, während und nach der Machtübernahme sowie deren Auswirkung auf die verbleibenden Journalist*innen. Zurecht als Kammerspiel umschrieben, braucht es wenig explizite Aufnahmen, um die Situation der Protagonist*innen und die Bedrohung freier und legitimer Berichterstattung unmittelbar greifbar zu machen. Diese konstruiert sich innerhalb der Redaktionswände aus Social-Media-Beiträgen, Schussgeräuschen und den eigenen Erfahrungen, die die Protagonist*innen mit an ihren einstigen Arbeitsplatz bringen.
Wer am nächsten Tag noch von der Redaktion übrig ist und wer einen Weg gefunden hat, das Land zu verlassen, ist ebenso ungewiss wie die Zukunft der Zeitung, die wie viele afghanische Medien unter den Druck des neu installierten Machtapparates gerät. Ohne die Historie und Arbeitsweisen der Zeitung aufzugreifen, konzentriert sich ETILAAT ROZ auf den unsicheren Ist-Zustand, der in den August- und Septemberwochen zur anhaltenden Geduldsprobe für die Zurückgebliebenen wird. Wo sich nervenaufreibende Ungewissheiten, Angstzustände, übergriffige und gewalttätig Ereignisse verdichten, fühlt sich ein Monat längst nach keinem Monat, sondern beinah nach Jahren des Ausharrens an.
Lose orientiert sich der Film am Leiter der ehemals auflagenstärksten Tageszeitung Kabuls, der zuletzt das Land verlassen möchte, um seine Redaktionsmitglieder in Sicherheit zu wissen. Diese skizziert der Film am Rande, lässt nur so viele private Einblicke zu, wie auch die Wände der Redaktionsräume erreicht. Viel mehr Einsichten braucht es auch nicht, um den Einsatz und den Austausch der Redakteur*innen in Interviews, Alltagsgesprächen oder minutenlangen Close-ups wirksam einzufangen.
ETILAAT ROZ zeigt eine Chronologie des Zitterns, in welcher die neuen Machthaber nur selten bildlich in Szene gesetzt werden. Anders als deren Gewaltausübung, die sich in psychischen, aber auch explizit in physischen Verletzungen vergegenwärtigt. Festgehalten werden sie in nüchternen Bildern ohne die drastischen Entwicklungen reißerisch auszubeuten oder sie mit dramatischer Musik zu verfremden. Wie der Rest des Films, der die Alltags-Aufnahmen in Verbindung mit Texttafeln und ohne Kunstkniffe aneinanderreiht und in erster Linie ein eindringliches Zeitdokument hinterlässt.
Fazit
Den einzigen Schauplatz seines Debütfilms, die Räume der Zeitungsredaktion der ETILAAT ROZ, nicht verlassend, dokumentiert Abbas Rezaie die prägenden Ereignisse des Sommers 2021. Im Abwägen von Fluchtmöglichkeiten, in ständiger Ungewissheit und Ablenkungsversuchen an der Tischtennisplatte zeigen sich anhand diverser Redaktionsmitgliedern die beunruhigenden Konflikt-Entwicklungen. Mit wenigen Mitteln umgesetzte, bodenständig und aufwühlend geschilderte Einblicke.
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Originaltitel | Etilaat Roz |
Kinostart | 24.9.2022 |
Länge: | 93 minuten |
Produktionsland | Afghanistan |
Genre: | Dokumentarfilm |
Regie | Abbas Rezaie |
Producer | Abbas Rezaie | Zaki Daryabi |
Kamera | Abbas Rezaie |
Cast |
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