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Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Mit EVERYTHING WILL BE OK ist Regisseur Rithy Panh bereits das zweite Mal bei der Berlinale vertreten. Mit IRRADIÉS trat der 57-Jährige 2020 zum Wettbewerb um den Goldenen Bären an und präsentierte dabei den einzigen dokumentarischen Beitrag in eben jener wichtigsten Sektion. Auch in diesem Jahr versuchte er, mit einer neuen und ungewöhnlichen Geschichte den wichtigsten deutschen Filmpreis zu ergattern und erhielt zumindest den Silbernen Bären für eine Herausragende Künstlerische Leistung. In seinen Filmen bezieht sich Panh zumeist auf den Genozid in Kambodscha, der ihn und seine Familie massiv geprägt hat, bevor er sich in den 80er Jahren in Frankreich niederlassen konnte. Der Titel seines neuen Films verweist auf einen Jugendlichen, welcher im Zuge der erneuten Machtergreifung des Militärs in Myanmar ein T-Shirt mit eben jenem Aufdruck trug. Passend dazu feierte auch der Film MYANMAR DIARIES bei der Berlinale seine Weltpremiere.

Darum geht es…

Wie sähe eine Welt aus in der Tiere an der Macht wären und wir Menschen nur verbitterte Sklaven und Haustiere? Ein neues Zeitalter ist angebrochen, und mühevoll erkämpfen sich die Tiere ihren Platz in der Welt zurück. Kriege, Terror und Totalitarismus sind die Folge. Doch wird die Welt daran zugrunde gehen oder einen neuen Frühling erleben?

Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Rezension

EVERYTHING WILL BE OK ist ein narrativer Film, der eine dystopische Realität eröffnet und in Form eines Mockumentarys, die Gegenwart ad absurdum führt. Erste Assoziationen während der Sichtung orientierten sich sofort an PLANET DER AFFEN, in denen Tiere ebenfalls eine Parallelgesellschaft aufbauen und unter dem Druck der Menschen den Schritt gehen müssen, sich zu wehren. Es gibt mehrere Szenen, die genau daran erinnern, denn auch in diesem Film sehen wir frei denkende Affen, die sich von der Plage Mensch befreien und eigenständig leben wollen. In diesem Werk jedoch stehen im Mittelpunkt ebenfalls Schweine und gelegentlich auch andere Tierarten, die stets in einen umgekehrten Realitätszusammenhang gebracht werden. Wo ein Schwein üblicherweise in kleine Käfige gepfercht wird und unter widrigsten Bedingungen leben muss, geschieht nun ähnliches dem menschlichen Pendant.

Gerade visuell hat das Panhs Werk ordentlich was zu bieten, denn der gesamte Film ist als Diorama angelegt, in welchem hunderte von Lehmfiguren in einem äußerst feinen und detailreichen Setting untergebracht wurden. Üblicherweise werden Filme dieser Art als Stop-Motion Werke angelegt, in denen mit Knetfiguren teilweise hunderttausende einzelne Bilder geschossen werden, um daraus einen Film zu erzeugen. Die Bewegungen der Figuren entstehen dadurch, dass die Knetfiguren für jedes der Bilder minimal verändert werden und sowohl Gesichtszüge als auch Körperbewegungen veränderbar sind. Panh ist es mit Lehmfiguren jedoch verwehrt, eine solche Bewegung relativ einfach zu erzeugen, weshalb der Film im Grunde nur aus starren Bilderkombinationen besteht, die ähnlich wie bei einem Gemälde in ihren Einzelheiten interpretiert werden können. Durch verschiedene kleine Kniffe schafft er es aber trotzdem, das Bild mit Leben zu füllen und somit beeindruckende Szenenbilder zu entwickeln.

Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Visuell top, narrativ flop

Panh entwickelte dabei verschiedenste Umgebungen, die Assoziationen zu unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Diskrepanzen aufwerfen und sich zur Abwechslung nicht nur auf den Genozid von Kambodscha konzentrieren. Mitten in die Dioramas werden zudem kleine Bildschirme (mutmaßlich digital) eingefügt, die die starren Bilder durch kurze Videos zusätzlich mit Leben füllen. Zwischen den vielen Modellszenen sehen wir zudem immer wieder Einblendungen, die memoryartig in verschiedenen Parallelmontagen Szenerien wiederholen oder abschreckende reale Bilder aus der heutigen Gesellschaft zeigen. Diese sind teilweise für das Publikum nur schwer erträglich, weshalb in mehreren Vorstellungen während der Berlinale ein Großteil des Publikums sogar den Saal verließ. Darunter fallen insbesondere Momente wie das explizite Zeigen einer Schlachtszene, Schreddern von Küken oder brutale Kriegs- und Terrorszenarien.

Seht euch die Menschen auf ihrem Höhepunkt an. Die Welt ist restlos konsumiert.

EVERYTHING WILL BE OK spricht dabei durchaus massenhaft Themen an, die sich weltweit in jeder Gesellschaftsform problematisch darstellen und teilweise der Zerstörung des Planeten voraus gehen. Doch genau das ist das Problem des Films, denn in den gesamten 98 Minuten Spieldauer wird ununterbrochen Kritik an der Weltordnung geübt und ein tragisches Szenario an das Nächste gereiht. Dabei konzentriert sich das Werk sowohl auf historische Elemente als auch auf Gegenwärtige. Zu keinem Zeitpunkt bietet der Film jedoch eine Perspektive. Statt einer konstruktiven Kritik, die sich mit den Problemen auseinandersetzt und sich Gedanken macht, welche Verbesserungen sinnvoll und möglich wären, bekommen wir somit nur eine überlange Terrorisierung voll von schrecklichen Bildern, die teilweise auch noch aus einem sinnvollen Kontext herausgerissen werden.

Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Psychische Instabilität

Wer es vor dem Film noch nicht war, ist spätestens danach depressiv. Nicht nur, weil die negative Stimmung arg aufs Gemüt schlägt, sondern auch, weil der Regisseur uns immer wieder von Neuem, mit schon längst erzählten Elementen konfrontiert, die ohne einen erzählerischen roten Faden zusammengeworfen werden. Viele der Bilder werden nicht nur einmal aufgerufen – wäre dies der Fall gewesen, so wäre EVERYTHING WILL BE OK wohl auch nur halb so lang gewesen und als Film deutlich akzeptabler. Alle, die bei diesem Film nicht den Saal verlassen, haben nämlich trotzdem zu kämpfen und müssen sich krampfhaft dazu zwingen, nicht einzuschlafen. Somit wird die Frage aufgeworfen, ob es sinnvoll ist, ein solch dystopischen Film zu realisieren, wenn niemand ihn je ganz ertragen wird. Wäre es nicht womöglich sinnvoller, sich intensiv mit den Problematiken auseinanderzusetzen und sie umfassend aufzuarbeiten und Auswege aus der Katastrophe zu entwickeln?

Fazit

Mit EVERYTHING WILL BE OK hatte Rithy Panh die Möglichkeit, ein ganz besonderes Highlight der Berlinale zu gestalten, diese aber restlos verschenkt. Die Szenerien sind in ihrer Darstellung und ihrem Detailreichtum einfach fantastisch und bieten uns ein herausragendes Erlebnis. Das Arrangement der Sets ist mit viel Liebe fürs Bild vorgenommen wurden und muss in seiner Brillanz einfach gewürdigt werde. Dies tröstet jedoch nicht darüber hinweg, dass es keine gradlinige Story gibt, die dem Publikum eine klare Message vermittelt, sofern diese nicht gerade lauten soll: Die Welt und die Menschen sind scheiße. Leider ist es mir daher nicht möglich, für diesen Film eine Empfehlung auszusprechen, sofern die Zuschauenden nicht gerade masochistisch veranlagt sind.

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Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

EVERYTHING WILL BE OK is director Rithy Panh’s second appearance at the Berlinale. With IRRADIÉS, the 57-year-old entered the competition for the Golden Bear in 2020 and presented the only documentary entry in precisely that most important section. This year he also tried to snatch the most important German film prize with a new and unusual story and at least received the Silver Bear for Outstanding Artistic Achievement. In his films, Panh mostly refers to the genocide in Cambodia, which had a massive impact on him and his family before he was able to settle in France in the 1980s.

That’s what it’s about…

What would a world look like in which animals were in power and we humans were just bitter slaves and pets? A new age has dawned and animals are struggling to regain their place in the world. Wars, terror and totalitarianism are the result. But will the world perish or experience a new springtime?

Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Review

EVERYTHING WILL BE OK is a narrative film that opens up a dystopian reality and takes the present ad absurdum in the form of a mockumentary. Initial associations during the viewing were immediately oriented towards PLANET OF THE MONKEYS, in which animals also build a parallel society and have to take the step of fighting back under pressure from humans. There are several scenes that remind us exactly of this, because in that film we also see free-thinking apes who want to free themselves from the plague of humans and live independently. In this work, however, the focus is also on pigs and occasionally other animal species, which are always placed in an inverted reality context. Where a pig is usually crammed into small cages and forced to live under the most adverse conditions, something similar now happens to its human counterpart.

Especially visually, Panh’s work has a lot to offer, because the entire film is set up as a diorama in which hundreds of clay figures are placed in an extremely fine and detailed setting. Films of this kind are usually created as stop-motion works, in which hundreds of thousands of individual images are shot with clay figures to create a film. The movements of the figures are created by minimally changing the clay figures for each of the images, and both facial features and body movements can be changed. With clay figures, however, Panh is prevented from creating such movement relatively easily, which is why the film basically consists only of rigid combinations of images, the details of which can be interpreted in a similar way to a painting. Through various little tricks, however, he still manages to fill the picture with life and thus develop impressive scenic images.

Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Visually top, narratively flop

Panh developed a wide variety of environments that raise associations with a wide range of political and social discrepancies and, for a change, do not just focus on the genocide of Cambodia. Small screens (presumably digital) are also inserted in the middle of the dioramas, which additionally fill the rigid images with life through short videos. Between the many model scenes, we also see repeated insertions that repeat memory-like scenes in various parallel montages or show chilling real images from today’s society. These are sometimes difficult for the audience to bear, which is why in several screenings during the Berlinale a large part of the audience even left the auditorium. This includes in particular moments such as the explicit showing of a slaughter scene, shredding of chicks or brutal war and terror scenarios.

Look at people at their peak. The world is completely consumed.

EVERYTHING WILL BE OK certainly addresses mass issues that are problematic in every form of society worldwide and in some cases precede the destruction of the planet. But this is precisely the problem of the film, because in the entire 98 minutes of running time, criticism of the world order is continuously voiced and one tragic scenario is strung together after the next. The work focuses on historical elements as well as on the present. At no point, however, does the film offer a perspective. Instead of constructive criticism that deals with the problems and considers what improvements would be sensible and possible, we thus only get an overlong terrorisation full of terrible images, some of which are also torn out of a meaningful context.

Everything Will Be Ok

Everything Will Be Ok ©CDP | Anupheap Production

Psychological instability

If you weren’t depressed before the film, you will be afterwards at the latest. Not only because the negative mood is hard on the mind, but also because the director confronts us again and again with elements that have already been told long ago, thrown together without a narrative thread. Many of the images are not only called up once – if this had been the case, EVERYTHING WILL BE OK would probably have been only half as long and much more acceptable as a film. All those who don’t leave the auditorium during this film struggle anyway and have to force themselves convulsively not to fall asleep. This raises the question of whether it makes sense to make such a dystopian film if no one will ever fully endure it. Wouldn’t it possibly make more sense to deal intensively with the problems and come to terms with them comprehensively and develop ways out of the catastrophe?

Conclusion

With EVERYTHING WILL BE OK, Rithy Panh had the opportunity to create a very special highlight of the Berlinale, but completely gave it away. The scenery is simply fantastic in its presentation and richness of detail and offers us an outstanding experience. The arrangement of the sets was done with a lot of love for the image and must be appreciated in its brilliance. However, this does not take away from the fact that there is no straightforward storyline that conveys a clear message to the audience, unless that message should be: The world and people suck. Unfortunately, it is therefore not possible for me to give this film a recommendation, unless the viewers are of a masochistic disposition.

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Originaltitel Everything Will Be Ok
Berlinale – Release 12.02.2022
Berlinale – Sektion Wettbewerb
Länge ca. 98 Minuten
Produktionsland Kambodscha | Frankreich
Genre Dokumentation | Fantasy | Dystopie
Verleih unbekannt
FSK unbekannt

Regie Rithy Panh
Drehbuch Rithy Panh | Christophe Bataille | Agnès Sénémaud
Produzierende Rithy Panh | Catherine Dussart | Fabrice Puchault
Musik Marc Marder
Kamera Rithy Panh | Prum Mesa
Schnitt Rithy Panh

 

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