Es gibt Orte, an denen man nicht länger verweilen möchte als unbedingt notwendig. Eine öffentliche Toilette an einem heruntergekommenen Rastplatz irgendwo mitten in der Pampa ist einer davon. Bereits beim Tippen dieser einleitenden Zeilen kann man den beißenden Geruch einer nur spärlich gereinigten Sanitäranlage – und glaubt mir, das sind sie alle – am Rande einer hochfrequentierten Straße förmlich riechen. Dass der unfreiwillig lange Aufenthalt in einem Klohäuschen auch ohne das Zutun einer unheimlichen Präsenz oder einer blutrünstigen Gefahr alles andere als ein Zuckerschlecken ist, hat bereits der deutsche Genrefilm ACH DU SCHEISSE! im vergangenen Jahr unter großzügigem Einsatz von menschlichen Fäkalien eindrücklich unter Beweis gestellt. Was für den Protagonisten des skurrilen Beitrags aus dem tiefsten Bayern die beengenden Kulissen einer blauen Dixi-Toilette waren, ist für einen jungen Mann in GLORIOUS nun eben jenes eingangs beschriebene Rastplatzklo. Nur sind Dreck und Gestank nicht die einzigen Probleme, die ihm in den muffigen Räumlichkeiten die Hölle auf Erden bescheren.
Darum geht es
Wes (Ryan Kwanten) ist sichtlich gerädert, als er mit seinem Auto an einer abgelegenen Raststätte Halt macht. Ein Teddybär auf dem Beifahrersitz ist alles, was ihm von der Beziehung zu seiner Ex-Freundin noch geblieben ist und erinnert ihn schmerzlich an die vergangene gemeinsame Zeit. Bevor er seine ziellose Fahrt durch das Land fortsetzt, verschlägt es Wes für einen kurzen Toilettengang in die zugehörige Sanitäranlage, welche scheinbar seit Ewigkeiten keine Reinigung mehr erfahren hat. Als eine Stimme (J.K. Simmons), die nicht von dieser Welt stammt, aus einem Glory-Hole der benachbarten Toilettenkabine dringt und ihn in ein Gespräch verwickelt, ahnt er nicht, dass der schmuddelige Ort, den er vor wenigen Minuten betreten hat, für lange Zeit ein Gefängnis für ihn sein wird.
Rezension
„Fäkalien, Erbrochenes und verschiedene Spermareste sowie 127 verschiedene Bakterienstämme.“ Wenn sich Wes verzweifelt über die Erkenntnis seiner misslichen Lage irritiert die ungewaschenen Hände, die eben noch den Toilettenrand umschlossen, über das Gesicht reibt, möchte man sich als Zuschauer*in am liebsten direkt selbst unter die brühend heiße Dusche stellen und tagelang nicht mehr herauskommen. Die akribisch genaue Information seines noch gesichtslosen Gesprächspartners aus der Kabine von nebenan über die einzelnen Bestandteile, dessen, was er sich soeben in die Augen gerieben hat, multipliziert dieses intrinsische Verlangen noch einmal um ein Vielfaches. GLORIOUS ist Horror für alle Sinne, auch wenn der eigentliche Schrecken in Form von kosmischem Horror auf den Spuren von H.P. Lovecraft erst spät zum Tragen kommt. Bis dahin wohnt das Publikum einem dialoglastigen Kammerspiel bei, dass neben dem Ekel-Szenario vor allem auf die humoristischen Interaktionen seines ungleichen Zweiergespanns setzt.
Wenn sich Wes plötzlich mit einer außerirdischen Lebensform in einem philosophischen Zwiegespräch auf Klo wiederfindet und dabei eine metaphysische Erfahrung zwischen Sinnhaftigkeit und Fäkalhumor erlebt, ist dies einer von vielen Indikatoren dafür, dass sich GLORIOUS nicht allzu ernst nimmt. Da ist es natürlich überaus passend, dass die Stimme – die übrigens keinem geringeren als SPIDER-MAN-Darsteller J.K. Simmons entliehen ist – direkt aus einem Glory-Hole inmitten des Graffitis eines Tentakelmonsters ertönt. Ein Bild, das bereits früh einen kleinen Ausblick auf das gibt, was Wes im späteren Verlauf noch zu Gesicht bekommen wird. Auch wenn GLORIOUS lediglich ein begrenztes Setting zur Verfügung steht und die Kamera nur für einige Rückblenden und Traumsequenzen Wes’ versifftes Gefängnis verlässt, gelingt es Regisseurin Rebekah McKendry ihrem kruden Genremix doch einen visuellen Stempel aufzudrücken. Mit den in lila-pinken Neonschein gefärbten Bildern entpuppt sich GLORIOUS trotz der schäbigen Lokalität geschuldeten Schmuddel-Ästhetik als atmosphärischer Genrefilm im Fahrwasser von visuell berauschenden Werken wie DIE FARBE AUS DEM ALL oder MANDY.
Zwiegespräch auf Klo mit einem Halbgott
Dass GLORIOUS trotz dieser unverkennbaren Stärken am Ende doch einen nicht durchweg positiven Eindruck hinterlässt, hat mehrere Gründe. Auch wenn die Rückblenden zu Wes zwischenzeitlich beendeten Beziehung wichtig für das noch kommende Finale sind und das Publikum dabei auf eine falsche Fährte locken sollen, wirken sie sich doch auf den natürlichen Fluss der Erzählung aus. Auch die anfangs durchaus komischen Interaktionen zwischen Wes und seinem außerirdischen Halbgott können diese Qualität nicht über die gesamte Laufzeit aufrechterhalten. Trotz der knapp bemessenen Laufzeit von gerade einmal 79 Minuten schleichen sich so gerade im Mittelteil doch einige Längen ein. Als kosmischer Horror mit klarem Fokus auf die Dialoge – der lovecraft’sche Horror begrenzt sich lediglich auf die letzten Filmminuten – ist GLORIOUS dennoch eine kleine Sehempfehlung, auch wenn die Geschichte im schmalen Korsett eines Kurzfilms vermutlich besser aufgehoben wäre.
Fazit
Als wäre eine aufgezwungene Konversation mit dem Kabinen-Nachbarn einer öffentlichen Toilette, die darüber hinaus dringend einer intensiven Grundreinigung unterzogen werden sollte, nicht schlimm genug, findet sich ein nichtsahnender Mann plötzlich in einer ausweglosen Situation mit einer uralten außerirdischen Lebensform wieder. GLORIOUS bietet lovecraft’schen Horror im Rahmen eines dialoglastigen Kammerspiels mit humoristischem Grundton und ästhetischem Schmuddel-Look. Das bedeutet jede Menge Fäkalien, skurrile Dialoge und schleimige Tentakeln – hat dabei aber auch mit einigen Längen zu kämpfen.
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Originaltitel | Glorious |
Kinostart | 21.7.2022 |
Länge: | 79 minuten |
Produktionsland | United States of America |
Genre: | Horror | Fantasy | Komödie |
Regie | Rebekah McKendry |
Executive Producer | Nina Kolokouri | Rick Moore | Mark Cartier | Barbara Crampton | Gaba Gavi | Ryan Kwanten | James Norrie | Kevin Kale |
Producer | Inderpal Singh | Morgan Peter Brown | Jason Scott Goldberg | Bob Portal | Christian Armogida | Joe Wicker |
Kamera | David Matthews |
Musik | Jake Hull |
Cast | Ryan Kwanten, J.K. Simmons, Sylvia Grace Crim, Andre Lamar, Tordy Clark, Sarah Clark, Katie Bacque |
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