Jann Mardenborough (Archie Madekwe) ist ein eher introvertierter Mensch, der sich mit dem Videospiel Gran Turismo aus der für ihn ungewissen Realität rettet und durch jahrelanges Training zu einem der besten Spieler des Spiels gehört. Als Nissan und Sony ihm die Chance geben, zu den Profirennfahrern zu gehören, kann er sein Glück kaum fassen und freut sich auf die einmalige Gelegenheit. Doch es kommt schwerer als gedacht. Nicht nur seine Eltern Steve (Djimon Hounsou) und Lesley (Geri Halliwell) sind skeptisch, sondern auch der Coach Jack Salter (David Harbour), der die Idee, Gamer hinter ein Lenkrad zu setzen, für lächerlich hält. Allen Widrigkeiten zum Trotz, versucht Jann jedoch, das Unmögliche zu beweisen und sich, sowie Gamer in einer Welt zu etablieren, die sie nicht nur nicht mag, sondern verachtet.
Review
GRAN TURISMO ist der Versuch von Neill Blomkamp und Sony, in dem Markt der Videospielverfilmungen mitzumischen. Dabei setzt der durch CHAPPIE und DISTRICT 9 bekannte Regisseur auf eine Underdog-Story, echte Autos, satte Sounds und wie von ihm gewohnt ein großartiges CGI. Neill Blomkamp und dem Studio war es wichtig, das Szenario in der echten Welt spielen zu lassen, um den Film allen näher bringen zu können. Jedoch droht GRAN TURISMO durch mehrere Aspekte, wie ein Werbefilm für die Videospielreihe und Sonys Playstation zu wirken.
Sympathieträger Archie Madekwe
GRAN TURISMO versucht dem Publikum die Story des Underdogs so nahe wie möglich zu bringen. Das beginnt beim detailverliebten Setdesign, welches das Zimmer von Archie Madekwe in ein typisches Teenie-Zimmer verwandelt hat. Es hängen Poster vom großen Hobby an den Wänden, Modellautos schmücken die Regale und es herrscht ein leichtes, aber noch überschaubares Chaos. Und dann ist mit der Konsole und dem Lenkrad sein Heiligtum, welches gepflegt und sauber gehalten wird. Einzig die leeren Dosen von Energydrinks und ein Wäschehaufen fehlen, um das Bild des perfekten Teenie-Gamerzimmers abzurunden.
Gleichzeitig wächst Archie Madekwe den Zuschauenden ans Herz. Er strahlt echtes Charisma aus und ist ein echter Sympathieträger, dem der erhoffte Erfolg von den Rezipienten vom Herzen gegönnt wird. Zwar setzt diese Sympathie erst so richtig mit Beginn des zweiten Akts ein, aber sie ist echt und muss von GRAN TURISMO nicht künstlich erzwungen werden. Egal ob Archie Madekwe sich freut, trauert oder auch mal wütend ist. Das Publikum fühlt mit ihm und kann seine Emotionen jederzeit klar nachvollziehen.
Ein harmonisches Duo
Das liegt nicht zuletzt an der schauspielerischen Leistung von Archie Madekwe, die für eine Videospielverfilmung eines Racingsimulators mehr als nur solide ist. Seine Emotionen sind jederzeit zu erkennen, ohne dass es dabei zu Overacting seinerseits kommt. Es ermöglicht den Zuschauenden, ihn zu verstehen und das Gefühl zu geben, als ob da ein guter Freund sitzt. Archie Madekwe kommt natürlich nicht an die Leistung eines Christian Bale aus LE MANS 66 ran, aber weiß es, seine Rolle genauso zu spielen, dass wir mit ihm mitfiebern.
Hinzu kommt, dass Archie Madekwe und David Harbour perfekt miteinander harmonieren. Es entsteht zwar keine Buddykomödie aber ein Band einer wunderbaren freundschaftlichen Beziehung, die so glaubhaft gespielt wird, dass die Zusehenden das Gefühl bekommen, die Beiden sind in der echten Welt auch gute Freunde. Sie unterhalten nicht nur gut, sondern ergänzen sich auch. Sie treiben sich gegenseitig an und sorgen in Symbiose für eine gegenseitige Charakterentwicklung.
Wer sind die anderen?
Jedoch sind die anderen Charaktere von GRAN TURISMO viel zu sehr wie eine leere Hülle, die inhaltslos am Rande des Geschehens teilnehmen. Gerade Orlando Bloom geht in seiner Rolle als PR-Manager von Nissan unter. Er leitet den Film zwar ein, wird vom Publikum aber schon während des Geschehens vergessen. Der Charakter bietet keine Tiefe, hat keine Charakterentwicklung und abseits des PR-Events, in dem Gamer echter Rennfahrende werden sollen, keine Ziele, die verfolgt werden müssen. Orlando Blooms Charakter ist für das Publikum daher belanglos.
Ähnlich verhält es sich mit der Familie von Archie Madekwe. Während GRAN TURISMO im ersten Akt noch einen Vater-Sohn-Konflikt aufbaut, der vielversprechend wirkt, vergisst der Film diesen dann aber relativ schnell. Es wird damit nicht gearbeitet und immer wieder nur leicht am Rande thematisiert, wodurch es zu keinem nennenswerten Fortschritt kommt. Über den Bruder lässt sich noch weniger sagen. Auch hier wird im ersten Akt eine innige Freundschaft der Beiden signalisiert, aber Archie Madekwes Bruder kommt danach gar nicht mehr vor.
Am unglaubwürdigsten hierbei ist jedoch die Liebesgeschichte zwischen Archie Madekwe und Maeve Courtier-Lilley. Diese entsteht durch unglaubwürdige Dialoge, die so nie jemand aussprechen würde und gegenseitiges Liken von Instagram-Beiträgen. Es ist auch nicht erkennbar, wie und warum die Beiden sich lieben und woher das gegenseitige Interesse kommt. Letztlich lässt sich zu dieser Beziehung nur sagen, dass GRAN TURISMO keine Liebesgeschichte gebraucht hätte.
Sinfonie der Motoren
Die größte Stärke von GRAN TURISMO sind jedoch die Rennen, in denen Archie Madekwe gegen die Profirennfahrer antreten muss. Diese wurden mit echten Autos gedreht und dabei inszenatorisch mitfiebernd choreografiert. Interessanterweise war sogar, dass der echte Jann Mardenborough als Stuntfahrer für Archie Madekwe gefahren ist. Das ist eins der Dinge, die das Publikum durch die mitgelieferten Extras auf der DVD und Blu-Ray erfährt.
Die Rennen machen dem Publikum Spaß, was unter anderem an der kreativen Idee liegt, reale Rennen und Videospiel miteinander zu vermischen. So ist unter anderem eine Ideallinie oder Statistiken wie bei den Rennsimulatoren zu erblicken. Aber gerade der Sound der Motoren macht gerade in Verbindung mit einem Heimkinosystem besonders viel Spaß. Wenn der Motor des Nissan Nismo GT-R erdröhnt, sorgt es bei Fans von Motorsport für Gänsehaut.
Keine erkennbare Handschrift
Fans von Neill Blomkamp werden ein wenig enttäuscht sein, da seine Handschrift, die sich besonders durch seine Interpretation des Science-Fiction-Genres und die damit verbundenen sozialen sowie politischen Kritiken auszeichnet, fehlt. Ebenfalls kommt seine Kreativität in der Kameraarbeit nicht mehr ganz so zum Vorschein, wie bei DISTRICT 9 oder CHAPPIE. Während die Kamera bei den genannten Filmen fast schon wie bei einer Dokureportage wirkte, ist diese in GRAN TURISMO bis auf einzelne kreative Ausreißer statischer.
Neben dem nicht genutzten Talent handelt es sich bei GRAN TURISMO um einen – für Neill Blomkamp untypischen – Dreiakter, den man in Hollywood so oft wiederfindet. Im ersten Akt findet der Aufbau, das Vorstellen der Figuren und das Nennen des großen Traums statt. Der zweite Akt beginnt mit der Realisierung des Traums und endet mit einem niederschmetternden Ereignis, das im dritten Akt überwunden werden muss. Solch ein Dreiakter ist per se nichts Schlechtes, jedoch wird der Film für Filmkenner*innen dadurch vorhersehbar.
Ist es Film oder Werbung?
Abseits der bereits genannten Probleme hat GRAN TURISMO mit der Werbung noch einen faden Beigeschmack, der jederzeit hängen bleibt. Damit sind jetzt nicht mal die Werbeaufkleber auf den Rennwagen gemeint, diese sind auch in der realen Welt gegeben. Es ist die Story an sich, die abseits der netten Underdog-Geschichte von Jann Mardenborough wie eine Promotion für Playstation 5 sowie das neueste Gran Turismo Spiel wirkt. Der Film lässt keine Gelegenheit aus, auf Sonys Konsole und die Tatsache, dass das Event neben Nissan von Gran Turismo gesponsert wurde, zu verweisen. Es macht das Sehgefühl zwar nicht komplett kaputt, nagt aber etwas am Entertainmentfaktor.
Fazit
GRAN TURISMO lässt die Zusehenden im ersten Moment erst ratlos zurück. Neill Blomkamps Handschrift ist nicht zu erkennen und dann fühlt sich das alles auch noch wie Werbung an. Doch auf den zweiten Blick bietet der Film eine nette Underdog-Story sowie eine wunderschöne Chemie zwischen Archie Madekwe und David Harbour. Der Film kommt damit zwar nicht an bisherige Rennfilme wie LE MANS 66 heran, bietet aber auf seine Art Unterhaltung und funktioniert als Blockbuster noch gerade gut genug, um nicht komplett als 2 Stunden Werbung bezeichnet werden zu könnnen.
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Originaltitel | Gran Turismo |
Kinostart | 9.8.2023 |
Länge: | 135 minuten |
Produktionsland | United States of America |
Genre: | Abenteuer | Action | Drama |
Regie | Neill Blomkamp |
Executive Producer | Kazunori Yamauchi | Jason Hall | Hermen Hulst | Matthew Hirsch |
Producer | Asad Qizilbash | Carter Swan | Doug Belgrad | Dana Brunetti |
Kamera | Jacques Jouffret |
Visual Effects | Viktor Müller |
Musik | Andrew Kawczynski | Lorne Balfe |
Cast | Archie Madekwe, David Harbour, Orlando Bloom, Djimon Hounsou, Darren Barnet, Maeve Courtier-Lilley, Geri Horner, Daniel Puig, Josha Stradowski, Thomas Kretschmann, Emelia Hartford, Pepe Barroso, Sang Heon Lee, Maximilian Mundt, Mariano González, Lindsay Pattison, Théo Christine, Nikhil Parmar, Richard Cambridge, Takehiro Hira |
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