Originaltitel: Instinct
DVD/Blu-ray – Release: 27.05.2021
Länge: ca. 98 Minuten
Produktionsland: Niederlande
Regie: Halina Reijn
Schauspieler:innen: Carice van Houten | Marwan Kenzari | Marie-Mae van Zuilen
Genre: Drama | Thriller
Verleih: Koch Films
Trotz nur weniger Auftritte als Melisandre, war ihre Rolle in Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer mit abstand der bedeutsamste Punkt in ihrer Schauspielkarriere. Doch die holländische Darstellerin Carice van Houten kann auch andere namhafte Projekte vorweisen und begeisterte uns 2008 mit OPERATION WALKÜRE – DAS STAUFFENBERG ATTENTAT. Im 2006 erschienen Werk BLACK BOTTOM arbeitete sie mit Halina Reijn zusammen, die damals noch als Schauspielerin agierte und nun mit INSTINCT – GEFÄHRLICHE BEGIERDE ihren ersten Langfilm als Regisseurin realisierte. Auch Marwan Kenzari, der hier als Deuteragonist zu sehen ist, kann mit ALADDIN, THE OLD GUARD, BEN HUR und WHAT HAPPEND TO MONDAY auf reichlich Erfahrung zurückgreifen. Auch im demnächst erscheinenden DC-Giganten BLACK ADAM mit Dwayne Johnson in der Hauptrolle, wird Kenzari zu sehen sein. Doch neben unzähligen Blockbustern unterstützt er immer wieder auch gerne kleine lokale Produktionen mit seinem Können.
Darum geht es…
Als die perfekt ausgebildete Psychologin Nicoline sich neuen Herausforderungen stellt und einen neuen Job aufnimmt, in welchem sie künftig in einer Strafanstalt die Betreuung von Straftätern übernimmt, ist sie verblüfft mit welcher Leichtigkeit die vielen Mitarbeitenden ihren Job nehmen. Schnell erkennt sie, dass besonders im Fall von Idris offenbar seine Persönlichkeit verharmlost wurde und er den anderen Therapierenden etwas vorspielt, was er gar nicht ist. Während Nicoline versucht dies herauszustellen und ihre Theorie zu beweisen, stößt sie immer wieder auf herben Widerstand in der Belegschaft. Doch auch die Neugier macht sich in ihr breit und es fällt ihr schwer einer gewissen Anziehung zu ihm keine Beachtung zu schenken. Idris hingegen leidet unter der Einschätzung seiner Betreuerin, denn er selbst steht kurz vor der Möglichkeit wieder in Freiheit zu kommen und sieht dies nun in Gefahr, obwohl er sich redliche Mühe gibt, nicht mit Problemen in Verbindung gebracht zu werden.
Rezension
Eingereicht als bester niederländischer Film 2019 bei den Oscars 2020, wurde INSTINCT – GEFÄHRLICHE BEGIERDE jedoch weder in die Vorauswahl noch unter die Nominierten gewählt. Dabei ist es tatsächlich recht selten, dass es Produktionen gibt, die reinweg niederländischer Herkunft entstammen. Häufig werden hier Kooperationen mit den Nachbarländern eingegangen. Da sich Instinct jedoch auf ein recht kleines Budget beschränken kann und keine großen Setpieces notwendig waren, ist eine Eigenproduktion vollkommen naheliegend gewesen. Tatsächlich beschränkt sich die Handlung auf drei Spielorte: Die Haftanstalt, die Wohnung der Psychologin sowie einen Küstenabschnitt. Ebenso ist der Cast recht klein gehalten und konzentriert sich hauptsächlich nur auf die beiden Protagonisten.
Dabei bekommen wir ein typisch deutsches Bild zu sehen, welches nicht groß nachbearbeitet und ohne jegliche Filme auskommen muss und sich somit nicht um ästhetische Belange schert. Auch die Soundgestaltung wirkt bekannt, denn musikalische Einflüsse gibt es kaum welche, insbesondere keine die im Gedächtnis bleiben würden. Viel mehr arbeitet das Werk mit kalten dramenhaften Elementen, die immer einen recht trockenen Beigeschmack bieten, wodurch schon früh ein unsympathischer Eindruck entsteht. Dieser bestätigt sich zudem weitgehend, da wir lange Zeit ein träges und unspektakuläres Aufbaugeplänkel vorgespielt bekommen, bei welchem in den ersten 15 Minuten nicht einmal realisierbar ist, worum es nun eigentlich gehen wird.
Tiefsinnigkeit oder leere Worte?
Tatsächlich baut der Film gerade mal ein einzig wirklich starkes Element auf und lässt uns die Frage stellen: Bekommen wir hier ein inszeniertes Schauspiel gezeigt, durch welches die Protagonistin ihre Ziele erreichen möchte oder sollen die Geschehnisse tatsächlich einer wahren Basis entspringen? Auch im Nachhinein bleibt diese Frage ungeklärt und damit ein geschickter Schachzug der Regisseurin. Dadurch wird erreicht, dass die Sympathie immer wieder zwischen den Darstellenden hin und her rutscht und ein Verständnis für die jeweilige Situation erzeugt. Dieses Hin und Her baut zudem sehr gemächlich und in kleinen Schritten einen großen Höhe- und Wendepunkt auf, der zwar von Beginn an zu erwarten war, dennoch diskussionswürdig bleibt.
Auf diesen Klimax soll nun spoilerfrei kurz eingegangen werden, denn hier wird eine aktuelle gesellschaftliche Problematik eröffnet, die viele Schwierigkeiten mit sich bringt. Die Thematik besteht generell darin, dass oftmals persönliche Grenzen nicht ganz klar sind und daraufhin ein Gegenüber nicht endgültig abschätzen kann, wie weit er oder sie gehen kann und sollte. Viele Menschen arbeiten mit Signalen, um einer anderen Person verständlich zu machen, was der eigene, möglicherweise auch unterbewusste, Wille ist. Diese Signale können jedoch häufig missverstanden werden. INSTINCT – GEFÄHRLICHE BEGIERDE orientiert sich an dieser Problematik und macht deutlich, wie wichtig Kommunikation ist. Gleichzeitig ist es erstaunlich wie kaltblütig uns vor Augen geführt wird, dass gesetzliche Regeln des Zusammenlebens nur schwer auf Partnerschaften, Beziehungen und ähnliche Gemeinschaftskonstrukte anwendbar sind.
Wie hätte ich reagiert?
Halina Reijn schafft es tatsächlich das Publikum selbst in Unsicherheit zu wägen inwieweit die gezeigten Handlungen moralisch vertretbar sind. Da sich die Geschehnisse auf einem schmalen Grat zwischen Straftat und natürlicher Begierde ereignen, bietet sich der Film optimal an, um entsprechende Diskussionen zu eröffnen, weshalb sogar eine Besprechung im schulischen Rahmen grundsätzlich vorstellbar wäre. Dies wiederum führt jedoch zur Erkenntnis, dass der Film vor allem an Wertigkeit gewinnt durch eine gesellschaftliche Frage, die dieser aufwirft, nicht jedoch durch die sonstigen Geschehnisse oder besondere Filmkunst. Weiterführend wäre somit überlegenswert, ob ein Kurzfilm nicht einen ähnlichen Effekt hätte erzielen können und ob somit ein solcher Langfilm überhaupt sinnvoll war.
Fazit
Unterm Strich dient der INSTINCT – GEFÄHRLICHE BEGIERDE einzig und allein der Eröffnung eines Denkansatzes und kann nicht durch besondere Filmkunst überzeugen. Ein schier ewiger Handlungsaufbau sorgt dafür, dass Zuschauende schnell das Interesse verlieren und die kritische Frage, die elementar für diesen Film ist leicht ins Hintertreffen gerät. Dennoch steigert sich die Qualität gen Ende hin zunehmend, da in Verbindung mit dem erwartbaren Höhepunkt auch noch ein Twist ergänzt wird, welcher nicht unbedingt vorhersehbar ist. Leider jedoch fehlte wieder einmal der Mut sich nicht nur auf die Geschichte zu fokussieren, sondern auch eine ansprechende Bild- und Tongestaltung zu etablieren, um gerade auch junge Generationen für das Thema abzuholen. Das Potential ist da und als Regiedebüt ist es durchaus akzeptabel, doch die Hoffnung auf eine stimmigere Entwicklung bleibt für kommende Titel der Regisseurin.
Reichen scheinbar eindeutige Signale aus, um einen anderen Menschen Opfer der eigenen Begierde werden zu lassen? Wo sind hier die Grenzen gesetzt – gibt es sie überhaupt? Diese und weitere Fragen wirft der hiesige Film auf und führt uns vor Augen, wie schwer es ist hier den schmalen Grat zwischen krimineller Handlung und leidenschaftlicher Hingabe zu eruieren und dabei nicht zu überschreiten. Geschickt schafft es die Regisseurin Halina Reijn uns eine Handlung zu präsentieren, die die eigene Moral in Frage stellt und uns kritisch beäugen lässt, wo unsere eigenen Grenzen abgesteckt werden. Dies schafft sie ohne dabei eine der Figuren im gängigen Handlungsverlauf zu verteufeln sondern sorgt sie sogar dafür, dass Sympathien für beide Protagonist:innen aufgebaut werden. Leider jedoch geht dieses nennenswerte Drama wieder einmal in der trägen und trockenen Erzählweise unter, die nur noch getoppt wird von den unattraktiven Bildern und einschläfernder Tongestaltung. Es ist traurig anzusehen, dass solch wichtige Diskussionsthemen wieder einmal in rückständigen Darstellungen aufgegriffen werden und damit keine Attraktivität für jüngere Generationen entfaltet werden kann.
Schauspieler:in | Rolle |
Carice van Houten | Nicoline |
Marwan Kenzari | Idris |
Marie-Mae van Zuilen | Marieke |
Pieter Embrechts | Alex |
Ariane Schluter | Direktorin |
Betty Schuurman | Mutter Nicoline |
Abdelkarim El Baz | Tarik |
Tamar van den Dop | Milly |
Robert de Hoog | Jos |
Kuno Bakker | John |
Juda Goslinga | Kees |
Barry Emond | Kenny |
Akwasi Owusu-Ansah | Wilfred |
Maria Kraakman | Paula |
Matijs Jansen | Dave |
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