Rezension
Juliette, die als Illustratorin für Kinderbücher tätig ist, fährt für zwei Wochen in die Heimat zu ihren Verwandten. Dort dauert es nicht lang und sie wird vom turbulenten Familienleben eingeholt: Die Wohnung ihrer Großmutter muss ausgeräumt werden, ihre extrovertierte Mutter lädt zu einer ihrer Kunstausstellungen, ihre Schwester hütet ein folgenschweres Geheimnis und zwischendrin schlummert unausgesprochen ein tragischer Teil ihrer Vergangenheit. Unverhofft treffen einige der Geschehnisse nicht nur Juliette, sondern auch das Publikum, insofern es eine reine, temporeiche Komödie aus Frankreich erwartet hat. Die Graphic Novel-Adaption von Blandine Lenoir hat zwar durchaus ihre amüsanten Momente, nimmt sich jedoch ebenso Zeit bodenständige Themen und Figuren anzureißen.
Leichtfüßig baut der Film seinen zentralen Figuren-Stammbaum auf, in dem er die Perspektive und Probleme seiner weiblichen Akteurinnen zentriert, allen voran Juliettes Umgang mit ihrer depressiven Stimmungsform sowie die ungestillten Sehnsüchte (einschließlich Affäre) ihrer Schwester Marylou (Sophie Guillemin). Mit überzeichneten Charakterisierungen und klassischen Comedy-Elementen auf der einen und nachdenklichen Figurenmomenten auf der anderen Seite begibt sich JULIETTE IM FRÜHLING wiederholt auf tonalen Mittelweg zwischen absurd-komischen und tragisch-ernsten Facetten, ohne einer davon den Vorzug zu geben: Erstere werden glücklicherweise nie überreizt, während letztere selten in ihrer Komplexität ausgearbeitet werden.
Die fabelhafte Welt der Juliette
In farbenfrohen Bildern verlaufen sich erzählerische Höhepunkte der mit klassischen Konflikten angereicherten Geschichte, welche die Entwicklung ihrer Figuren bis zu genretypisch mitunter vereinfachten Lösungen vorantreibt. Seichtes Sinnieren über das Älterwerden, die Vergangenheit und bevorstehende Veränderungen führt die Charaktere nicht an jedem Klischee und jeder Überzeichnung vorbei, doch zu Dialogen, in denen die lebhaften Schauspieler*innen, in der Titelrolle die französische Sängerin und Schauspielerin Izïa Higelin, abseits komödiantischer Einzeiler agieren können. Emotional vertieft werden einzelne Gedanken indes von markanten Stilbrüchen: einem kurzen Animationsteil oder auch einer hingebungsvollen Gesangseinlage.
Erfrischend sind zudem all jene Entscheidungen, die mit stereotypischen Handlungsverläufen von Tragikomödien und Erwartungen des Publikums spielen. Das Versteckspiel mit der Affäre mündet in einer konsequenten Auseinandersetzung; der Nebenhandlungsstrang um Mieter Pollux (bedachtsam: Salif Cissé), zu dem Juliette eine unaufdringliche Freundschaft aufbaut, bewahrt sich vor einer notgedrungenen Liebesgeschichte, die vorgibt, die Konflikte der jungen Frau durch eine Romanze lösen zu können. Auch stilistisch weicht JULIETTE IM FRÜHLING von der Seite vieler prüder, rein auf Slapstick ausgelegter Genrevertreter: etwa mit der erfrischend natürlichen Inszenierung von Nacktheit und Körpern abseits verklärter Ideale. Mit wenigen Überraschungen in ihrer Erzählung, aber ebenso wenig Scheu hat sie vielen anderen Komödien schon damit etwas voraus.
Fazit
Blandine Lenoirs leichtfüßige Graphic-Novel-Adaption mischt eigenen Humor, ein wenig Tiefgang und einen charmant aufgelegten Cast zu einer seicht-chaotischen Tragikomödie mit konventionell-komödiantischen, aber auch natürlich-bodenständigen Facetten.
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Originaltitel | Juliette au Printemps |
Kinostart | 12.6.2024 |
Länge: | 95 minuten |
Produktionsland | France |
Genre: | Drama |
Regie | Blandine Lenoir |
Producer | Fabrice Goldstein | Antoine Rein |
Kamera | Brice Pancot |
Cast | Izïa Higelin, Jean-Pierre Darroussin, Sophie Guillemin, Salif Cissé, Noémie Lvovsky, Éric Caravaca, Liliane Rovère, Leny Morand, Thomas De Pourquery |
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