Originaltitel: Knives Out
Kinostart: 02.01.2020
DVD/Blu-ray – Release: 08.05.2020
Länge: ca. 131 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Rian Johnson
Schauspieler:innen: Daniel Craig | Chris Evans | Ana de Armas
Genre: Krimi | Drama | Komödie
Verleiher: Leonine
Schon ein Blick auf das Titelbild des von KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE verrät dem interessierten Zuschauer, dass sich hier eine spannende Geschichte anbahnt, denn versammelt um den großartigen Christopher Plummer (ALLES GELD DER WELT) übertrumpfen sich die Schauspielikonen der Gegenwart gegenseitig. Regisseur Rian Johnson, der zuvor STAR WARS: DIE LETZTEN JEDI schrieb und drehte, hat sich damit einen Kindheitstraum erfüllt, denn seit frühsten Tagen ist er großer Fan von Agatha Christie und so schafft er es in einem umfangreichen Ensemblefilm eine Vielzahl an Schauspielstars zu versammeln. Darunter finden sich Namen wie Daniel Craig (JAMES BOND), Ana de Armas (zuletzt in THE INFORMER), Chris Evans (AVENGERS: ENDGAME), Jamie Lee Curtis (HALLOWEEN), Toni Collette (HEREDITARY – DAS VERMÄCHTNIS) und Katherine Langford (LOVE, SIMON).
Dieses Herzensprojekt beschäftigte Johnson fast ein ganzes Jahrzehnt, bis er 2018 dann begann ein Drehbuch dafür anzufertigen. Sein Bestreben war es eine Geschichte zu schaffen, die der heutigen Moderne entspricht, aber gleichzeitig auch klassische visuelle Akzenten aufweist. Gleichzeitig wollte er einen Hitchcock-Thriller inszenieren, der sich in eine klassische Mörder-Krimi-Story einfügt. An den Kinokassen bewies sich dann, dass er beim Publikum damit offenbar auf den richtigen Nerv getroffen hat, denn nicht nur dass KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE mit vielen Nominierungen und Preisen versehen wurde, auch die Einspielergebnisse übertrafen die Erwartungen deutlich. So hat das Werk mit rund 300 Millionen US-Dollar mehr als das siebenfache des eigentlichen Budgets eingespielt. Dieser Erfolg sorgte zudem dafür, dass die Stimmen nach einem zweiten Teil groß wurden und so wurde Anfang 2020 bekannt gegeben, dass Johnson bereits an einer Fortsetzung arbeitet und Daniel Craig erneut in der Hauptrolle zu sehen sein wird.
Darum geht es…
Anlässlich seines 85. Geburtstags feiert Harlan Thrombey eine pompöse Familienfeier in seinem ansehnlichen Zuhause. Doch wird er diesen Abend leider nicht überleben. Aufgefunden von seiner Haushälterin ist die Polizei schnell der Ansicht, dass der alte Mann Selbstmord begangen hat und ist schon dabei die Ermittlungen einzustellen, als der hochkarätige Privatdetektiv Benoit Blanc sein Veto einlegt. Etwas an der gesamten Geschichte stört ihn massiv, auch wenn noch nicht klar ist, was genau.
Im Verlauf der folgenden Befragungen, die eigentlich den Fall abschließen sollten, bilden sich immer mehr rätselhafte Ungereimtheiten, denn schnell erkennt Blanc, dass die Familienmitglieder nicht ganz ehrlich zu ihm sind. Wie gut, dass es noch die Pflegerin Marta Cabrera gibt, die still und heimlich immer wieder Geschehnisse im Hause beobachtet hat. Zu Gute kommt dem Ermittler, das Cabrera sich übergeben muss sobald sie lügt, weshalb sich ihm schnell ein klareres Bild bietet. Was ist also wirklich in dem Haus vorgefallen und handelt es sich tatsächlich um einen Selbstmord?
Rezension
Da KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE, wie schon zuvor einmal erwähnt, ein Ensemblefilm ist, ist es wohl auch sinnvoll diesmal nicht mit der Geschichte selbst anzufangen, sondern mit den einzelnen Darstellern. Alle Darsteller profitieren deutlich davon, dass sie ungefähr die gleiche Anzahl an Auftritten und eine annährend ähnliche Wichtigkeit verkörpern, denn dadurch war es möglich einzelne Momentaufnahmen eines Schauspielers so heroisch einzufangen, dass die liebevoll gestalteten Intrigen bravourös zum Tragen kommen konnten. Jede Figur entwickelt durch geschickte Inszenierung eigene Sympathien und Antipathien beim Konsumenten, die gleichzeitig jedoch immer wieder auch in Frage gestellt werden. Charakterentwicklungen sind durch die Fülle des Ensembles sehr einfach möglich, da sich einzelne Personen in der Kürze ihres Auftritts stets neu erfinden können ohne Zweifel beim Rezipienten zu erzeugen, da letztlich eben tiefergehende Eigenschaftsanalysen erst sehr spät im Film möglich gemacht werden.
Das ist Seniorenmissbrauch. Das melde ich gleich der Krankenkasse!
Allen voran begeistert jedoch gerade die kleinste Rolle mit Brillanz und Genialität. Christopher Plummer taucht nur äußerst selten im ganzen Werk auf, was fast schon schade ist, denn niemandem schaut man mit mehr Begierde zu als diesem Altmeister der darstellenden Kunst. Mit gekonnter Gelassenheit und kaltschnäuziger Präzision schafft er es seine Figur liebevoll in Szene zu setzen. Das völlige Gegenteil ist zu sehen bei Toni Collette, die teilweise doch etwas über das Ziel hinausschießt und sich zu sehr in ihre Rolle hineinwirft. Zwar zeigt auch sie grundlegend eine sehr solide und ansehnliche Leistung, doch ist es sehr schwer der Figur die gezeigten Gefühle und Denkweisen abzukaufen. Ein wenig mehr Bodenständigkeit wäre hier durchaus ratsam gewesen.
Agatha Christie lässt grüßen
Betrachten wir nun die Story selbst, so ist schnell festzustellen, dass uns nicht wirklich viel Sonderbares erwartet. Es handelt sich bei KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE um eine klassische Detektivgeschichte, bei der man sich ganz im Stile Agatha Christies darauf fokussiert dramaturgisch einen Mord zu verschleiern und als Zuschauer dem Detektiv auf der Wahrheitsfindung zu folgen. Stück für Stück werden dabei Informationshäppchen verteilt, die das große Puzzle immer weiter vervollständigen sollen und dem Rezipienten die Möglichkeit bieten selbst mit zu raten. Tatsächlich erinnert dabei das Werk doch sehr stark an das 2017 veröffentlichte Werk DAS KRUMME HAUS von Gilles Paquet-Brenner, in welchem ein ähnliches Familiendrama abgehandelt wurde.
In verschiedenen überlappenden Interviewverfahren werden Motive und Alibis der einzelnen Beteiligten ermittelt und aus der Gesamtheit dieser Informationen bilden sich grobe Umrisse eines Bildes sowie neue fragliche Inhalte. Ganz in diesem Stile entwickelt sich das Werk vorwärts und spielt dabei ausschließlich in dem Anwesen des verstorbenen Hausherren. Ausflüchte auf andere Lokalitäten werden erst gen Ende getätigt. Sobald eine gewisse Eintönigkeit durch die vielen Dialoge eintritt, schafft es Regisseur Rian Johnson immer wieder gekonnt eine neue brisante Information einzustreuen, welche sofort die Aufmerksamkeit des Zuschauers wieder für sich vereinnahmt, so dass stets das Interesse hoch bleibt. Abgesehen davon jedoch bietet der Film nur bedingt großes Überraschungspotential, denn wie so häufig ist es nicht all zu schwer den tatsächlichen Mord zu ergründen, auch wenn trotzdem ein netter Twist gen Ende hin zu erwarten ist.
Eine schwierige Familie mit Sprachproblem
Hier jedoch entsteht wohl auch das größte Problem von KNIVES OUT – MORD IST FAMILIENSACHE, denn Menschen, die diesen Film in deutscher Sprache schauen, werden herbe Probleme mit der Auflösung bekommen, die unter anderem auf einer sprachlichen Ungenauigkeit beruht. Diese funktioniert im Englischen tadellos und wirkt tatsächlich sogar recht charmant, verpufft aber in der synchronisierten Fassung gänzlich in Unverständnis. Gleichzeitig wirkt es doch etwas sehr weit hergeholt, wie extrem eng doch die Problemdichte der gesamten gezeigten Familie beieinanderliegt. Gefühlt jede Figur hätte durch Zwist und Uneinigkeiten ein Motiv für einen Mord gehabt und all diese Probleme sind merkwürdiger Weise erst binnen kürzester Zeit vor der Tat aufgetaucht. Hier wäre es doch deutlich schöner gewesen die verzwickten Hintergründe etwas weiter zu fassen und daher eine Prise mehr Realismus einzustreuen.
Man könnte es als Gameshow betrachten, aber es ist eher wie eine Leihendarstellung einer Steuererstattung.
Dennoch schafft es der Film absolut zu unterhalten, insbesondere auch weil immer wieder kleine und leichte Schmunzelmomente eingeflochten wurden, die das Publikum stets bei Laune halten. Sehr schön war es zum Beispiel Daniel Craig zuzuschauen, wie er wartend vor sich her trällert. Allgemein boten die vielen unterschiedlichen Charaktere immer wieder Anlass für nette kleine Seitenhiebe, die die generelle Stimmung positiv beeinflussten und damit der Geschichte deutlich mehr Leben einhauchten.
Agatha Christie lässt grüßen. Ganz im Stil der Großmeisterin der Detektiv- und Kriminalgeschichten, die der Suche nach der Lösung eines Verbrechens gewidmet sind, hat sich Regisseur Rian Johnson diesen Erzählstil angeeignet und für sein neuestes Werk verarbeitet. Schon früh ist erkennbar, dass sich hier ein sehr enges Pendant zu DAS KRUMME HAUS aufbaut, doch diesmal ist die Geschichte gespickt mit einem unfassbar großartigen Cast, in dem ein namhafter Schauspieler den anderen übertrumpft. Doch wirken sich diese nicht nur auf das Gesamtimage des Films aus sondern präsentieren auch all ihre Künste. Allen voran begeistert wieder einmal Christopher Plummer, der zwar deutlich weniger Screentime erhielt als seine ganzen Kollegen, doch in dieser kurzen Zeit weitaus mehr Genialität einfließen ließ, als es den Anderen je möglich gewesen wäre. Leider jedoch wird uns wieder nur eine klassische Krimi-Geschichte geliefert, die nicht all zu viele Überraschungen parat hält und daher wenig durch Innovation bestechen kann. Dies wird vor allem bei der Auflösung der Geschichte deutlich, die letztlich in der Synchronfassung fast völlig auf der Strecke bleibt, während sie im Originalton doch geschickt verwoben wurde.