Originaltitel: Heaven Knows What
DVD/Blu-ray – Release: 27.05.2021
Länge: ca. 97 Minuten
Produktionsland: USA | Frankreich
Regie: Benny Safdie | Josh Safdie
Schauspieler:innen: Arielle Holmes | Caleb Landry Jones | Buddy Duress
Genre: Krimi | Drama
Verleih: Koch Films
Die Safdie Brüder John und Benny stehen nach ihren letzten Arbeiten gerade hoch im Kurs. Mit GOOD TIME und DER SCHWARZE DIAMANT sind sie derzeitig auf den beiden größten Streaming-Plattformen prominent vertreten. Aber nicht nur als Regisseure starten die beiden gerade voll durch. Benny Safdie, der Jüngere der beiden Brüder, ist auch in unzähligen Filmen zu sehen. Viele davon sind zwar nur Kurzfilme, doch auch im jüngst erschienenen PIECES OF A WOMAN, welcher auch Oscarnominiert war, tritt er in Erscheinung. Mit dieser Ausbeute gehört das Regisseurenduo fast schon zu den erfahrensten am Set, denn besonders von Hauptdarstellerin Arielle Holmes handelt es sich beim hiesigen Werk gerade einmal um ihren dritten Film, genauer sogar ihr Schauspieldebüt, denn HUMANOID – DER LETZTE KAMPF DER MENSCHHEIT und AMERICAN HONEY wurden erst zwei Jahre später aufgenommen.
Mit NO COUNTRY FOR OLD MAN, THE SOCIAL NETWORK und einigen wenigen Auftritten in der Serie Breaking Bad blicken wir auf nur einige der vielen großartigen Produktionen zurück, in denen Caleb Landry Jones seine Karriere begann. Mittlerweile jagt ein Engagement das nächste und der 32jährige wird immer gefragter. Mit THE FORGIVEN, NITRAM und FINCH befinden sich aktuell drei Filme in der Post-Produktion, nachdem er in den jüngsten Jahren bereits mit THE OUTPOST – ÜBERLEBEN IST ALLES, THE DEAD DON’T DIE und THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI begeistern konnte.
Darum geht es…
Harley ist ein junges Mädchen Anfang 20, deren Zukunftsaussichten schon jetzt auf ein Leben in der Gosse hindeuten. Nicht nur ihre Drogensucht macht ihr zu schaffen, sondern auch ihre große Liebe, von der sie partout nicht ablassen kann und wegen welcher sie immer neue und absurdere Taten folgen lässt, um schließlich irgendwie die Aufmerksamkeit von dem ebenfalls heruntergekommenen Ilya zu ergattern. Letztlich versucht sie sogar ihn vor ein Ultimatum zu stellen, nach welchem sie sich umbringen will, wenn Ilya nicht mit ihr redet. Gesagt – getan. Tatsächlich schlitzt sie sich kurz darauf die Pulsadern auf. Doch sie überlebt diesen Suizid. Sie gerät immer tiefer in einen bodenlosen Strudel, aus dem sie sich nicht mehr selbst retten kann. Doch auch ein Schutz von außen scheint aussichtslos. Wird Harley es je schaffen wieder ein normales Leben führen zu können?
Rezension
MAD LOVE IN NEW YORK ist einer dieser schwer greifbaren Filme, die zwar inhaltlich eine klare Linie zeigen und meist ein recht schwieriges Thema ansprechen, zeitgleich aber auch nur wenig Ermutigungsansätze finden, um eine zweite Sichtung zu rechtfertigen. Wenn die Handlung nicht so bitterernst und real wäre, könnte man das Werk fast schon als Dystopie einer Gesellschaft bezeichnen, die die schwächsten Mitglieder einfach vergisst und sich selbst überlässt. Ähnlich wie die Hauptfiguren charakterisiert sind, ist der Handlungsverlauf etwas wirr und sprunghaft und es dauert stets eine gewisse Zeit, bis klar wird, wo die Handlung überhaupt drauf hinauslaufen soll. Dies liegt vor allem daran, dass ein großer Höhepunkt bereits nach wenigen Minuten platziert wurde und erst auf Basis dieses Ereignisses die Figurenzeichnung beginnt.
Laut und schrill treffen hier wohl den Nagel auf den Kopf, denn besonders ältere Generationen werden Schwierigkeiten haben sich mit dem Film zu identifizieren. Das liegt vor allem daran, dass ein Blick in eine Jugendszene geworfen wird, die für viel Unverständnis sorgen dürfte. Zudem ist die Handlung häufiger mal mit Musik hinterlegt, welche nicht dem 0815-Soundtrack eines jeden Dramas entspricht, sondern vor allem durch Dubstep ähnliche Sounds besticht. Ohne Frage wäre hier eine Kinosichtung ein besonderes Erlebnis gewesen, auch wenn zu befürchten wäre, dass Taubheitserscheinungen als Folge auftreten könnten.
Am Ende der Tod?
Erschreckend präsentiert uns MAD LOVE IN NEW YORK wie dramatisch eine Abwärtsspirale sich auswirkt und vor allem wie schwer es ist, aus dieser zu entkommen. Insbesondere der Angriff auf die Psyche wird hier wesentliche thematisiert und bietet erschreckende Ausblicke einer Parallelgesellschaft, die im Alltag kaum noch wahrgenommen wird und dennoch allgegenwärtig scheint. Die Safdie-Brüder schaffen es dabei den Zuschauenden in eben jene Perspektive hineinzuversetzen und einerseits Sympathie und Verständnis zu wecken, andererseits Abscheu und Ekel gegenüber der völligen Aufgabe einer eigenen Persönlichkeit. Regeln und Normen werden plötzlich nebensächlich und es zählt nur noch das eigene Überleben. Wobei selbst dies in den Hintergrund rückt für die große Liebe und den nächsten Schuss.
Während unsere Protagonisten von einer Katastrophe in die andere fallen und dabei immer einer gewissen Hassliebe folgen, welche nur schwer definierbar ist, wird das Publikum auf einen psychedelischen Trip nach dem anderen geschickt. Besonders bemerkenswert sind dabei vor allem das milchige Bild und die teilweise sehr ruckartige, aber vor allem auch unruhige Kamerabewegung. Beides zusammen führt dazu, dass Szenarien teilweise nur schwer erkennbar sind und wir somit in eine Art ähnlichen Geisteszustand verfallen, wie ihn die Figuren scheinbar rund um die Uhr durchmachen müssen. Diese Diskrepanz zwischen Verständnis und Anwiederung ist die Essenz des gesamten Films. Teilweise kommen dabei Erinnerungen hoch an DIE KINDER VOM BAHNHOF ZOO, auch wenn für Laien, die eine solche Zeit niemals durchgemacht haben, nur schwer abschätzbar ist, welches der Werke einem realeren Bild entspricht.
Fazit
Während Hauptdarstellerin Arielle Holmes, die ebenfalls am Drehbuch mitgearbeitet hat, mit einer mitreißenden Performance aufwartet, ist ihr Schauspielkollege Caleb Landry Jones kaum wiederzuerkennen und präsentiert uns eine verblüffende Darbietung eines abgewrackten und unsympathischen Obdachlosen. So krude all dies wirkt, so mitreißend und spannend inszeniert ist MAD LOVE IN NEW YORK. In jedem Fall bekommen wir einige heftige Bilder zu sehen, die nicht leicht zu ertragen sind. Zeitgleich ist die aufdringliche Bild- und Soundgestaltung so einprägend und hämmernd, dass es kaum möglich ist bei diesem Film etwas zu verpassen oder gar einzuschlafen. Eine Empfehlung ist dennoch nur schwer auszusprechen, da es sehr viele geben wird, die mit dem Werk nichts anfangen können – und es ist ihnen nicht unbedingt zu verdenken.
Ihr wolltet schon immer einmal Drogen nehmen und frei von allen Regeln leben? Wie wäre es dann mit diesem Film, anstatt euch gleich euer Leben zu versauen? In MAD LOVE IN NEW YORK bekommen wir nicht nur ein abgewracktes Figuren-Ensemble präsentiert, welches kaum noch einen Funken geistiger Klarheit besitzt und nur noch im gegenwärtigen Moment lebt, sondern darüber hinaus auch einen psychedelischen Tripp mit teilweise verstörenden Elementen. Geprägt ist das Ganze von derber Dubstepmusik, während das Bild stets etwas schwummrig, milchig wirkt und somit das Publikum auf der wahnwitzigen Achterbahnfahrt einer Hassliebe voll integriert wird. Dennoch handelt es sich bei dem Werk um ein schwer greifbaren Streifen, welcher zwar einige Liebhaber finden wird, aber bei vielen Generationen womöglich nur schwer Anklang findet.
Schauspieler:in | Rolle |
Arielle Holmes | Harley |
Caleb Landry Jones | Ilya |
Buddy Duress | Mike |
Necro | Skully |
Isaac Adams | Isaac |
Diana Singh | Diana |
Benjamin Hampton | Antoine |
Manny Aguila | Evan |
Eleonore Hendricks | Erica |
Yuri Pleskun | Tommy – Drogendealer |
Maynard Nicholl | Maynard |
Brian Hodges | Brian |
Misty Mccall | Misty |
Mike Patellis | Marcus |
Aaron Keller | Chassidischer Mann |
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