Originaltitel: Poly
Kino – Release: 17.06.2021
Länge: ca. 102 Minuten
Produktionsland: Frankreich
Regie: Nicolas Vanier
Schauspieler:innen: Elisa de Lambert | François Cluzet | Julie Gayet
Genre: Familie | Abenteuer
Verleih: capelight pictures
Nach Filmen wie BELLE UND SEBASTIAN (2013) und DER JUNGE UND DIE WILDGÄNSE kehrt der französische Filmemacher Nicolas Vanier mit einem neuen Kinder- und Familienfilm auf die Leinwand zurück. Wie in einigen seiner Filme zuvor, in BELLE UND SEBASTIAN die Hündin Belle und in seinem 2019 erschienenen Spielfilm die titelgebenden Wildgänse, steht auch in seinem neusten Film ein Tier im Mittelpunkt. Basierend auf der Buchvorlage „Wer rettet Silberschweif?“ von Cecile Aubry übernimmt ein Shetlandpony eine der Hauptrollen. Ihm zur Seite steht eine große Gruppe an Jungdarsteller*innen, sowie das ein oder andere bekannte französische Schauspielgesicht, wie François Cluzet (ZIEMLICH BESTE FREUNDE) und Julie Gayet (HUNDERT UND EINE NACHT).
DARUM GEHT ES…
Als die junge Cécile (Elisa de Lambert) mit ihrer Mutter in ein südfranzösisches Dörfchen zieht, ist sie zunächst die Außenseiterin, die von den anderen Kindern des Dorfes misstrauisch empfangen wird. Beim Erkunden des Dorfes stößt Cécile auf einen Zirkus, der für einige Zeit auf einer nahen Wiese seine Zelte aufschlägt. Ihre helle Begeisterung von der Show schlägt schnell um, als sie hinter den Kulissen mitbekommt, wie die Hauptattraktion, ein Shetlandpony namens Poly, vom Zirkusdirektor gequält wird. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion befreit sie das Pferd auf eigene Faust und bringt es in Sicherheit. Hilfe bekommt sie dabei von einem Zirkusjungen und nach und nach auch von den anderen Kindern des Dorfes. Doch der Zirkusdirektor Brancalou (Patrick Timsit) kommt ihr schon bald auf die Spur und so bleibt Cécile und ihrem neugewonnenen Freund Poly nur noch die Flucht nach Italien, wo Céciles Vater lebt …
ALTE KAMELLEN VS MODERNITÄTEN
Nicolas Vaniers neuer Film MEIN FREUND POLY bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen der herausfordernden Verfilmung eines aus den 1960er Jahren stammenden Kinderbuches und der Einbindung moderner Themen und Herausforderungen. In erster Linie entsteht dabei eine sommerliche Familienunterhaltung mit einer grundsoliden Geschichte und wenig Überraschungen für ein erwachsenes Publikum. Die Handlung und die Charaktere sind klassisch und nicht frei von Klischees, wie etwa der böse Zirkusdirektor oder die inkompetenten Polizisten als Comic-Relief, aber für das Zielpublikum annehmbar. Die Einbindung von aktuellen Themen, wenn etwa neben Emanzipationsdefiziten der 1960er plötzlich auch Vegetarismus behandelt wird, wirkt etwas holprig, füllt den Film jedoch auch mit vielerlei verschiedener Botschaften. MEIN FREUND POLY behandelt demnach nicht nur offensichtliche Botschaften wie Freundschaft und Zusammenhalt, sondern liefert auch Gedanken zur Tierhaltung im Zirkus, zur Ernährung, zum Zusammenleben und Aufeinandertreffen verschiedener Lebensweisen und zu Vorurteilen und Gerüchten gegenüber Anderen. Dass nicht alle dieser Botschaften gleichsam organisch in die Handlung eingebunden werden können, ist dabei nicht verwunderlich, aber zumindest erweckt es nur selten den Eindruck eines belehrenden Zeigefingers.
Der Rest der Handlung ist eine klassische Tier-Rettungsgeschichte, mit kleinem Roadtrip über Wiesen, Felder und einem Fluss und natürlich dem obligatorischen Wasserfall bei der Floßfahrt. Die Charaktere laufen diesem Abenteuer zwar hinterher, sind aber alle recht blass und austauschbar. Die Verbindung zwischen Cécile und dem Pferd erwächst sehr schnell und einige Nebenhandlungsstränge wirken eher wie ein aufgezwungenes Relikt, als eine brauchbare Erzählung. Als Star des Films etabliert sich dann sowieso das im Mittelpunkt stehende Pony Poly, welches für Pferdefans die ein oder andere zuckersüße Zeitlupe parat hält, weniger affine Zuschauer aber auch mit gewisser Eintönigkeit auf die Probe stellen könnte.
NATURVERBUNDENHEIT
Mit einigen Vorgängerfilmen Vaniers hat dieser Film aber nicht nur den tierischen Hauptdarsteller gemeinsam, sondern auch große und farbenfrohe Landschaftsaufnahmen. In BELLE UND SEBASTIAN waren es die französischen Alpen und in der JUNGE UND DIE WILDGÄNSE ging es ab in die Lüfte. In MEIN FREUND POLY bleibt er bodenständig, präsentiert aber ebenso sehenswerte Bilder von Landschaften, Naturaufnahmen, dem Innenleben des Zirkus und dem französischen Dörfchen, die eine gewisse Nostalgie und Geborgenheit ausstrahlen. Das Ganze ist zwar übertrieben sommerlich, farbenfroh und wirkt ordentlich geschönt, ist aber auf der Kinoleinwand sicherlich hübsch anzusehen.
Düster und dramatisch wird es im Film nur an ganz wenigen Stellen, etwa wenn der Zirkusdirektor qualvoll mit seinem Pferd umgeht oder es gegen Ende zum finalen Showdown kommt. Darüber hinaus wird MEIN FREUND POLY auch immer wieder mit Humor aufgelockert, bei dem Erwachsene zwar nicht lauthals zu lachen beginnen, der aber trotzdem zur heiteren Grundstimmung passt.
Positiv anzumerken ist noch die Produktion dieser Buchverfilmung, die unter dem Gesichtspunkt des „grünen Drehens“ ablief, auf Abfallreduzierung und Wassereinsparungen setzte und Solarenergie nutzte. Als engagiertes und vorbildliches Projekt trägt dieser Film also auch dazu bei, verantwortungsbewusstes und ökologischen Drehen in der Filmbranche voranzutreiben und Reflexionsgrundlage für andere Filme zu liefern.
FAZIT
MEIN FREUND POLY ist ein sommerlicher Familienfilm mit solider Geschichte und ohne große Überraschungen. Schöne Naturaufnahmen und eine bonbonfarbene Ausstattung lassen meistens über die farblosen Charaktere und allerhand Klischees hinwegsehen. Ob die Mischung von der Verfilmung eines alten Klassikers und modernen aktuellen Themen funktioniert, müssen Buchkenner und jeder andere Zuschauer für sich selbst entscheiden. Für Pferdenärrinnen und -narren ist der Film sicherlich einen Kinonachmittag wert.
Schauspieler:in | Rolle |
François Cluzet | Victor |
Julie Gayet | Louise |
Patrick Timsit | Brancalou |
Elisa de Lambert | Cécile |
Orian Castano | Pablo |
Yohann Drouin | Bruno |
Clément Huot | Vincent |
Calli Peysson | Nicole |
Jade Colombet | La petite |
Gabin Didier | Le petit |
Matthieu Pillard | Ficelle |
Patrick de Valette | Riton |
Anne-Marie Pisani | Frau Gina |
Gérard Dubouche | Bürgermeister |
Mathilde Dromard | Colette |
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