Review
aus dem Programm der 75. Internationalen Filmfestspiele von Berlin
Sechzehn Tode ist Mickey Barnes als sogenannter „Expendable“ bereits gestorben, als das Publikum ihn zum ersten Mal in einer vereisten Felsspalte eines fremden Planeten antrifft. Dort wartet das von Robert Pattinson gespielte Mitglied einer Raumschiff-Crew, das nach jedem tödlichen Einsatz oder fehlgeschlagenem Experiment im Körper eines Klons wieder zum Leben erweckt wird, auf seinen siebzehnten Abgang. Als dieser unverhofft auf sich warten lässt und bereits ein neuer Klon für den Totgeglaubten geschaffen ist, stehen sich zwei Versionen Mickeys gegenüber und bringen die Handlung Bong Joon-Hos langersehnter Romanverfilmung endgültig ins Rollen.
Mickeys problemlose Replikation ist nicht das einzige woraus der südkoreanische Regisseur die spaßig-morbide Grundstimmung seiner neusten Science-Fiction-Satire schöpft, das gesamte World-Building rundum die Raumschiff-Besatzung, die kurz davor steht, einen fremden Planeten zu kolonialisieren, trägt ihren Teil dazu bei. Entstanden ist temporeiches, auch mal plumpes Unterhaltungskino, das aus seinen antiautoritären und antifaschistischen Botschaften zu keinem Zeitpunkt ein Geheimnis macht.
Ensemble zwischen Trump und Tier
Noch markantere Präsenz als Pattinson, der seine Doppel-, nein sogar Mehrfach-Rollen mit eifrigem Einsatz variiert, dessen Rolle jedoch wiederholt an überflüssigen Voice-Overn hängt, zeigt eigentlich nur Mark Ruffalo, der als abgehobener Marshall mit jeder Mimik und Betonung seinem geistigen Vorbild Trump ein Stückchen näher rückt. Gemeinsam mit seiner First Lady (ebenfalls herrlich boshaft: Toni Colette) propagiert er Sexförderungskampagnen, schwimmt in leckerer Soße, träumt von Verdrängung und einem weißen Planeten. Ruffallo hat einen Heidenspaß; bei dessen absehbaren Niedergang auch das Publikum.
Blasser wirken hingegen Figuren wie die von Naomi Ackie gespielte Nasha, die im Laufe des Films zwar eine zunehmend wichtigere Rolle einnimmt, längere Zeit aber in einer aufgesetzten Liebesgeschichte festsitzt, oder auch Steven Yeuns Berto, dessen Charakter und Verhältnis zu Mickey sich kaum entfalten kann. Mit weniger Dialogzeilen deutlich einprägsamer sind da die tierischen Bewohner des Planeten, – auch weil der Film zusehends seinen Fokus verschiebt.

Mickey 17 © 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved
Von den Gedanken über die Folgen der dystopischen Technologie weitet der Filme seine Fragen nach der Einzigartigkeit des Individuums und moralische Dilemmata auf die Eroberungspläne des Marshalls und der damit einhergehenden Vertreibung und Auslöschung des ansässigen Lebens aus. Die Handlung rundum das Klonen und Mickeys intime Identitätskrise weicht zur Seite, obwohl die Prämisse selbst längst nicht auserzählt ist. Doch Bong Joon-hos aktuellster Filmkosmos soll Raum für noch mehr Themen bieten, wie jenes, das er schon in seiner US-amerikanischen Koproduktion OKJA verarbeitete: der Respekt vor jeglicher Art des Lebens.
17 ways to die in space
All seine Handlungsbausteine, von denen es innerhalb der fast zweieinhalb Stunden sehr viele, ein paar zu viel gibt, vereint der Südkoreaner mit gewohnt routinierter inszenatorischer Fertig- und Leichtigkeit. Dem temporeichen Genremix scheint jedenfalls keines seiner Themen so schwer, als würde er darunter zusammenbrechen. Viel mehr jongliert der Film die heruntergebrochenen Themenkomplexe so frei wie seine dynamischen Figuren und Witz, ganz gleich ob sie in den effektreichen Bildern an Tiefe verlieren oder den richtigen Zeitpunkt für das Ende verpassen.
Hochwertige Aufnahmen bieten die wohl bisher aufwendigsten, bei weitem aber nicht prägnantesten Bilder aus Bong Joon-hos Filmografie, ohne jemals in einer Effektschlacht zu münden. Trotz deutlicher Zugeständnisse an das Blockbusterkino ist MICKEY 17 keine Kapitulation vor eben diesem: große Bilder und große Töne können eben auch gehaltvoll sein.

Mickey 17 © 2025 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved
Fazit
Bong Joon-Hos spinnt seine bisherigen Ausflüge in Science-Fiction-Gefilde konsequent weiter und zeigt seinen bisher Blockbuster-artigsten Kinofilm. Einen, der zum Glück nie einem exzessiven Effektrausch verfällt, stattdessen mit spaßig-morbider Art und Weise und einem vergnügten Ensemble seine unversteckte Gesellschaftskritik und aufrichtige Grundhaltung plump, aber unterhaltsam transportiert.
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Originaltitel | Mickey 17 |
Kinostart | 28.2.2025 |
Länge: | 138 minuten |
Produktionsland | United States of America |
Genre: | Science Fiction | Komödie | Abenteuer |
Regie | Bong Joon-ho |
Executive Producer | Marianne Jenkins | Peter Dodd | Brad Pitt | Pete Chiappetta | Andrew Lary | Anthony Tittanegro | Jesse Ehrman |
Producer | Dooho Choi | Bong Joon-ho | Jeremy Kleiner | Dede Gardner |
Kamera | Darius Khondji |
Visual Effects | Dan Glass | Chris McLaughlin | Stuart Penn | Guido Wolter | Ryan Urban |
Musik | 정재일 |
Cast | Robert Pattinson, Naomi Ackie, Steven Yeun, Mark Ruffalo, Toni Collette, Anamaria Vartolomei, Daniel Henshall, Patsy Ferran, Steve Park, Tim Key, Holliday Grainger, Michael Monroe, Cameron Britton, Edward Davis, Ian Hanmore, Lloyd Hutchinson, Christian Patterson, Samuel Blenkin, Sabet Choudhury, Rose Shalloo |
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