Rezension
Wenn Christian Ditters effekttechnisch aufpoliere Adaption über 50 Jahre nach Erscheinen Michael Endes gleichnamigen Kinderbuch-Klassikers MOMO und fast vierzig Jahre nach dessen wohl bekanntester Verfilmung durch Johannes Schaaf eine Erkenntnis über Zeit birgt, dann wie weit diese Geschichte hinter der heutigen zurück ist. Tatsächlich sind Märchen über glückliche Armut, unbeschwert lebende obdachlose Waisenkinder und der vermeintlichen Unsinnigkeit, sich seine Zeit sorgsam einzuteilen, nie wirklich zeitgemäß. Gleiches gilt für das in der Neuverfilmung der Fantasy-Fabel prominent platzierte Botschaft eines „Carpe Diem“, die vorgibt, alle könnten sich die Zeit einfach nehmen. So naiv sieht es die sentimentale Story um die kindliche Titelheldin (Alexa Goodall).
Momo lebt immer noch im Amphitheater einer namenlosen europäischen Stadt, wo sie Herz einer unbeschwerten Gemeinde und beste Freundin des Straßenkehrers Beppo (Kim Bodnia) und ehrgeizigen Pizza-Boten Gino (Araloyin Oshunremi) ist. Die nostalgische Idealgesellschaft verwandeln die Grauen Herren, zu denen nun auch Graue Damen zählen, in eine gehetzte Moderne. Doch mit Hilfe ihrer sprechenden Schildkröte und dem Zeitmeister Hora (Martin Freeman) wird aus farblosem Fortschritt wieder bunte Biederkeit. Dieser Wunsch, die Zeit buchstäblich zurückzudrehen zu einer vermeintlich harmonischen Vergangenheit, ist neben der Negation klassistischer Hierarchien und Romantisierung von Unterschichts- und Arbeiterleben nur einer der problematischen Aspekte, die der latent konservative Kinderfilm verstärkt.
![Ein kleiner Mensch steht am Ufer eines kreisrunden, ruhigen Sees, der von großen, verworrenen Baumwurzeln umgeben ist. Die Wurzeln bilden einen natürlichen Rahmen um den See und ragen teils über das Wasser. Über dem See hängt an einer Kette ein Pendel mit einer runden, goldfarbenen Kugel. [erstellt mit KI]](https://riecks-filmkritiken.de/wp-content/uploads/2025/10/27872-1400x582.webp)
Momo ©2025 Constantin Film
Fazit
Hinter der modernen Fassade ist Christian Ditters Hochglanz-Verfilmung das Gegenteil der Aktualisierung, die zeitgenössische Elemente wie Influencer, Social Media und digitale Devices suggerieren. Am deutlichsten zeigt dies die pauschale Ablehnung digitaler Technologien und neuzeitlicher Kommunikations- und Unterhaltungsformen. Wie das von der Grauen Gesellschaft propagierte Zeitkonto-Konzept funktioniert, bleibt ebenso unklar wie was daran schlecht sein soll. Ideal des bestenfalls naiven Narrativs ist nicht die sinnvolle Nutzung von Zeit, sondern deren Stillstand: Alles soll bleiben wie es ist. Ambitionen, insbesondere die der unteren Gesellschaftsschichten, erscheinen schädlich. Zwischen allglatter Ästhetik und artifiziellen Effekten bringen einzig die Darstellungen eine Spur Lebendigkeit. Der Rest ist Zeitverschwendung.
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| Originaltitel | Momo |
| Kinostart | 2.10.2025 |
| Länge: | 91 minuten |
| Produktionsland | Germany |
| Genre: | Abenteuer | Fantasy | Drama |
| Regie | Christian Ditter |
| Producer | Christian Becker |
| Visual Effects | Frank Schlegel |
| Musik | Fil Eisler |
| Cast | Alexa Goodall, Martin Freeman, Laura Haddock, Araloyin Oshunremi, David Schütter, Claes Bang, Jennifer Amaka Pettersson, Kim Bodnia, Skylar Blu Copeland, Maxwell Smith, Duško Valentić, Kurt Ravn, Haley Louise Jones, Mylène Gomera, Madeleine Akua, Charlie Mann, Maja Bons, Anna Martine Freeman |
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![Ein Mädchen mit langen, lockigen Haaren sitzt auf dem Boden, die Arme auf den Knien verschränkt. Sie trägt dunkle Kleidung und sitzt auf einer grasbewachsenen Fläche. Im Hintergrund sind unscharf große, steinerne Bögen zu erkennen, die an eine historische Ruine erinnern. [erstellt mit KI]](https://riecks-filmkritiken.de/wp-content/uploads/2025/10/27859.webp)

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