Review Fakten + Credits


Morgen ist auch noch ein Tag

Veröffentlichung: 2023-10-26Genre: DramaLänge: 118 minutenBudget: $ 9,000,000
Übersicht

Im Italien der Nachkriegszeit ist die Familie der typischen Hausfrau Delia in Aufruhr wegen der bevorstehenden Verlobung der geliebten Erstgeborenen Marcella. Der Eingang eines mysteriösen Briefes wird Delia jedoch den Mut geben, sich ihrem misshandelnden Ehemann zu stellen und sich eine bessere Zukunft vorzustellen.

Quelle: www.themoviedb.org

 

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Rezension

Es ist bezeichnend, dass die bittere Ironie, die Paola Cortellesis Regiedebüt beständig beschwört, am markantesten dort ist, wo das sich als feministisches Fanal präsentierende Historiendrama sie nicht beabsichtigt. Das formalistische Faksimile des italienischen Neo-Realismus, dem die sentimentale Schwarz-Weiß-Optik und das städtische Setting im Arbeitermilieu geschuldet sind, könnte von der Essenz der Zeitströmung kaum weiter entfernt sein – aus genau den falschen Gründen. Statt die Macho-Melodramatik und klassistischen Konstrukte des patriarchalischen Kinokanons zu unterminieren, bricht die Geschichte der geplagten Familienmutter Delia (Cortellesi) im geschichtsträchtigen Jahr 1946 mit dessen Streben nach Sozialdramatik. Das Geschehen soll immer noch echt wirken, aber statt beklemmend beschwingt.

Letztes gilt ganz buchstäblich. Der bühnenhafte Hauptschauplatz Delias beengter Kellerwohnung wird zum Tanzboden, auf dem ihr gewalttätiger Gatte Ivano (Valerio Mastandrea) mit ihr Verbrechertango tanzt. Häusliche Gewalt in den unteren Schichten wird verharmlost zur romantischen Routine, über die Cortellesi und ihr mittelständisches Zielpublikum getrost belächeln dürfen. Diese Häme kaschiert die augenwischende Allianz mit der Klischee-Clique Arbeiterfrauen, als eine derer sich die Regisseurin im mit ihren bewährten Co-Autor*innen Giulia Calenda und Furio Andreotti verfassten Drehbuch im doppelten Sinn selbst inszeniert. Einziger Lichtblick zwischen Kindern, Küche und Gelegenheitsjobs ist die Verlobung ihrer Ältesten Marcella (Romana Maggiora Vergano) und ein ominöser Brief.

ein Teil eines Innenhofes in schwarzweiß, im Hintergrund und an der rechten Seite sind Häuserwände zu sehen, im Hintergrund sitzt eine Gruppe Herren um einen Tisch, im Vordergrund lehnt eine Frau lachend an der linken Hausmauer, während ein Mann vor ihr kniet

Morgen ist auch noch ein Tag © Tobis Film

Dessen Inhalt verraten wortwörtlich plakative Hinweise in den kunsthandwerklichen Kulissen, wo an derselben Straßenecke ein Schwarzer GI darauf wartet, Delia mit einer kleinen Sprengladung zu helfen. Solche abstrusen Wendungen kaschieren die in der kruden Charakterisierung. Da wird Marcellas braver Charmeur abrupt zum brutalen Chauvi. Marcellas Wahl erscheint als Delias, die ihre Meinung ändert und die plötzlich untröstliche Tochter erneut bevormundet. Nicht die einzige idealisierte Fremdbestimmung in einer Story, die das Wahlrecht zum Schlüsselelement erhebt; eine Zeitwende, die scheinbar vom Staat auf die Bürgerinnen regnet, ohne dass ein Moment der mit allerlei burlesken Banalitäten ausgedehnten Handlung den Kampf dahinter zumindest andeutet.

Fazit

Trotz der klassistischen Karikaturen und Klischees, rassistischer Stereotypisierung und reaktionärer Retusche gibt es in Paola Cortellesis ambivalenter Kostüm-Komödie vage Momente, die das ungebrochen aktuelle Thema misogyner Gewalt in systemischer, sozialer und struktureller Form tatsächlich anpacken, statt nur ostentativ hochzuhalten. Doch statt die internalisierten Idealen von Ehe und Familie, heterosexistische Hierarchien und toxische Tradition als maßgebliche Faktoren aufzuzeigen, klammert sich die unebene Inszenierung ebenso verbissen daran wie an das Märchen einer naturgegebenen Allianz marginalisiert Menschen. Die revisionistische Retro-Ästhetik spiegelt stilistisch den unterliegenden Antagonismus des fragwürdigen Feel-Good-Feminismus. Der beansprucht Universalität, obwohl er tatsächlich der durch das Zielpublikum repräsentierten weißen straighten Mittelschicht vorbehalten ist.

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Review Fakten + Credits


Originaltitel C'è ancora domani
Kinostart 26.10.2023
Länge: 118 minuten
Produktionsland Italy
Genre: Drama | Komödie | Kriegsfilm
Regie Paola Cortellesi
Executive Producer Ludovica Rapisarda | Saverio Giuseppe Guarascio | Mandella Quilici | Gianluca Mizzi
Producer Mario Gianani | Lorenzo Gangarossa
Kamera Davide Leone
Musik Lele Marchitelli
Cast Paola Cortellesi, Valerio Mastandrea, Romana Maggiora Vergano, Emanuela Fanelli, Giorgio Colangeli, Vinicio Marchioni, Alessia Barela, Francesco Centorame, Raffaele Vannoli, Paola Tiziana Cruciani, Yonv Joseph, Federico Tocci, Priscilla Micol Marino, Maria Chiara Orti, Silvia Salvatori, Mattia Baldo, Gianmarco Filippini, Ilaria Falini, Paolo Zuccari, Flavio Domenici

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