Review Fakten + Credits


Rezension

Rege zieht sich ein Strom aus Erinnerungen durch Lana Gogoberidzes dokumentarisches Spätwerk. Mit 93 Jahren begann die georgische Filmemacherin, unter anderem bekannt für ihren Spielfilm EINIGE INTERVIEWS ZU PERSÖNLICHEN FRAGEN, der ursprünglich auf der 29. Berlinale uraufgeführt werden sollte, mit der Arbeit an ihrem intimen Mutter-Tochter-Porträt. Auf der diesjährigen Berlinale wird sie nunmehr 95 Jahre alt sein. Im Zentrum ihres Beitrags zum Berlinale Forum steht eine weitere herausragende georgische Regisseurin: ihre Mutter Nutsa. Und mit ihr die Geschichte einer Familie, die Geschichte eines Landes und die der ganz persönlichen Liebe zur Filmkunst.

Mother and Daughter, or the Night is Never Complete Filmstill

Mother and Daughter, or the Night is Never Complete ©2024 3003 Film Production

Das Kino dient Lana Gogoberidze dabei nicht nur in der Vergangenheit als Brücke zwischen ihrer Mutter und sich selbst, auch viele Jahre nach dem Tod der allerersten georgischen Spielfilmregisseurin Nutsa ermöglicht es ein eindringliches Band zwischen den beiden verwandten Filmschaffenden. Parallel zur Biografie einer Frau, deren filmisches Vermächtnis nur noch zu Teilen erhalten ist, skizzieren sich die politischen Entwicklungen Georgiens und deren Auswirkungen auf die Familie sowie Einflüsse der Mutter und der früheren Kindheit auf das filmische Schaffen Gogoberidzes. In den trotz langjähriger räumlicher Trennung dennoch eng verknüpften Schicksalen zeichnen sich Ursprünge ihrer Filmmotive ab, die mit dem Filmmaterial ihrer eigenen Werke zurückgeholt werden.

Nutsa by Lana

Wenngleich lose Kapitel MOTHER AND DAUGHTER OR THE NIGHT IS NEVER COMPLETE eine Struktur zu verleihen versuchen, folgt der Film wiederholt seiner eigenen Logik und dem flüchtigen Aufbau von Erinnerungen. Die Abschnitte und Filme eines Lebens dienen als lose Orientierungspunkte, aber nie als strenge Abfolge biografischer oder filmografischer Stationen. Zusammengehalten wird der Film von den feministischen Bestrebungen seiner Hauptfiguren und zutiefst persönlichen Leitmotiven, wie Lana Gogoberidze sie selbst aus früheren Filmen schält und sich damit wiederholt nicht nur ihrer Mutter, sondern auch einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk widmet. Ein bisschen Chaos, ein assoziatives Zusammenflicken, Hin- und Herspringen zwischen Hommage, Autobiografie, Mahnung und eigener Persönlichkeit unterstreicht die Komplexität der mitunter eigensinnig aufgebauten Dokumentation.

Mother and Daughter, or the Night is Never Complete Filmstill

Mother and Daughter, or the Night is Never Complete ©2024 3003 Film Production

Bilder vom Dreh und Archivaufnahmen ihrer Mutter verflechten Vergangenheit und Gegenwart untrennbar miteinander und beweisen sowohl als einfühlsames Künstlerinnen-Porträt als auch als Erinnerung an einen beschwerlichen Werdegang und als Werkschau von Filmen, die hierzulande nahezu unveröffentlicht geblieben sind, ihren Wert. Den Spätwerken einer weiteren großen Regisseurin, der Großmutter der Nouvelle Vague Agnes Varda, nachspürend, gehen Dokumenation und Poesie, Nachdenklichkeit und Leichtigkeit, Struktur und Schleifen ähnlich wie bei der Französin nahtlos ineinander über. Die Geschichte einer fast vergessenen Frau und ihrer fast vergessenen Filme ist alles andere als vergessenswert in Szene gesetzt.

Fazit

Das Kramen in Briefen, Bildern, Landes- und Familiengeschichte öffnet eine eindringliche Truhe an Erinnerung. Darin befinden sich nicht nur die Biografie und Emanzipationskämpfe einer, sondern mehrerer Filmemacherinnen, nicht nur intime Vermächtnispflege, sondern auch bewahrende Werkschau und poesievolle Dokumentation.

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Review Fakten + Credits


Originaltitel დედა-შვილი ან ღამე არ არის არასდროს ბოლომდე ბნელი
Kinostart 4.5.2023
Länge: 89 minuten
Produktionsland Georgia
Genre: Dokumentarfilm
Regie Lana Gogoberidze
Cast Lana Gogoberidze, Salome (Nutsa) Aleqsi-Meskhishvili

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