Mrs. Harris (Lesley Manville) führt in den 50er-Jahren ein einfaches Leben als bescheidene Putzfrau in London. Noch immer wartet sie verzweifelt auf die Heimkehr ihres Mannes Eddie. Als sich das Offensichtliche herausstellt und Ada Harris erfährt, dass ihr Mann im zweiten Weltkrieg getötet wurde, ist sie am Boden zerstört. Erst der Anblick eines Dior-Kleides einer ihrer wohlhabenden Kundinnen gibt ihr neue Kraft. Getrieben von dem Wunsch ein eigenes Kleid von Dior besitzen zu können, investiert sie ihr erspartes und die Kriegsrente ihres verstorbenen Ehemannes, um sich auf die Reise nach Paris zu begeben.
Review
MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR lässt sich schon fast als ein typischer Feel-Good-Movie bezeichnen. Das ist nichts Schlimmes, aber der Film folgt stark den Regeln des Genres. Die Stimmung ist locker sowie Spaßig und Schicksalsschläge sind nie lange von Bedeutung, auch nicht tiefgreifend verletzend. Der Film will dem Publikum nicht nur eine Wohlfühlatmosphäre bieten, sondern auch noch auf besondere Stärken setzen.
Wunderschöne Kostüme, aber…
Die Kostüme von MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR sind nicht nur ein wahrer Augenschmaus, sondern laden auch zu einer Zeitreise in die Modewelt der 50er-Jahre ein. Sein es die alltäglichen Anzüge und Kleider der Arbeiterklasse oder die funkelnden und glänzenden Kleider der Oberschicht. All diese Kleidungsstücke haben ihren Charme und bieten Menschen, die sich für Mode interessieren, einen bewundernswerten Anblick.
Jedoch kann Lesleys Manvilles Verzauberung durch die Dior-Kleider vom Publikum nicht ganz nachvollzogen werden. Klar, die Kleider sind bis in das kleinste Detail exakt geplant und echt ansehnlich, aber diese magische Aura wirkt nicht nur etwas kitschig, sondern auch wie ein Dior-Werbespot. Da der Hauptfokus selbstredend auf den namensgebenden Kleidern liegt, erlebt das Publikum immer wieder Einstellungen, in denen Lesley Manville wie hypnotisiert auf die Kleider schaut.
Schönes Schauspiel mit einer noch schöneren Chemie
Mit der Freundesgruppe um Lesley Manville, Ellen Thomas als ihre beste Freundin und Jason Isaacs als Archie haben die Zuschauenden in MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR eine Bezugsgruppe, die besonders viel Spaß macht, schön harmoniert und vor allem die vereinzelten Überlängen der ersten Hälfte gut kaschieren kann. Es erfreut das Publikum einfach, die drei zusammen zu sehen. Gerade Jason Isaacs darf die gute Seele des Films spielen, was ihm hier einfach steht.
Besonderes Lob hat aber Lesley Manville für ihre darstellerische Leistung verdient. Sie schafft es, in jeder Situation so treffend zu spielen, dass die Rezipienten sie schon fast als eine echte Ada Harris und nicht die Schauspielerin der Kunstfigur betrachten. Selbst wenn wir teilweise nicht mit der Art, wie sie sich laut Drehbuch geben muss, einverstanden sind, ist ihr Schauspiel immer noch großartig.
Lebhaftes Stadtbild mit teils atmosphärischer Kulisse
Das Stadtleben von London und Paris, das MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR zeigt, ist glaubwürdig belebt. Sei es der Beginn des Berufslebens mit Zeitungsverkäufern, der Besuch in einer Bar, oder eine der typischen Demonstrationen und Streiks in Paris. Es wird auf überraschend große Anzahlen an Menschenmassen gesetzt, selbst wenn die Szene nur wenige Sekunden ausmacht. Es sind diese kleinen Details, die der Welt des Films Leben einhauchen.
Auch die Kulissen sind meistens lebhaft schön und können zur Atmosphäre beitragen. Meistens, da MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR abseits davon vereinzelt auf CGI-Gebäude und -Skylines setzt. Dem geschulten Auge fällt dies sofort auf und wirkt verglichen mit den Restlichen Kulissen etwas störend. Wichtig dabei ist jedoch zu betonen, dass die Szenen so selten und dezent vorkommen, dass es zwar stört, das Seherlebnis aber nicht komplett beeinträchtigt.
Eine zu naive Mrs. Harris
Wie schon erwähnt, ist Lesley Manvilles Schauspiel überzeugend. Jedoch fällt ihr Charakter immer wieder dadurch auf, dass sie zu naiv ist. Und auch das Anbiedern an den verstorbenen Ehemann ist eine schon ekelhafte Darstellung. Sie bezeichnet ihn nicht nur als ihren schützenden und glücksbringenden Engel, sondern behauptet auch, dass er ihr den Weg weist. Ihr Leben richtet sich immer noch nach ihm und sie wartet schon fast auf Erlaubnis, neue potenzielle Partner kennen zu lernen. Das ist alles andere als eine akzeptable Darstellung von Geschlechterrollen.
Die Naivität lässt zumindest etwas in der zweiten Hälfte von MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR nach. In Paris schafft sie es dann sogar manchmal, für sich einstehen zu können und dieses Feuer an andere zu übertragen. Doch diese positiven Momente werden dann doch von der nächsten Szene überschattet, in der sie als zu freundlich sowie naiv bezeichnet wird oder ihr verstorbener Eddie um Rat gefragt wird.
Teils traurige Szenen, aber letztlich zu konstruiert
Gerade in der ersten Hälfte von MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR gibt es vereinzelt traurige Momente, die dem Publikum nahe gehen. Das liegt unter anderem an der Inszenierung dieser. Wir verfolgen diese Momente aus Lesley Manvilles Perspektive, die mit Tinnitus-ähnlichen Geräuschen und einer gedämpften Wahrnehmung untermalt wird.
Jedoch wirkt die Story auf dem Weg zum Kleid zu sehr konstruiert. Nichts wird dem Zufall überlassen und auf jeden Rückschlag folgen mindestens zwei positive Ereignisse. Das ist zu dick aufgetragen und nervt das Publikum, was nicht zuletzt daran liegt, dass vereinzelte Probleme und Rückschläge unrealistisch und wie aus den Fingern gesaugt wirken. Der Film will hier klotzen und nicht kleckern, dabei wäre ein dezenter Einsatz von diesen Ereignissen viel wertvoller gewesen.
Die Zuschauenden stellen sich aber auch immer wieder Fragen über schon fragwürdige Dinge in MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR. Warum rauchen die Menschen ohne Aschenbecher in ihren Luxuswohnungen mit den teuren Möbeln und Teppichen. Nicht, dass dies nur enorm brandgefährlich ist, es ist auch unhygienisch und einfach nur ekelhaft. Genauso verhält es sich mit Lesley Manvilles Begeisterung für Paris. Durch Streiks der Müllabfuhr gleicht Paris einer Müllkippe, aber sie ist von dem Glanz der Stadt enorm fasziniert.
Fazit
Letztlich glänzt MRS. HARRIS UND EIN KLEID VON DIOR durch schönes Schauspiel und detailverliebte Kostüme. Jedoch wirkt die Darstellung der Dior-Kleider wie ein Werbefilm und kann dadurch sehr ermüdend wirken. Gleichzeitig ist der Film an vielen Enden zu konstruiert und die erzählerische Darstellung der Hauptdarstellerin teils sehr fragwürdig. Und doch hat der Film eine gewisse Wohlfühlatmosphäre, die sich auf das Publikum überträgt.
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Originaltitel | Mrs. Harris Goes to Paris |
Kinostart | 15.7.2022 |
Länge: | 116 minuten |
Produktionsland | Belgium |
Genre: | Drama | Komödie | Historie |
Regie | Anthony Fabian |
Executive Producer | Beata Saboova | Philippe Carcassonne | Lesley Manville | Rima Horton | Ilda Diffley | Jen Gorton |
Producer | Jonathan Halperyn | Jane Hooks | Daniel Kresmery | Anthony Fabian | Xavier Marchand | Guillaume Benski |
Kamera | Felix Wiedemann |
Musik | Rael Jones |
Cast | Lesley Manville, Isabelle Huppert, Lambert Wilson, Alba Baptista, Lucas Bravo, Ellen Thomas, Rose Williams, Jason Isaacs, Anna Chancellor, Roxane Duran, Bertrand Poncet, Christian McKay, Freddie Fox, Philippe Bertin, Guilaine Londez, Dorottya Ilosvai, Delroy Atkinson, Vincent Martin, Harry Szovik, Péter Végh |
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