Triggerwarnung
NEW NORMAL thematisiert sexuelle Belästigung, (sexuelle) Gewalt, Stalking und kurz einen Mord an Haustieren. Durch die explizite Darstellung dieser Themen kann dies einigen Menschen zu viel sein. Es wird darauf hingewiesen, dass einige dieser Trigger im Verlauf der Kritik besprochen werden, da diese einen erheblichen Teil zu den verschiedenen Einzelgeschichten beitragen.
Darum geht es
Sechs Menschen erleben über einen Zeitraum von vier Tagen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul den puren Wahnsinn sowie chaotisch blutige Begegnungen. Was diese Personen jedoch nicht wissen, ist die Tatsache, dass fast all ihre Einzelschicksale, wenn auch nur lose, miteinander verbunden sind. Nichts ist, wie es scheint und noch viel wichtiger: es gibt kein Entkommen.
Review
NEW NORMAL wurde im Rahmen des Fantasy Filmfest 2023 gezeigt. Der Film ist in sechs Kapitel unterteilt, die größtenteils lose miteinander verknüpft sind. Einige der Geschichten bringen Zuschauer*innen zum Schaudern, andere lassen diese widerrum lachen. Aber alle Geschichten haben eine Sache gemeinsam: sie schaffen es, diese schöne beklemmende Atmosphäre zu erzeugen, die einem das Herz zerreißen lässt.
Die einzelnen Geschichten werden aus der Sicht der Opfer erzählt und wirken teilweise schon wie eine Lehrstunde. Mit diesen hat das Publikum aus verschiedenen Gründen mal mehr und mal weniger Mitleid. Aber auch wenn mit den Opfern keine Sympathie geschaffen werden kann, lässt der Film einen doch die beklemmende Spannung fühlen und schafft es, gewohnte Formeln der Welt der Thriller und Horrorfilme zu brechen und Zuschauende somit zu überraschen.
Soll man hier Mitgefühl empfinden?
Zwei Kapitel handeln von Männern, die eher von fragwürdiger Natur sind. Der Erste ist gegenüber einer Frau sexuell übergriffig und akzeptiert keine Grenzen. Dadurch fällt es schwer, eine emotionale Bindung zu ihm aufzubauen. Er und sein Schicksal sind für uns gleichgültig. Ähnlich verhält es sich mit der zweiten Person. Dieser stalkt und filmt seine Nachbarin und onaniert anschließend auf diese Videos. Als er schließlich über den Balkon in ihre Wohnung einsteigt, entsteht ein Katz- und Mausspiel, in dem aber auch kein Mitgefühl für ihn entsteht.
Was will der Name sagen?
NEW NORMAL zeigt, wie schlimm die ganze Welt ist und dass das Gute in Menschen nur zu häufig ausgenutzt wird. Alles und Jede*r ist zumindest irgendwo böse und möchte anderen Menschen schaden. Dabei entsteht aber leider nicht der AHA-Moment. Warum heißt der Film eigentlich so? Es wird nicht deutlich, was dieses neue Normal sein soll und was der Film aussagen will. Diese Fragen stellen sich die Zuschauenden teilweise schon während des Films, da einige Kapitel zu lang sind. Gerade das finale Kapitel lässt sich zu viel Zeit mit dem Tagesablauf der Person, wodurch kurz eine gewisse Langeweile auftritt.
Dass die Geschichten nur teilweise miteinander verbunden sind, ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits entsteht so immer wieder ein erfrischend neues Szenario, auf das sich das Publikum freuen und überlegen kann, mit welcher Geschichte nun dies verbunden ist. Aber andererseits wächst die Erwartung, dass alle Geschichten in einem großen Finale enden. Dass dies nicht passiert, ist jetzt zwangsweise nichts Schlechtes, hinterlässt aber trotzdem ein Gefühl der Enttäuschung.
Blut und Schrecken
Erfrischend sind die meisten Szenarien trotzdem. Immer wieder spielt NEW NORMAL mit den Zuschauer*innen und lockt diese auf eine falsche Fährte, nur um dann im nächsten Augenblick das eigentlich Offensichtliche zu zeigen. Dies geschieht aber nicht auf die stumpfe Art von Sonntagsnachmittagskrimis. Der Film gibt immer wieder versteckte Hinweise, mit denen die Rezipienten arbeiten und von selbst auf die richtige Spur kommen können. Das macht nicht nur Spaß, sondern jagt auch immer wieder einen herzlich schönen Schrecken ein.
Schrecken erzeugt auch die teils unerwartete Gewalt ein. Immer wieder kommt es zu plötzlichen Angriffen, bei denen jedoch nicht Jumpscares benutzt werden. Vielmehr ist es der Schreck, dass Personen Dinge tun, die wir so nicht erwartet haben. Lobenswert ist die Tatsache, dass der Film es sich regelmäßig erlaubt, die Gewalt gar nicht zu zeigen, sondern diese nur andeutet. Dadurch ist das Publikum wie schon in alten Klassikern gezwungen, die eigene Fantasie zu benutzen, die gruseliger als jeder Horrorfilm sein kann.
Spiel mit Musik, Kamera und Farben
Immer wieder ertönt Musik, die an sich nicht recht in die Situation passen will, aber den Zuschauenden zumindest ein Schmunzeln hervorzaubern kann. Gleichzeitig begleiten den Film poppig coole Sounds, die auch zum Kopf nicken anregen und plötzlich erschrecken, wenn sie durch schrille Töne unterbrochen werden. Das Spiel mit der Farbgestaltung ist erfrischend und passt sich auch dem Rhythmus der musikalischen Klänge an. Es ist jetzt nicht etwas, was Kinogänger*innen in jedem Film haben wollen, aber doch mal eine sehenswerte Abwechslung ist.
Die Kamera nimmt immer wieder Perspektiven ein, die uns in das Geschehen ziehen und im nächsten Moment wieder raus stoßen, damit die nächste Szene in Ruhe begutachtet werden kann. Das Publikum wird auf eine angenehme Art zum Spielball des Films und darf sich auf Fahrten und Perspektiven freuen, die in Hollywood selten zu sehen sind und im gewissen Maß an die Kameraarbeit von DIE FRAU IM NEBEL erinnern kann.
Fazit
NEW NORMAL setzt leider keine neuen Maßstäbe, schafft es aber trotzdem mit der gewohnten Formel von Thrillern zu brechen und Fans dieser in seinen Bann zu ziehen. Der Horror kommt leider zu kurz, wodurch Liebhaber des Genres eher enttäuscht werden. Der Film hat zwar einige Längen und inszenatorische Schwächen, kann diese aber durch die Twists, das Spiel mit Licht und Musik sowie seine Brutalität kaschieren. Wer gerne einen frischen Thriller und was Neues aus Korea sehen will, ist hiermit gut bedient.
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Originaltitel | 뉴 노멀 |
Kinostart | 8.11.2023 |
Länge: | 111 minuten |
Produktionsland | South Korea |
Genre: | Horror | Thriller | Mystery |
Regie | Jung Bum-shik |
Producer | Choi Jin |
Kamera | Kim Young-min |
Cast | 최지우, 정동원, 이유미, 민호, 피오, 하다인, 이문식, 이주실, 황승언, Lee Dong-kyu, Hah Kyoung, Yerin, 김미화, 이주우 |
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