FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kolleg:innen
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Originaltitel: Never Rarely Sometimes Always
Kinostart: 01.10.2020
DVD/Blu-ray – Release: 11.02.2021

FSK 6

FSK 6 ©FSK

Länge: ca. 102 Minuten
Produktionsland: USA | Vereinigtes Koenigreich
Regie: Eliza Hittman
Schauspieler:innen: Sidney Flanigan | Talia Ryder | Théodore Pellerin
Genre: Drama
Verleih: Universal Pictures Germany

Niemals Selten Manchmal Immer

Niemals Selten Manchmal Immer ©2020 Universal Pictures International Germany GmbH

Fast auf den Tag genau ist es ein Jahr her, dass NIEMALS SELTEN MANCHMAL IMMER im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin erstmalig in Deutschland im Kino gezeigt wurde und somit zu einem der letzten großen Kinoereignisse zählt. Genauso international wie der Film ist, genauso international ist auch die Problematik verbreitet, die hier aufgegriffen wird: Schwierigkeiten bei der Abtreibung von ungewollten Kindern. Gerade in unserem Nachbarland Polen ist diese Thematik präsenter denn je. Zehntausende protestieren regelmäßig gegen die Verschärfung der Abtreibungsgesetzt. Mittlerweile wurden diese jedoch umgesetzt und beschlossen. Die Bürger sind jedoch der Auffassung, dass jeder Mensch frei entscheiden können muss, unabhängig der Beweggründe, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Auch in Amerika bieten die verschiedenen Bundesstaaten verschiedenste Gesetzesgrundlagen, die die Thematik teilweise völlig unterschiedlich auslegt.

Niemals Selten Manchmal Immer

Niemals Selten Manchmal Immer ©2020 Universal Pictures International Germany GmbH

Regisseurin Eliza Hittman nahm sich diesem Thema an, nachdem sie von Savita Halappanavar gelesen hatte, der in Irland eine Abtreibung einer unvollständigen Fehlgeburt verweigert wurde, was letztlich zu ihrem eigenen Tod führte. Zudem erfuhr Hittman von schwangeren Irinnen, die extra nach London reisen würden, um einen solchen Eingriff vorzunehmen. Dies inspirierte sie dazu die Geschichte für einen Film zu adaptieren, woraufhin sie selbst das Drehbuch verfasste. Sie selbst war erst an wenigen Produktionen beteiligt, suchte sich jedoch mit ihren beiden Hauptdarstellerinnen Sidney Flanigan und Talia Ryder zwei noch unerfahrenere Damen, um das Werk zu realisieren. Zu den wohl bekanntesten Akteuren gehören wohl Théodore Pellerin (DER VERLORENE SOHN) und Ryan Eggold (BLACKKKLANSMAN).

Darum geht es…

Autumn ist gerade einmal 17 Jahre alt und steht dennoch bereits mit beiden Beinen fest im Leben. Zwar lebt sie noch bei ihren Eltern, doch verdient sie sich bereits ihr Geld mit der Arbeit als Kassiererin. Dort arbeitet sie mit ihrer drei Jahre älteren Cousine und offenbar besten Freundin. Alles gerät jedoch ins Wanken, als sie erfährt, dass sie schwanger ist. Dies erschüttert ihre Welt. Doch ihr Entschluss ist recht schnell klar – sie kann und will das Kind nicht bekommen. Das große Problem jedoch ist, dass sie in Pennsylvania lebt und dort die Abtreibungsgesetze so gestaltet sind, dass erst ab 18 Jahren eine Abtreibung durchgeführt werden kann. Für jüngere Menschen wird das Einverständnis der Eltern benötigt. In ihrer Verzweiflung versucht sie mit aller Macht die Abtreibung selbst in die Wege zu leiten, doch es hilft offenbar nichts. Ihr letzter Ausweg: die Flucht in einen anderen Bundesstaat, um dort die nötigen Schritte in die Wege zu leiten.

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Rezension

Mit NIEMALS SELTEN MANCHMAL IMMER zeigt uns Regisseurin Eliza Hittman einen Film, der aktueller kaum sein könnte und trifft somit exakt den Zahn der Zeit. Inhaltlich geht sie dabei sehr strukturiert und gradlinig vor, auch wenn viele Ereignisse nur angerissen werden und nicht tiefgründigerer Erläuterung unterliegen. Insbesondere zu Beginn scheint dabei ein ordentliches erzählerisches Tempo vorgelegt zu werden, denn ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit kann schnell dazu führen, dass das persönliche Verhältnis der beiden Protagonistinnen nicht ganz klar wird. Auch im restlichen Film ist dies nur schwer erkennbar, da sich die Dialoge und Handlungen auf ein absolutes Minimum beschränken und die Story viel mehr von der Problematik selbst sowie den schauspielerischen Leistungen trägt.

Niemals Selten Manchmal Immer

Niemals Selten Manchmal Immer ©2020 Universal Pictures International Germany GmbH

Da nur äußerst selten mit Hintergrundmusik gearbeitet wird, scheint das Werk ein wenig Probleme im Pacing aufzuweisen, denn während der Handlung teilweise recht schnell vorangetrieben wird und nur kurze Zeit später sich wieder gemächlich entwickeln kann, wirkt der Gesamteindruck doch etwas träge und fad. Dennoch schafft es Hittman, dass wir durchgehend an den Lippen der Protagonistin hängen und gespannt verfolgen, was geschieht und wie ihre Entscheidungen ausfallen werden. Schließlich erwartet das Publikum stets, dass sie keinen Erfolg mit ihrem Vorhaben hat oder gar selbst sich noch einmal umentscheiden wird. Gerade die Ungewissheit, was in der jungen Dame nun wirklich vorgeht, sorgt dafür, dass die Neugier auf die weitere Entwicklung stets erhalten bleibt.

Viel Getöse – wenig Aussage

Zu den wohl stärksten und gleichzeitig schrecklichsten Momenten des Films zählt wohl die Selbstgeißelung der baldigen Mutter, die dafür sorgen soll, dass das ungeborene Kind schon in ihrem Laib abgetötet wird. Mit harten Schlägen, die sie sich selbst zufügt, versucht sie somit einen vergleichsweisen einfachen Ausweg aus der Misere zu finden. Es ist schrecklich mit ansehen zu müssen, wie sie sich selbst auf diese Art und Weise quält. Aber auch äußerst elementar wirkt die Sequenz, in welcher sie von einer Sozialarbeiterin, die diesen Beruf nicht nur im Film ausübt, zu ihren Lebensumständen befragt wird um damit Gewalt, Missbrauch oder einfach nur fehlende Aufklärung zu ergründen. Nicht nur, dass die Antworten uns erstarren lassen, auch wurde die Szene ohne viele Schnitte und mit fester Kamerainstallation gedreht. Dies verstärkt den Charakter des Moments um ein Vielfaches und deutet auf die Wichtigkeit hin.

Niemals Selten Manchmal Immer

Niemals Selten Manchmal Immer ©2020 Universal Pictures International Germany GmbH

Zudem wird in dieser Sequenz plötzlich der etwas verwirrende Titel klar, der fast schon wie eine philosophische These wirkt und doch nur auf den Antworten eines Fragebogens beruht. Doch bietet der Titel auch viel Spielraum für Interpretation, da „niemals selten“ ein Verweis darauf sein kann, dass diese Problematik nie nur wenige Menschen betrifft und somit nicht selten vorkommt, gleichzeitig aber mit „manchmal immer“ eine Entscheidung ist, die manchmal das gesamte Leben für immer prägen wird – sofern hier überhaupt eine Entscheidung möglich ist. Sehr dominant wird auf die Aussagekraft immer wieder hingewiesen, indem die Sozialarbeiterin diese Antwortmöglichkeiten in dem Interview mit der werdenden Mutter immer wieder penetrant wiederholt.

Leider jedoch hat NIEMALS SELTEN MANCHNAL IMMER auch einige Ecken und Kanten, die etwas unangenehm aufgefallen sind. Dass Hauptdarstellerin Sidney Flanigan durchweg immer eine sehr deprimierte und nachdenkliche Mimik aufzeigt, gehört dabei noch zu den unbedeutenden Nebensachen, denn viel schlimmer ist, dass hier eigentlich eine ziemlich wichtige Geschichte erzählt wird, die teilweise nicht so recht zur Geltung kommt, auch wenn der gesamte Fokus draufgelegt ist. Die Bedeutsamkeit und die Schwere der Herausforderung kommen nur bedingt durch. Zudem bleiben viele Fragen offen, die einfach nie angegangen werden. So wirkt die Geschichte wie ein minimaler Ausschnitt aus einem Gesamtbild, welcher für sich genommen schon eine wesentliche Bedeutung hat, aber bei Betrachtung des Gesamtkunstwerks noch einmal in ein völlig anderes Licht geraten könnte.

Niemals Selten Manchmal Immer

Niemals Selten Manchmal Immer ©2020 Universal Pictures International Germany GmbH

Fazit

Neben hervorragenden Darsteller:innen lebt dieser Film vor allem durch die durchschlagende Kraft der Regisseurin Eliza Hittman, die für ihre Geschichte eher die sanfteren Töne wählt. Sie nimmt sich Zeit ein Thema festzuhalten, welches in der Welt große Bedeutung erfährt und gleichzeitig immer wieder totgeschwiegen wird. Dabei schafft sie es mit einigen wirklich starken Momenten dem Publikum die Bedeutsamkeit und Schwere des inhaltlichen Stoffs klar zu machen, verliert dabei aber das Gefühl die Zuschauenden durch ein angemessenes Erzähltempo abzuholen und emotional in die richtige Richtung zu lenken. Das ganze Werk wirkt wie eine kleine Momentaufnahme aus einem viel größeren Ganzen, bei dem einfach noch ein wenig vergessen wurde. Positiv zu bemerken ist jedoch, dass unterschwellig zumindest versucht wird eine umfassende Aufklärung zu verbreiten, die jungen Mädchen das Gefühl verschaffen kann, sich nicht ihrer Hoffnungslosigkeit in einer solchen Situation hingeben zu müssen.

Während in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche nicht beworben werden dürfen, geht es in anderen Ländern der Welt da schon um einiges heißer her. Polen modifiziert gerade die Gesetze dahingehend und auch in den USA gibt es viele Bundesstaaten, die noch immer nicht die völlige Freiheit zur eigenen Entscheidung bieten. Dies muss auch die junge Hauptfigur erfahren, die mit ihren 17 Jahren eine weitere Reise und viele Strapazen antreten muss, um die ungewollte Schwangerschaft wieder rückgängig zu machen. Der Film erzählt mit vielen eindringlichen Bildern die Dramatik und die Schwierigkeiten, die Frauen auch in einer modernen Gesellschaft entgegenstehen. Mit recht leisen Tönen wird versucht die alltägliche bittere Realität einzufangen. Möglicherweise aber auch zu leise, denn so richtig schafft es dieses Werk nicht an Tempo aufzunehmen und die Begeisterung aufrecht zu erhalten. Der gesamte Film wirkt wie ein kleines Mosaikteilchen aus einem großen Gesamtbild, nur dass auf dieses allgemeine Kunstwerk nie Bezug genommen wird, weshalb schlussendlich unzählige Fragen offenbleiben. Ohne Frage wird hier ein wichtiges Thema aufgegriffen, die Schauspieler:innen wirken äußerst sympathisch und die Idee ist gut strukturiert, aber leider reicht es nicht um entweder einen Filmgenuss in bester Qualität zu bieten oder (was in diesem Fall eher zutreffend ist), das Publikum aufzurütteln und eine klare und eindringliche Message zu hinterlassen. Dieses Werk ist somit nur ein leises Flüstern, wo es einen lauten Schrei benötigt hätte.

Niemals Selten Manchmal Immer

Niemals Selten Manchmal Immer ©2020 Universal Pictures International Germany GmbH


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