Raus aus der Halfpipe, rein in die Kinosäle. Ehe der heute 27-jährige Mikey Alfred mit seinem Regiedebüt NORTH HOLLYWOOD endgültig im großen Filmgeschäft angekommen ist, machte er sich bereits früh einen Namen in der Skater-Szene. Was 2008 mit der Gründung der Gruppe Illegal Civilization (auch IC genannt) als kleiner Zusammenschluss von begnadeten Skateboardern aus Kalifornien begann, entwickelte sich über die Jahre zu einer namhaften Marke für Skaterbedarf und einem gefragten Filmstudio von und für Fans des Boardens. Während sich das filmische Schaffen von Illegal Civilization viele Jahre auf das Inszenieren und Produzieren von Clips und Kurzfilmen beschränkte, ging es für die Gruppe nach diversen Zusammenarbeiten mit bekannten Größen der Musikindustrie wie Mac Miller oder Tyler the Creator 2018 schließlich auch auf die große Kinoleinwand. Für Jonah Hills Regiedebüt MID90S übernahm das IC-Mitglied Sunny Suljic seine erste Hauptrolle, während sich Mikey Alfred als Co-Produzent einbrachte. Mit der Tragikomödie „NORTH HOLLYWOOD“ bekommt der IC-Gründer nun die Gelegenheit, seine bewegte Jugend und die frühen Anfänge seiner Karriere zu verarbeiten.
Darum geht es…
Bei Michael (Ryder McLaughlin) steht der High-School-Abschluss vor der Tür. Doch statt sich um seine College-Bewerbungen zu kümmern, verbringt er die Tage lieber mit seinen besten Freunden Jay (Nico Hiraga) und Adolf (Aramis Hudson), um seiner einzigen großen Leidenschaft nachzugehen – dem Skaten. Die Verwirklichung des Traums, eines Tages einer Karriere als Profi nachzugehen, hat für ihn oberste Priorität. Ganz zum Leidwesen seines ehrgeizigen Vaters (Vince Vaughn), der stets darum bemüht ist, seinen orientierungslosen Sohn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Mit der ersten Liebe, die er in seinem Scharm Rachel (Miranda Cosgrove) findet und dem Anschluss an eine erfolgreiche Gruppe von Profi-Skatern, scheint sich Michaels Leben langsam aber sicher in von ihm gewünschte Bahnen zu begeben. Doch das bringt auch Konflikte mit sich, die ihn vor eine wichtige Entscheidung stellen….
Rezension
Der Entschluss den Protagonisten seines Spielfilmdebüts Michael zu nennen, war sicher kein Zufall, schließlich ist der Geburtsname von Mikey Alfred, der er sich hier für die Regie, das Drehbuch und die Produktion verantwortlich zeigt, ebenfalls Michael. Auch wenn NORTH HOLLYWOOD kein exaktes Biopic über sein Leben ist, sind die Parallelen zwischen dem fiktiven Michael und dem echten doch unverkennbar. Neben den offensichtlichen Überschneidungen wie dem Vornamen und der brennenden Leidenschaft für das Skaten gibt es noch weitere Gemeinsamkeiten. Beide sind in North Hollywood, einem Stadtteil der kalifornischen Metropole Los Angeles, geboren und aufgewachsen und haben bereits in jungen Jahren alles auf eine Karte gesetzt. Dass Alfred weiß, wovon er erzählt, merkt man der Coming-of-Age-Geschichte nicht nur in den authentischen Skate-Aufnahmen an. Sein erster Langfilm ist ein Lobgesang auf das Skaten und eine Ode an die Freundschaft, Träume und Selbstverwirklichung. Dasselbe Gefühl, das MID90S vor wenigen Jahren versprühte, kann Alfred zwar nicht reproduzieren – ein sehenswerter Film ist ihm dabei trotzdem gelungen.
Der MID90S-Vergleich ist nicht unbedingt fair – schließlich ist es fast unmöglich an Jonah Hills Meisterwerk heranzukommen – aber aufgrund der Thematik durchaus angebracht. Kaum einem Film der letzten Jahre gelang es einen bestimmten Lifestyle und das damit einhergehende Lebensgefühl so präzise einzufangen wie Jonah Hills Überraschungs-Hit aus dem Jahr 2018. NORTH HOLLYWOOD schlägt mit dem Fokus auf authentische Momentaufnahmen und der stark auf Indie getrimmten Inszenierung zwar in dieselbe Kerbe, wirkt in der kompletten Durchführung aber weniger kreativ und ausgewogen als sein großes Vorbild. Als Update für eine jüngere Generation hat Alfreds Film aber dennoch seine Daseinsberechtigung und schafft es wie zuvor MID90S auch Nicht-Skater in den Bann zu ziehen. Wer selbst noch nie auf einem Board gestanden hat und bei dem Namen Tony Hawk lediglich mit den Schultern zuckt, wird sich schnell in der Welt des Skatens zurechtfinden – vor allem da sich die behandelten Themen leicht auf jede andere Subkultur übertragen lassen.
Skaten, ein ansteckendes Lebensgefühl
Auch wenn NORTH HOLLYWOOD bemüht ist einen eigenen Stil zu finden und inszenatorisch etwas Neues zu kreieren, will dieses Vorhaben leider nicht immer ganz gelingen. So geht die Tragikomödie auf der musikalischen Ebene einen ungewöhnlichen Weg, indem der Soundtrack immer wieder zwischen klassischen Oldies und treibendem New School Hip-Hop hin und her wechselt. Das ist einerseits ein interessanter und unverbrauchter Ansatz, beißt sich auf der anderen Seite aber auch ein wenig und bildet den Zeitgeist nicht immer treffend ab. Dabei ist es gerade das Lebensgefühl, mit dem der Skaterfilm immer wieder punkten kann. Mit seinen tiefen Wurzeln in der Szene ist es für Mikey Alfred ein Leichtes, das vorherrschende Lebensgefühl dieser Subkultur einzufangen und auf das Publikum zu übertragen.
Mit voranschreitender Laufzeit und dem späteren Auftreten von Konflikten entfaltet NORTH HOLLYWOOD dann auch endlich seine volle Wirkung. Die normalen Probleme des Erwachsenwerdens halten Einzug in den zwanglosen Alltag von Michael, dabei vermischt sich der lockere Tonfall des Feel-Good-Kinos organisch mit emotionalen Elementen eines Dramas. Ryder McLaughlin (ebenfalls Teil von Illegal Civilization) darf nach seinen ersten filmischen Gehversuchen in MID90S nun sein Können als Hauptdarsteller unter Beweis stellen. Mit seinem natürlichen Charme und seiner charismatischen Gelassenheit, die er als Skateboarder von Berufswegen ausstrahlt, verleiht er Michael dieselbe Authentizität wie es sein IC-Kollege Sunny Suljic bereits in MID90S gelang. Michael ist ein liebenswerter Nerd mit dem Herz am rechten Fleck, der dazu bereit ist alles für seinen Traum zu geben. Statt ihn als einen weiteren austauschbaren coolen Draufgänger zu inszenieren, nimmt NORTH HOLLYWOOD Abstand von den stereotypen Konventionen glatt polierter Mainstreamproduktionen und zeigt ihn stattdessen als ganz normalen Teenager mit ganz normalen Problemen – Akne und Hausarrest inbegriffen.
Starke Vater-Sohn-Dynamik mit Potenzial zum Schmunzeln
Wo es Hausarrest gibt, kann ein strenger Vater nicht weit sein. Gespielt wird dieser von einem gutaufgelegten Vince Vaughn, der seinen stets verpeilten Filmsohn nach Herzenslust korrigieren und belehren darf. Kaum ein Satz aus den Lippen des aus unzähligen Komödien bekannten Filmstars kommt ohne eine Predigt aus. Wenn er Michael über die richtige Verwendung eines Duschvorhangs unterrichtet oder auf die korrekte Zusammenstellung von Kleidungsstücken hinweist – die Kombination von Pullover und Shorts ist schlichtweg falsch, richtig wäre ein T-Shirt und eine Jeans – bilden die Vater-Sohn-Interaktionen die komödiantischen Highlights, des ansonsten eher subtil humoristischen Films. Neben Michael selbst ist Vince Vaughns Rolle die einzige wirklich interessante Figur. Trotz der disziplinarischen Strenge, ist seine liebevolle Verbindung zu Michael immer spürbar – zum Beispiel, wenn er diesen nach einer verlorenen Schlägerei mit einem kleinen Exkurs in die Welt des Boxens wiederaufbaut. Der restliche durchaus namhafte Cast beschränkt sich eher auf eindimensionale Nebenrollen (Miranda Cosgrove aus ICARLY) oder kleine Gastauftritte (Blake Anderson aus WORKAHOLICS und Gillian Jacobs aus COMMUNITY).
Fazit
Momentaufnahmen aus dem Leben eines Teenagers, der an seinem Traum festhält. Wer nach MID90S ungeduldig auf filmischen Nachschub aus der Welt des Skatens gewartet hat, sollte jetzt die Ohren spitzen! Mit seinem Spielfilmdebüt NORTH HOLLYWOOD gewährt uns Mikey Alfred einen authentischen Blick in die urbane Skater-Szene des gleichnamigen Viertels in Los Angeles, der auch Nicht-Skater ohne Probleme in seinen Bann ziehen dürfte. Bei all den Kickflips, Nollies und 360s verliert das Drehbuch das wesentliche nicht aus den Augen und erzählt eine liebevolle Geschichte über das Erwachsenwerden und die Freundschaft. Nicht frei von Schwächen, aber sehenswert!
Originaltitel | North Hollywood |
DVD/Blu-ray – Release | 09.06.2022 |
Länge | ca. 93 Minuten |
Produktionsland | USA |
Genre | Komödie | Drama | Sport |
Verleih | EuroVideo |
FSK | unbekannt |
Regie | Mikey Alfred |
Produzierende | Mikey Alfred | Noah Centineo | Yusef Chabayta | Andrew Chennisi | Carmen Cuba | William Day Frank | Harriso Kreiss | Samuel McIntosh | Meredith Rothman | Shani Saxon | Kevin Turen | Mimi Valdes | Malcolm Washington | Pharrell Williams |
Kamera | Ayinde Anderson |
Schnitt | Flex Tsagamilis |
Besetzung | Rolle |
Ryder McLaughlin | Michael |
Miranda Cosgrove | Rachel |
Vince Vaughn | Oliver |
Nico Hiraga | Jay |
Aramis Hudson | Adolf |
Angus Cloud | Walker |
Tyshawn Jones | Isiah Jordan |
Bobby Worrest | Nolan Knox |
Blake Anderson | School Security Guard |
Arsenio Castellanos | Security Guard |
Sunny Suljic | Sunny |
Gillian Jacobs | Abigaile |
Griffin Gluck | Drew |
Thomas Barbusca | Altar Boy |
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