Rezension
gesehen im Rahmen des 72. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg
Zuverlässig durchstreifen Regenschauer das chinesische Städtchen, in welchem Ma Zhe (Zhu Yilong) seine Ermittlungen aufnimmt. Sie prägen die trübe Stimmung des Neo-Noirs wie die dunkle Lederjacke das Erscheinungsbild des abgeklärten Protagonisten. Dessen neues Büro ist in einem alten Kino, das wegen mangelnder Besucherzahlen schließen musste, eingerichtet und dessen Fall eine rätselhafte Mordserie. Schneller als sich ihm bei der Aufklärung dieser erste Spuren und Verdächtige offenbaren, zeigt sich das strikte Genregerüst des historischen Kriminalfilms, welches die Handlung erst im letzten Drittel des Films aufzubrechen versucht.
Bis dahin folgt ONLY THE RIVER FLOWS der gewissenhaften Suche und Polizeiarbeit, die sich unaufgeregt und trotz falscher Verdächtigungen sowie geheimnisvoller Hinterlassenschaften überwiegend überraschungsarm entwickelt. Formelhaft reihen sich Verhöre, polizeiliche Auswertungen und private Einblicke ins Leben des Ermittlers aneinander, ohne stereotypische Elemente der Filmgattung konsequent zu umschiffen. Je weiter sich der Fall jedoch entwickelt und scheinbar zu einer Auflösung findet, desto mehr weichen die Krimianteile einer persönlichen Auseinandersetzung mit den Begebenheiten, die zuletzt in Traumsequenzen münden, die den Film und seine Struktur dankenswerter Weise aufrütteln.
Von Mördern und Träumern
Eindringlicher als die Spurensuche nach einem Täter, dessen schlichte Charakterisierung und Geschichte wenig Raum für Tiefe oder eine nachhaltige Figurenanalyse bietet, sind die Auswirkungen des Falls auf Ma Zhe. Zwar versprechen auch die zunehmende Involviertheit des Ermittlers und die Zuspitzung privater Konflikte keine innovativen, nie dagewesenen Entwicklungen, ermöglichen dem Film jedoch zumindest in Einzelmomenten wirkungsvolle Ausrufezeichen zu setzen. Wenn Vorstellungen des Protagonisten gegen Ende mit der Realität kollidieren, er eigene Gedankenströme auf die Leinwand projiziert sieht und sich eine brennende Kamera als unheilvolles Symbol vor seine und die Augen des Publikums schiebt, zeigt sich das Potential des Films abseits einer bisweilen generischen und emotional distanziert erzählten Kriminalgeschichte.
Atmosphärisch gestärkt wird diese sowohl von stimmungsvollen 16mm-Aufnahmen als auch von postapokalyptisch angehauchten Bildern, die wiederholt verlassene oder heruntergekommene Häuser, Gänge und Hinterzimmer einfangen. Sie stehen sinnbildlich für einige Figuren, deren Schicksale sich in die Ermittlungsarbeit weben, aber oft oberflächlich bleiben. Persönliche Geschichten und moralische Zwickmühlen verschwimmen zu Beethovens vielfach verarbeiteter Mondscheinsonate mit Einblicken ins polizeiinternen Geschehen und losen Kommentaren zum Polizeiapparat. Diese bleiben überschaubar wie Ma Zhes Einrichtung in dem stillgelegten Kino. Vor dessen Schließung hätte man dort eindringlichere Werke dieses Genre genießen können. Bong Joon-hos noch zermürbenderen MEMORIES OF MURDER oder Park Chan-wooks virtuos gefilmten DIE FRAU IM NEBEL zum Beispiel.
Fazit
Wei Shujuns in verregneten Bildern melancholisch eingefangener Neo-Noir ist gediegen erzählt, zurückhaltend dargestellt und dann am interessantesten, wenn er Figuren und deren Psyche abseits seiner kaum herausragenden Krimihandlung zu erkunden versucht.
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Originaltitel | 河边的错误 |
Kinostart | 21.10.2023 |
Länge: | 102 minuten |
Produktionsland | China |
Genre: | Thriller | Drama | Krimi |
Regie | Wei Shujun |
Executive Producer | 彭瑾 |
Kamera | Zhiyuan Chengma |
Cast | 朱一龍, 曾美慧孜, Hou Tianlai, Tong Linkai, Zeng Qi, Wang Jianyu, 刘白沙, 周遊, 楚布花羯, Chunlin Mo |
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