FilmkritikDarsteller:innen und RollenDas sagen die Kolleg:innen

Originaltitel: Oxygène
DVD/Blu-ray – Release: 12.05.2021

Länge: ca. 102 Minuten

FSK 12

FSK 12 ©FSK

Produktionsland: USA | Frankreich
Regie: Alexandre Aja
Schauspieler:innen: Mélanie Laurent | Malik Zidi | Laura Boujenah
Genre: Drama | Fantasy | Sci-Fi
Verleih: Netflix Deutschland

Oxygen

Oxygen ©2021 Netflix | Shanna Besson

Sauerstoff: ein Element, das allgegenwärtig und unabdingbar für (menschliches) Leben ist. Was aber, wenn man sich einer Situation ausgesetzt sieht, bei der sich der Vorrat der lebensnotwendigen chemischen Verbindung zu Ende neigt, jegliche Panik den scheinbar unausweichlichen Tod nur noch schneller voran treibt, Rettung weit und breit nicht zu finden ist und die einzige Möglichkeit zu Überleben man selbst und sein eigenes Gedächtnis ist?

OXYGEN, der neue Film des französischen Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten Alexandre Aja, welcher 2003 internationale Bekanntheit durch den Horrorstreifen HIGH TENSION erlangte und bisher auch vielmehr durch Filme eben diesen Genres aufgefallen ist, behandelt genau dieses Schreckensszenario, das am Ende jedoch nicht nur der Protagonistin die Luft ausgehen lässt.

Darum geht es…

Liz (Mélanie Laurent) erwacht völlig orientierungslos, verwirrt und hilflos aus ihrem Kälteschlaf in einer Kryokapsel auf, eine medizinische Versorgungseinheit, die sie viel zu früh aufgrund der zuneige gehenden Sauerstoffreserve geweckt hat. Gefangen in dem beengtem Raum, den sie einzig und allein mit dem Computersystem M.I.L.O. (gesprochen von Mathieu Amalric) teilt, versucht sich Liz daran zu erinnern, wer sie eigentlich ist und wie sie sich mit Hilfe ihres Wissens, das tief in ihr schlummert aus der misslichen Lage befreien kann. Denn die Zeit ist knapp und läuft ihr unaufhörlich davon.

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Rezension

Alexandre Aja, der vielen Genrefans sicher auch durch THE HILLS HAVE EYES, MIRRORS oder zuletzt auch CRAWL ein Begriff sein dürfte, begibt sich mit seinem neuen Film auf weniger bekannte Pfade und kreiert einen Sci-Fi Thriller, der mit seinem begrenzten Handlungsspielraum zu einem klaustrophobischem Kammerspiel wird, bei dem Mélanie Laurent die Kamera ganz für sich vereinnahmt und ihren Wettlauf gegen die Zeit mit starker Präsenz zu einem nervenaufreibenden, leider jedoch auch weitestgehend bekannten Kampf ums Überleben werden lässt.

Oxygen

Oxygen ©2021 Netflix | Shanna Besson

Waren zunächst noch Anne Hathaway und Naomi Rapace im Gespräch um die Hauptrolle, musste sich Aja allerdings anderweitig umsehen, als er keine der beiden Damen für den Film verpflichten konnte und besann sich kurzerhand auf seine französischen Wurzeln zurück und drehte OXYGEN mit Laurent und Amalric, wobei letzterer für den Film lediglich seine Stimme zur Verfügung stellte.

Das große Erwachen

Unter dem Script von Christie LeBlanc, die im übrigen mit OXYGEN ihr Drehbuchdebüt feiert, ist ein Film entstanden der merklich Erinnerungen an das 2010 erschienen Thrillerdrama BURIED von Rodrigo Cortéz weckt. In beiden Fällen erwachen die Protagonisten abrupt, weder die Figuren selbst, noch das Publikum kennt die Umstände, die zu der Situation führten und erst im Verlauf fügen sich Stück für Stück winzige Puzzleteile zusammen, die am Ende über Leben und Tod entscheiden. Während Reynolds  noch versucht war physische Hilfe über eine Telefonverbindung zu mobilisieren, entfällt für Liz diese Option weitestgehend und sie muss mit Hilfe des Vitalüberwachungssystem M.I.L.O. ihre Erinnerungslücken schließen, die ihr den Weg zum Überleben weisen könnten. Das Szenario, bei dem das Leben auch von einem Computersystem abhängt, erinnert dabei auch unweigerlich an Kubricks 2001 – A SPACE ODYSSEY. Damals erschwerte der sogenannte HAL Computer den Astronauten das Leben und entwickelte ein furchteinflößendes Eigenleben.

Oxygen

Oxygen ©2021 Netflix | Shanna Besson

Auch wenn M.I.L.O. dies in Aja’s OXYGEN in der Form nicht tut und in den allermeisten Fällen mit Passivität in Erscheinung tritt, so hat das System mit ihrer meist uniformen Stimmlage trotzdem etwas nahezu bedrohliches an sich. Das Misstrauen, die aufsteigende Panik und die Hilflosigkeit die Liz spürt, fängt der Regisseur dabei immer wieder in seichten Kamerabewegungen ein, die Laurent durchweg auf äußerst kurzer Distanz umkreisen und den sehr begrenzten Bewegungsradius dennoch bis in jeden Winkel ausnutzen. Das Gefühl von Eingesperrt sein und nur wenigen Zentimetern Raum verstärkt sich mittels der Kameraarbeit deutlich, kommt aber in dieser Intensität nie voll bei seinem Publikum an und erreicht auf emotionaler Ebene nicht die wünschenswerte Durchschlagskraft. Zu vertraut sind die erzählerischen und visuellen Elemente deren man sich hier während der Laufzeit bedient. Wenngleich es sich der Regisseur dabei nicht ganz nehmen lässt, auch in diesem Film einige Szenen einzubauen, die dem Horrorgenre sehr viel ähnlicher sind, so können weder plötzlich auftauchende Ratten oder wabernde körperähnliche Versuchsobjekte ausreichend Spannung hinzufügen, noch genügen diese als kleine Jumpscares, die unter anderem die Wahnvorstellungen von Liz hätten untermauern können.

Oxygen

Oxygen ©2021 Netflix | Shanna Besson

Es war abzusehen

Das schwerwiegendste Problem, an dem OXYGEN allerdings zusehend leidet, ist jedoch nicht in der audiovisuellen Ausgestaltung zu finden, sondern in dem zu gradlinig aufgebauten Spannungsbogen, der den nahenden Twist, sowie dessen endgültige Auflösung, nicht ganz so gut verschleiert und gerade wenn man die erst vor kurzem erschienene Netflixproduktion THE SOUL gesehen hat, lässt sich tatsächlich bereits im Ansatz erahnen, welche Erkenntnis sich Liz am Ende offenbaren wird.

Kammerspielthriller wie zuletzt THE GUILTY beweisen insgesamt ein besseres Gespür dafür, wie man das Publikum bis zum Schluss fesselt und sie mitnimmt auf eine hautnah erfahrbare Zerreißprobe.

Oxygen

Oxygen ©2021 Netflix | Shanna Besson

FAZIT

Oxygen glänzt mit einer beeindruckenden One-Woman-Show von Mélanie Laurent, die auf engsten Raum die Kamera optimal für sich beansprucht und den dramatischen Überlebenskampf einer Frau porträtiert. Trotz überzeugender audiovisueller Ausgestaltung, schwächelt Oxygen an der zu vertraut vorkommenden Erzählweise und schafft es damit kaum adäquat Spannung aufzubauen, um mit dem nahenden Twist das Publikum vollends mitzunehmen. So treibt Oxygen im soliden Mittelfeld, bevor ihm letztendlich doch die Luft ausgeht.

Schauspieler:in Rolle
Mélanie Laurent Elizabeth “Liz” Hansen
Malik Zidi Léo Ferguson
Laura Boujenah Alice Hansen
Eric Herson-Macarel Capitaine Moreau
Anie Balestra Femme agée
Marc Saez Inspektor
Cathy Cerda Alice âgée
Lyah Valade Liz enfant
Mathieu Amalric M.I.L.O
Pascal Germain
Marie Lemiale


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