Review
Aus dem Federkleid eines Cuvivíe, aufgrund seines ungewöhnlichen Verhaltens auch Selbstmord-Vogel genannt, entspinnt sich Joe Houlberg Silvas Dokumentarfilm über Leben und Traditionen der Ozogoche-Gemeinschaft. Diese lebt abgeschieden von Großstädten, aber nicht abgeschnitten vom Rest der Welt in den ecuadorianischen Anden. Smartphones und Videos aus anderen Ländern öffnen allen voran der jungen Generation einen Blick in andere Winkel der Welt. Ruhige, nahbare Aufnahmen beobachten das Aufeinandertreffen dieser und der traditionsbewussten Alltagswelt der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen.
Es sind nur wenige Tage, die der Cuvivíe einmal im Jahr braucht, um von den Vereinigten Staaten bis in die ecuadorianischen Anden zu fliegen und dort in einem der Gemeinschaft nahegelegenen See seinen Tod zu suchen. Sein Schicksal schlägt sich in vielen Bildern des Films wieder, ohne dass dieser die Lebens- und Sterbeweise des Vogels aus biologischer oder verhaltenstheoretischer Sicht analysiert. Stärker im Fokus steht gemäß des Titels das Leben der ansässigen Gemeinschaft: Momentaufnahmen von Kindern beim Spielen, Lernen und Kochen, von Erwachsenen, die im Nebenzimmer häkeln; Momentaufnahmen von Gesprächen unter den Einwohner*innen, deren eigene Adaption des Selbstmord-Vogels, deren Konfrontation mit der globalisierten Welt, dem Klimawandel, der von der Kolonialisierung geprägten Vergangenheit und der vom Kapitalismus beeinflussten Gegenwart.
Unter eindrucksvollen Naturaufnahmen schwindet in Silvas gemächlicher Dokumentation zwar ein konkreter Gegenstand, aber nie die Faszination für die naturnahe Lebensrealität der Bewohner*innen. Diese erklimmt die Leinwand in eindrucksvollen, zum Teil wolkenverhangenen Aufnahmen, die nie poliert oder stilisiert werden, sondern matte Farben zu authentischen Panoramen zusammensetzen. Fügt sich doch einmal ein visueller Ausreißer in die ruhigen Bilder, wie im letzten Drittel ein neongelbes Gotteshaus, ist das sowohl Teil der religiösen Entwicklung hin zum Christentum als auch Teil einer unterschwellig an Einfluss gewinnenden surrealen Erzählkraft.
Jene schleicht sich als unkonventionelle Zwischenspiele wiederholt unter die angerissene Genese der Gemeinschaft und Alltagsgespräche über Traditionen, beiläufige Todesmeldungen und entfernte Verwandte und trägt zur Trennunschärfe von dokumentarischer sowie gestellter und verfremdeter Erzählweise bei. Ebenen, die in OZOGOCHE mitunter ineinander zu fließen scheinen.
Fazit
Mit mehr Gesellschaftsskizzen als Tierporträt entpuppt sich Joe Houlberg Silvas OZOGOCHE als gemächliche Gemeinschafsstudie zwischen Tradition und Moderne, – kein neues, aufregendes Unterfangen, aber eines mit naturnaher und gelegentlich auch surrealer Bildkraft.
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Originaltitel | Ozogoche |
Kinostart | 9.11.2023 |
Länge: | 77 minuten |
Produktionsland | Belgium |
Genre: | Dokumentarfilm |
Regie | Joe Houlberg |
Producer | Andrés Cornejo Pinto | Joe Houlberg | Ellen De Waele | Mirna Everhard |
Kamera | Pablo Secaira |
Cast |
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