FSK 16 ©FSK

Originaltitel: Promising Young Woman
Kinostart: 19.08.2021

Länge: ca. 113 Minuten
Produktionsland: USA | Vereinigtes Königreich
Regie: Emerald Fennell
Schauspieler:innen: Carey Mulligan | Bo Burnham | Alison Brie
Genre: Drama | Thriller | Krimi
Verleih: Universal Pictures Germany

Promising Young Woman ©2021 Universal Pictures International Germany – All rights reserved.

Mit ihrem zweiten Regiewerk (erste Langfilm Regie) hat Emerald Fennell bereits einen großen Coup gelandet. Nachdem sie selbst schon als Schauspielerin in Filmen wie ANNA KARENINA und THE DANISH GIRL begeistern konnte, hat ihr neuer Film PROMISING YOUNG WOMAN weltweit für Aufregung bei allen möglichen Filmfestivals und Preisverleihungen gesorgt. So wurde das Werk bei den Golden Globes vierfach nominiert und bei den Oscars sogar fünffach. Zudem wurde bei letzterem Event die Auszeichnung zum besten Originaldrehbuch an den hiesigen Film verliehen. Tatsächlich waren die Voraussetzungen dafür schon früh gegeben, denn noch 2018 stand das Drehbuch auf der „Blacklist der besten unverfilmten Ideen Hollywoods“. Produziert wurde der Film unter anderem von der Firma LuckyChap Entertainment und deren Besitzerin Margot Robbie, die aktuell in THE SUICIDE SQUAD wieder die Comic-Fans begeistert.

Auch in der Rollenverteilung hielt man sich nicht gerade zurück und konnte mit Carey Mulligan und Bo Burnham zwei sehr talentierte junge Schauspielende gewinnen. Burnham ist gerade auf Netflix ein gern gesehener Comedy-Star mit seinen kürzlich veröffentlichten Werken BO BURNHAM: WHAT., BO BURNHAM: MAKE HAPPY und BO BURNHAM: INSIDE. Nicht zuletzt ist er aber auch Regisseur des häufig unter Wert verkauften Films EIGTH GRADE. Doch auch die Nebenrollen sind prominent besetzt mit zum Beispiel Alison Brie, die im vergangenen Winter viel weihnachtliche Stimmung mit HAPPIEST SEASON verbreiten konnte und mit HORSE GIRL und THE RENTAL – TOD IM STRANDHAUS noch zwei weitere Filme im gleichen Jahr realisierte.

Darum geht es…

Wer Cassie kennt, weiß, dass sie eine junge sympathische Frau ist, die eigentlich von allem im Leben ein wenig genervt ist, noch immer bei ihren Eltern wohnt und die Zeit auf Arbeit im Coffeeshop gerne entspannt verbringt und die Getränke mit einigen anmaßenden und nicht gerade serviceorientierten Sprüchen versetzt. Wer jedoch erstmalig auf sie trifft, wird sie zumeist in einer Bar antreffen, wo sie scheinbar vollkommen besoffen in einer Ecke liegt und jeden Abend von einem anderen Typen abgeschleppt wird. Doch der Schein kann schnell trügen, denn schon früh musste sie in ihrem Leben lernen, dass Männer Schweine sein können, und hat es sich somit zur Aufgabe gemacht, diesen Geschöpfen eine Lektion zu erteilen, die sie nicht vergessen werden.

Rezension

Mit PROMISING YOUNG WOMAN hat Emerald Fennell einen Film geschaffen, der für reichlich Diskussionsstoff sorgen wird und schon jetzt sorgt. In wenigen Worten zusammengefasst, bekommen wir ein Werk präsentiert, welches über die gesamte Laufzeit eine enorme Spannung aufbaut – und das durch ein ganz einfaches Mittel, denn nur in kleinen Häppchen wird das Publikum mit Informationen gefüttert und die Hauptfigur bleibt lange Zeit sehr mysteriös. Schon in der Anfangsphase kriegen wir einen spontanen Charakterwechsel gezeigt, welcher recht unerwartet kommt und dennoch eine kraftvolle Intensität ausstrahlt, die sogleich ein positives Gefühl hinterlässt, bei welchem die Neugier angeregt wird mehr von der Person zu erfahren. Dann jedoch nimmt sich der Film die Zeit und führt auch die anderen Figuren Stück für Stück ein und entwickelt sich teilweise eher in eine leichte Romanze mit charmanten Comedy-Elementen.

Promising Young Woman ©2021 Universal Pictures International Germany – All rights reserved.

Es ist tatsächlich nicht leicht viel über den Film auszusagen, ohne elementare Teile der Handlung zu erwähnen. Deutlich wird jedoch schnell, dass wir es in der Protagonistenrolle mit einer Soziopathin zu tun haben, deren Vergangenheit lange verheimlicht wird und welche nur unterschwellig in die Geschichte eingebaut wird, so dass man schon sehr genau aufpassen muss, um die Motive von Carey Mulligans Figur zu verstehen. Ein wesentlicher Aspekt ihrer Persönlichkeit ist ein exzessiver Männerhass. Wobei dies nicht einmal so recht stimmt, denn sie verabscheut nicht alle Männer gleichermaßen, doch hat sie ein massives Problem mit den Männern, die die Schwächen einer Frau ausnutzen für den eigenen Vorteil. Oder auch kurz: Die Frauen betrunken machen, um ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse zu stillen. Tatsächlich hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Personen einen Denkzettel zu verpassen und mit der Zeit erfahren wir, dass da noch viel mehr dahintersteckt.

Ein schwieriges Gesellschaftsproblem

Tatsächlich jedoch wabert hier ein recht schwieriges Thema drin. Ohne Frage ist jede Form von Missbrauch und Handlung gegen den Willen einer Person zu verurteilen. Und natürlich werden in diesem Film einige Szenerien skizziert, die eindeutiger Natur sind und keinerlei Diskussion bedürfen. Gleichzeitig gibt es jedoch auch das Problem der Willensäußerung sexueller Akte und die anschließende Einordnung. So kommt recht schnell die provokante Frage auf: Wenn eine Frau unter Alkoholkonsum keinen Widerstand gegen eindeutige sexuelle Annäherungen äußert, darf sie dies dann auch im Nachhinein noch als sexuellen Missbrauch bezeichnen, weil dies nicht dem Willen ihrer nüchternen Persönlichkeit entsprach? Dürfte somit Geschlechtsverkehr unter Alkoholkonsum generell nicht mehr stattfinden, um die Gefahr einer anfänglichen Fehleinschätzung zu vermeiden? Gerade ich als Mann stelle mir ähnliche Fragen, denn ich möchte mein Gegenüber nicht verletzen und dennoch ist es nicht unüblich, dass Dates oder Kennenlernen jeglicher Art auch mit Alkoholgenuss und Sex verknüpft sein können.

Für einen Mann ist das der schlimmste Alptraum, so eine Anschludigung! – Jetzt rate mal, was für eine Frau der schlimmste Alptraum ist.

Promising Young Woman ©2021 Universal Pictures International Germany – All rights reserved.

Doch kommen wir zurück zum Thema des Films, der diese Problematik zwar auch andeutet, doch letztlich nur sehr beiläufig einfließen lässt und sich stattdessen zu einem spannenden Thriller entwickelt mit einigen unerwarteten Ereignissen. Das Werk bietet uns teilweise recht lange und eindringliche Aufnahmen, die es schaffen ihre extreme Wirkung zu entfalten und durch die starke musikalische Untermalung noch einmal zu steigern. Die Musik ist dabei an diversen Klassikern angelegt und stellt eine Neuinterpretierung in teilweise erheblich verändertem Tempo dar. Herzstück von Promising Young Woman ist natürlich Carey Mulligan, die in gnadenloser Perfektion die zwei völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten ihrer selbst verkörpert und damit nicht nur das Publikum immer wieder täuscht und überrascht.

Fazit

Doch letztlich fragt sich, wie stark der Film wirklich ist. Er hat eine gute und wichtige Geschichte, die auch interessant inszeniert wurde und Unterhaltungscharakter bietet. Zudem liefert uns das Werk einen hervorragenden Twist, der zudem gnadenlos zu Ende erzählt wird und sich dadurch von vielen anderen Werken abhebt. Doch in einer etwas länger zurück liegenden Betrachtung gibt es nicht sehr viel, was wirklich hängen bleibt und somit deutlich zeigt, dass er zwar kurzweilig ist, aber eben auch nur einen kurzen Moment der Unterhaltung bringt und vor allem es nicht schafft seiner eigentlich wichtigen Aussage großen Nachdruck zu verleihen. Der Film trifft absolut den gegenwärtigen Zeitgeist und wird daher wohl auch so überschwänglich aufgenommen, wird aber voraussichtlich auch im kommenden Jahr schon wieder vergessen sein.

Starke Frauen und ihre Geschichten sind thematisch aktueller denn je und finden derzeitig in den Kinoproduktionen immer mehr Raum sich zu entfalten. So auch Carey Mulligan, die nicht nur als Darstellerin beeindruckendes leistet, sondern auch in der hiesigen Rolle als Cassie den Männern zeigt, wo der Haken hängt. Und das kann sogar fast wörtlich genommen werden, denn dem Drang folgend durch die eigene Historie der Männerwelt einen Denkzettel zu verpassen und Aufklärung und Genugtuung zu suchen, bekommen wir ein spannendes Zusammenspiel zweier Persönlichkeiten, einer leidenschaftlichen Liebe und einer aufregenden wegweisenden Story, gekrönt mit einem unerwarteten Twist. Doch tatsächlich ist der Film auch kritisch zu betrachten, da er zwar den Zeitgeist perfekt trifft, aber eben auch eine schwierige Debatte eröffnet, vor die die Männerwelt zunehmend gestellt wird: Wann ist ein Ja ein Ja? Trotz, dass der Film sich sehr angenehm und locker leicht herunterguckt und dabei eine durchaus lebhafte Spannung Einfluss findet, fehlt doch irgendwie das gewisse Etwas, welches die Einzigartigkeit symbolisiert. Tatsächlich ist es nämlich so, dass nur wenige Tage nach Sichtung des Films schon recht viel von den Emotionen aus dem Gedächtnis verschwunden ist und ich mich selbst frage: warum hat mir das Werk beim Schauen noch einmal so gut gefallen?

Original title: Promising Young Woman
Theatrical release: 19.08.2021

Length: approx. 113 minutes
Country of production: USA | United Kingdom

FSK 16 ©FSK

Director: Emerald Fennell
Actors: Carey Mulligan | Bo Burnham | Alison Brie
Genre: Drama | Thriller | Crime
Distributor: Universal Pictures Germany

With her second directorial work (first feature film director) Emerald Fennell has already landed a big coup. Having already thrilled audiences as an actress in films such as ANNA KARENINA and THE DANISH GIRL, her new film PROMISING YOUNG WOMAN has caused a stir at all kinds of film festivals and awards ceremonies worldwide. It was nominated four times at the Golden Globes and five times at the Oscars. Moreover, at the latter event, the award for Best Original Screenplay was presented to the local film. In fact, the prerequisites for this were in place early on, as the screenplay was still on the “Blacklist of Hollywood’s Best Unfilmed Ideas” in 2018. The film was produced, among others, by the company LuckyChap Entertainment and its owner Margot Robbie, who is currently thrilling comic fans again in THE SUICIDE SQUAD.

They didn’t exactly hold back when it came to casting either and were able to secure two very talented young actors in Carey Mulligan and Bo Burnham. Burnham is a popular comedy star on Netflix with his recently released BO BURNHAM: WHAT., BO BURNHAM: MAKE HAPPY and BO BURNHAM: INSIDE. Last but not least, he is also the director of the often undersold film EIGTH GRADE. But the supporting roles are also prominently cast with, for example, Alison Brie, who was able to spread a lot of Christmas spirit last winter with HAPPIEST SEASON and realised two more films in the same year with HORSE GIRL and THE RENTAL.

That’s the story about

Those who know Cassie know that she is a young likeable woman who is actually a bit annoyed by everything in life, still lives with her parents and likes to spend her time at work relaxing in the coffee shop and spiking the drinks with some pretentious and not exactly service-oriented sayings. However, anyone who meets her for the first time will mostly find her in a bar, where she seems to be lying in a corner completely drunk and getting towed by a different guy every night. But appearances can quickly be deceptive, because early on in her life she had to learn that men can be pigs, and has thus made it her mission to teach these creatures a lesson they won’t forget.

Review

With PROMISING YOUNG WOMAN, Emerald Fennell has created a film that will provide plenty of material for discussion and is already doing so. Summarised in a few words, we are presented with a work that builds up enormous tension over the entire running time – and this by a very simple means, because the audience is only fed information in small morsels and the main character remains very mysterious for a long time. Already in the opening phase we are shown a spontaneous character change, which is quite unexpected and yet radiates a powerful intensity, which immediately leaves a positive feeling, in which the curiosity is stimulated to learn more about the person. Then, however, the film takes its time and introduces the other characters bit by bit as well, developing at times into more of a light romance with charming comedy elements.

It is actually not easy to say much about the film without mentioning elementary parts of the plot. However, it quickly becomes clear that we are dealing with a sociopath in the protagonist role, whose past is concealed for a long time and which is only built into the story subliminally, so that one has to pay very close attention in order to understand the motives of Carey Mulligan’s character. An essential aspect of her personality is an excessive hatred of men. Although this is not even really true, because she does not detest all men equally, she has a massive problem with men who exploit a woman’s weaknesses for their own advantage. Or in short: getting women drunk to satisfy their own sexual needs. In fact, she has made it her mission to teach these people a lesson, and over time we learn that there is much more to it than that.

A difficult social problem

In fact, however, there is a rather difficult issue wafting in here. Without question, any form of abuse and action against a person’s will is to be condemned. And of course, some scenarios are outlined in this film that are of an unambiguous nature and do not require any discussion. At the same time, however, there is also the problem of the expression of the will of sexual acts and the subsequent classification. So the provocative question comes up quite quickly: If a woman expresses no resistance to explicit sexual advances while under the influence of alcohol, is she allowed to call this sexual abuse afterwards because it did not correspond to the will of her sober personality? Would this mean that sexual intercourse under the influence of alcohol would generally no longer be allowed to take place in order to avoid the danger of an initial misjudgement? As a man, I ask myself similar questions, because I don’t want to hurt my counterpart and yet it is not unusual that dating or getting to know someone of any kind can also involve drinking alcohol and having sex.

But let’s get back to the subject of the film, which also hints at this issue, but ultimately only incorporates it very casually and instead develops into a suspenseful thriller with some unexpected events. The work offers us sometimes quite long and haunting shots, which manage to unfold their extreme effect and are further enhanced by the strong background music. The music is based on various classics and represents a reinterpretation in sometimes considerably altered tempo. The centrepiece of Promising Young Woman is, of course, Carey Mulligan, who embodies the two completely different personalities of herself with merciless perfection, thus deceiving and surprising not only the audience time and again.

Conclusion

But in the end, the question is how strong the film really is. It has a good and important story, which is also interestingly staged and offers entertainment character. Moreover, the work provides us with an excellent twist, which is also mercilessly told to the end and thus stands out from many other works. However, in a more recent viewing, there is not much that really sticks and thus clearly shows that it is entertaining, but also only provides a brief moment of entertainment and, above all, does not manage to lend great emphasis to its actually important message. The film is absolutely in tune with the current zeitgeist, which is probably why it was so enthusiastically received, but it will probably be forgotten by next year.