Originaltitel: Mr. Jones
DVD/Blu-ray – Release: 10.12.2020
Länge: ca. 118 Minuten
Produktionsland: Polen | Vereinigtes Königreich | Ukraine
Regie: Agnieszka Holland
Schauspieler: James Norton | Vanessa Kirby | Peter Sarsgaard
Genre: Biografie | Drama
Verleiher: Koch Films
Gareth Jones, geboren am 13.08.1905, wurde gerade einmal einen Tag vor seinem 30. Geburtstag mit Schüssen in den Hinterkopf tot aufgefunden. Doch dieses kurze Leben reichte, um ihn international in die Schlagzeilen zu bringen und ihn, zu einer kleinen Berühmtheit zu machen. Schlagzeilen ist dabei nämlich ein spannendes Stichwort, denn Jones war britischer Journalist. Er reiste bereits im Sommer 1931 erstmalig in die Sowjetunion gefolgt von einer zweiten Reise im März 1933. Beide Male musste er schreckliches erblicken, denn die Menschen in Russland, der Ukraine und Kasachstan litten großen Hunger und verstarben in unfassbar großen Zahlen. Dies wurde jedoch stets dementiert, denn die sowjetische Regierung war bestrebt in den Völkerbund aufgenommen zu werden. Zudem wollten einige westliche Staaten diplomatische Beziehungen aufbauen und vertuschten somit die Berichte und versuchten mit entsprechenden Gegendarstellungen Gareth Jones unglaubwürdig zu machen.
Bekannt wurde diese Hungersnot schließlich unter dem Namen Holodomor, was wörtlich so viel heißt wie Tötung durch Hunger. Der Parteikader erhöhte 1932 die Abgabenquote der Bauern, die sowieso schon an einer anhaltenden schweren Dürre zu knabbern hatten. Das Getreide wurde genutzt, um damit am Weltmarkt Devisen zu beschaffen und somit Einnahmen zu generieren für die Industrialisierung und Rüstungszwecke. Diese Abgaben wurden erbarmungslos eingetrieben. Damit wurde aber gleichzeitig der Bevölkerung die Lebensgrundlage so arg gekürzt, dass es teilweise sogar zu Kannibalismus kam. Insgesamt gab es mehrere verschiedene Berechnungsmodelle für die Gesamtzahl der Toten. Die Anzahl schwankt somit von 2,4 Millionen bis zu 14,5 Millionen Menschen, wobei in letzterem Fall auch Geburtenverluste und Opfer der Kollektivierung sowie Entkulakisierung eingerechnet sind. So oder so war dies eine tragische sowie auch unverzeihliche Entwicklung!
Darum geht es…
In RED SECRETS – IM FADENKREUZ STALINS wird nun eben jener Gareth Jones auf seiner Reise begleitet und dem Publikum ein Einblick in die Erlebnisse verschaffen, die er damals erdulden musste. Doch auch der politische Kampf findet hier eine Bühne und es wird umfangreich geschildert, wie systematisch versucht wurde Jones‘ Berichte zu unterdrücken, seine Recherche zu erschweren und seine Erlebnisse zu widerlegen. All dies wird aber nicht dokumentarisch erzählt, sondern in Form eines Spielfilms, der versucht anhand seiner Publikationen sowie existierenden Berichten sich an der originalen Geschichte entlang zu hangeln.
Rezension
Ich bin nun tatsächlich mal wieder in einem persönlichen Zwiespalt. Ein Zwiespalt zwischen dem Eindruck eines ätzend langweiligen und unschön anzusehenden Spielfilms und den sprachlos machenden und unglaublichen Berichten, die dieses Werk erzählt. Es ärgert mich geradezu, dass bei so einem wichtigen Thema ausschließlich Wert auf die Story gelegt wurde und nicht auf die filmischen Aspekte. Es ist ja wunderschön, einen Film zu kreieren, der eine wichtige Geschichte erzählt, aber was bringt dies, wenn diesen letztlich niemand guckt, weil er einfach nicht so recht auszuhalten ist? Aber fangen wir besser erst einmal vorne an.
Die Handlung wird als eine Art Memoiren erzählt. Wir haben also einen Erzähler, der daran sitzt, die Geschichte des Gareth Jones schriftlich festzuhalten, woraufhin der Film immer wieder in eben jene Geschichte eintaucht. Was folgt ist ein, im wahrsten Sinne, kalter Krieg – nicht jedoch zwischen dem Westen und dem Osten, wie wir ihn alle aus eigenen Erfahrungen oder dem Geschichtsunterricht kennen, sondern der Kampf von Gareth Jones gegen die Politik, gegen die Medien und gegen Hunger und Kälte. Im Prinzip ein fast schon aussichtsloses Unterfangen. Als eine meiner ersten Notizen habe ich mich aufgeschrieben: ein bisschen wie DAS LEBEN DER ANDEREN. Im Nachhinein betrachtet sind die Werke natürlich qualitativ nicht im Ansatz vergleichbar und doch erhalten wir Einblick in die ekligen Machenschaften, bei denen eine Regierung auch vor Abhörung nicht zurückschreckte und es den Menschen so schwer wie möglich machte gegen die Obrigkeit mit Faktenwissen anzugehen.
Realität oder Erfindung?
Zeitgleich wirkte das ganze Geschehen in RED SECRETS – IM FADENKREUZ STALINS leider sehr unwahr und äußerst an den Haaren herbeigezogen – fast schon als eine Verteufelung der Sowjetunion im strengsten Maße. Zudem schien die erzählte Geschichte maßlos übertrieben und überzogen, weshalb es absolut schwer war sich überhaupt damit zu identifizieren. Auch schauspielerisch konnte ich leider zu keinem Zeitpunkt eine richtige Verbindung zum Protagonisten aufbauen, was natürlich auch sehr mein Meinungsbild zum gesamten Film prägt. Jetzt kommt jedoch das Aber: Nach allen angestellten Anschlussrecherchen haben sich viele Ereignisse genau so zugetragen oder sind zumindest nicht überdramatisiert wurden. So schockierte es mich, als kleine Kinder Lieder über den Kannibalismus sangen, nur um kurz darauf feststellen zu müssen, dass dieser tatsächlich extremen Einzug in die sowjetischen Gefilde gehalten hat und den Menschen keine andere Wahl blieb.
Auch die Ausbeutung der Bauern und Zerstörung von Eigentum und viele andere grausame Elemente schienen zu arg konstruiert, was es umso schrecklicher macht, sobald man die Bestätigung dazu nachliest. Doch genau hier sind wir wieder bei meinem Dilemma – reicht dies um als guter Film zu gelten? Ich sage nein, denn der Film ist eine Kunst, die mit Bildern und Tönen Geschichten erzählt. Es reicht also nicht einfach nur eine gute Geschichte zu haben, die dann visuell und akustisch auf ganzer Linie versagt und es nicht schafft Emotionen, Bindungen oder gar Begeisterung zu transportieren. Und genau daran hapert es hier. Wir bekommen ein düsteres, tristes, farbloses und schwach koloriertes visuelles Gebilde gezeigt, dass schon fast einem schwarz-weißen Film gleicht und nur dafür dient dem Zuschauer ein Gefühl für die Zeit zu bieten, dabei aber jeglichen Charme und Idee für eine Bildkomposition auslässt.
Filme leben von Bildern
Klar kann an dieser Stelle gesagt werden, dass genau dies doch auch das Ziel war, denn das Bild sollte ja gar nicht charmant oder etwas in der Art sein, sondern ein Spiegel der Zeit. Doch wenn die Bilder eben inhaltlich nicht mehr zulassen, wäre es doch naheliegend andere Ebenen zu finden, die die Zuschauenden begeistern. Die Art des Kameraeinsatzes zum Beispiel, der Score, der ebenfalls extremen Einfluss auf die Bindung zur Handlung haben kann oder eben die schauspielerische Aufwartung. Leider kann all dies der Film nicht bieten und krönt die Unattraktivität dann auch noch in einem unschönen Erzähltempo, welches die Einschlafgefahr vorprogrammiert. Entweder muss also im Film ordentlich gekürzt werden, denn das genutzte Material gibt einfach keine zwei Stunden Film her, oder das Erzähltempo deutlich erhöht werden und mit mehr Handlung gefüllt werden (denn es gibt ja noch abseits vom gezeigten viel mehr interessante Entwicklungen um den Journalisten herum).
Fazit
Es bleibt also ein sehr wichtiger und interessanter Film, der unglaubliche Einblicke in eine Zeit liefert, die heute schon weitestgehend vergessen scheint und durch klare Direktheit den Zuschauer gelegentlich schockiert. Es bleibt aber auch ein Film, der es nicht schafft, kinematographisch das Publikum zu fesseln und Neugier für die Handlung zu entwickeln, sondern eher dafür, dass man sich immer wieder fragt, wann das Geschehen endlich ein Ende fände. Zudem ist einfach bei mir absolut nichts von RED SECRETS – IM FADENKREUZ STALINS hängen geblieben und das sehe ich nicht als gutes Zeichen an. Dennoch würde ich mir wünschen, dass die Geschichte noch einmal neu aufgelegt wird und der tragischen Handlung angemessen in Szene gesetzt würde.
Filme über die Zeit des zweiten Weltkrieges gibt es zuhauf. Niemand mag sie mehr sehen und dennoch drehen alle Filmstudios fleißig weiter irgendwelche Storys aus diesem unschönen Part der Historie. Auch mit Red Secrets – Im Fadenkreuz Stalins erhalten wir eine weitere krisenbelastete Handlung, die schwer auf den Magen schlagen kann, doch sie gleicht nicht dem üblichen Erzählbild. Vielmehr wird vom Leiden der sowjetischen Bevölkerung berichtet, welches angesichts der Machenschaften in Deutschland immer wieder vergessen wird zu erwähnen. Gleich mehrfach wirkten einige Entwicklungen unrealistisch, übertrieben und absurd, was es umso schrecklicher machte, als Recherchen dann ergaben, dass diese genauso oder zumindest ähnlich tatsächlich stattfanden. Doch reicht das für einen guten Film? Leider nicht, denn nur weil wir hier eine tragische, aber dennoch erzählenswerte Geschichte vorgesetzt bekommen, sehen wir noch lange kein Filmerlebnis, dass uns packt und anreizt weiter zu forschen und damit hat das Werk sein Ziel verfehlt. Gelangweilt und uninspiriert habe ich den Film beendet und mich darüber geärgert, dass mutwillig Szenen amateurhaft zusammengeschnitten wurden (Seit wann wird schließlich erst geschossen und dann das Opfer davor gewarnt?). Fragt sich ob er der Film zu empfehlen sei: Ich würde eher sagen, ihr solltet euch die Handlung einmal genauer anschauen und erforschen – auf den Film kann man dabei aber getrost verzichten!