Am 24.02.2022 erwartet uns das türkische Drama SAF vom türkischen Regisseur Ali Vatansever. Es handelt sich hierbei um Vatansevers zweite Regiearbeit, die eine deutsche, rumänische und türkische Koproduktion ist. SAF hatte seine Premiere 2018 auf dem Toronto International Film Festival. In Deutschland sind selten türkische Filme in den Kinos zu sehen, obwohl es in deutschen Filmen viele Personen gibt, die eine entsprechende Abstammung haben. Einer der bekanntesten ist hierbei der Regisseur Fatih Akin. Der Filmtitel und türkische Begriff SAF hat laut Regisseur Ali Vatansever mehrere Bedeutungen. Zum einen kann man es als naiv, genial oder als ein bisschen verrückt verstehen. Für den Regisseur ist die Interpretation, dass SAF als „Stellung beziehen“ verstanden werden kann am geeignetsten gewesen. Laut Vatansever trifft es den Kern seines Films am besten. Denn in seinem Film geht es vor allem um seine Charaktere, die gezwungen werden, in der Situation, in die sie hineingeworfen werden, Stellung zu beziehen.
Darum geht es…
Kamil (Erol Afsin) ist ein liebenswerter Ehemann und vertrauensvoller Arbeiter. Er nimmt einen Job auf einer Baustelle in der Nähe seines Heimatorts an. Als einer der Menschen, die sich gegen die städtische Wandlung wehren, trifft er hierbei auf seine Prinzipien. Aufgrund der Lebenssituation in der sich Kamil und seine Ehefrau Remziye (Saadet Aksoy) befinden, sah er sich gezwungen den Job anzunehmen. Anfangs läuft alles nach Plan, doch nach kurzer Zeit erfährt Kamil, dass er den Job von einem syrischen Flüchtling (Kida Khodr Ramadan) übernommen hat. Er möchte seine Stelle zurückhaben, was Kamil nicht zulassen möchte. Kann sich Kamil gegen die Angst sein Job zu verlieren und gegen den Hass seiner Nachbarschaft wehren? Kamil ist auf sich allein gestellt und ist sichtlich verzweifelt, wie sein Leben langsam beginnt zu zerfallen…
Rezension
Als jemand der mit dem türkischen Kino so gut wie gar nicht vertraut ist, war ich ein wenig überrascht wie leicht es mir fiel in die Welt von SAF einzutauchen. Zum einen ist es die Inszenierung des Films, die vieles dazu beiträgt. Mir hat die ernüchternde und bodenständige Inszenierung sehr gefallen. Ich konnte mich sehr gut in die Charaktere hineinversetzen, denn der Film beginnt gleich damit, die Lebenslage von Kamil vor Augen zu führen. Hierbei stellt uns der Film eine türkische Gesellschaft vor, die durch den Umbau einer Großstadt mit dessen Folgen konfrontiert wird. Sie werden buchstäblich aus ihren Wohnungen verdrängt und haben mit der täglichen Angst zu kämpfen, dass ihr Leben zerstört wird. Die zwei Hauptpersonen Kamil und Remziye befinden sich in so einer Lage und dies wird meines Erachtens beachtlich porträtiert, ohne auf überspitztes Drama zu setzen. Der Fokus aufs Wesentliche erlaubt es dem Film die Charaktere nachvollziehbar handeln und entwickeln zu lassen.
Konfrontation
Vatansevers lässt seine beiden Hauptcharaktere mit vielen Situationen konfrontieren und dabei erlaubt es sich die Kamera oft nah an den Momenten dranzubleiben. In SAF gibt es Szenen, die eine lange Einstellung auf die Charaktere haben und diese ohne Hintergrundmusik zeigen. Wir begleiten Kamil und Remziye auf ihren Weg und der Film lässt viel Raum offen für ihre Entscheidungen. Auch wenn die Handlung sehr dünn ist, sind es die Charaktere und deren Umfeld die vieles für die Atmosphäre beitragen. Die Gefühle sind greifbar und an manchen Stellen hat der Film mir vor Augen geführt, dass in so vielen Ländern Menschen mit einer ähnlichen Situation konfrontiert werden. Es sind vor allem unsere Werte, die uns Menschen zusammenhält und wie diese durch den Lebensumfeld zerstört werden, ist Vatansever hervorragend gelungen zu zeigen.
Alle wollen Arbeit, um Essen zu können. Da sind wir alle gleich.Saf
Sensible Herangehensweise
Ich hatte das Privileg, Erol Afsin und Saadet Aksoy das erste Mal spielen zu sehen. Die Sensibilität, die ihre Charaktere in SAF aufweisen, haben Afsin und Aksoy meines Erachtens auf eine sehr ansprechende Weise widergespiegelt. Vor allem Saadet Aksoys Rolle erblüht in der zweiten Hälfte sehr, worauf ich hier nicht genauer eingehen möchte. Doch eines sei gesagt, das Interesse ist auf jeden Fall für ihre kommenden Projekte da. Während man Erol Afsin das ängstliche, zwiegespaltene und ehrliche seines Charakters abkauft, ist es Saadet Aksoys liebenswerte Eigenschaft ihrer Rolle, die mich berührt hat. Ihre Rolle braucht Zeit, um sich zu entwickeln, was ich schade finde, da einem erst später klar wird, wie bedeutungsvoll sie für die Geschichte ist. Vor allem sind die Szenen, in denen Remziye auf ihr Umfeld reagiert, besonders aussagekräftig. Kida Khodr Ramadan als der syrische Flüchtling hat leider zu wenig zu tun gehabt. Seine Rolle ist hierbei am wenigsten ausgearbeitet, was ich ein bisschen schade finde, denn mir wurde zu Beginn nicht besonders klar, wieso der Zuwachs der syrischen Flüchtlinge in der Türkei auf so viel Abneigung trifft. Durch seine Rolle hätte man den Konflikt besser verdeutlichen können, was erst am Ende geschieht.
Fazit
Wer beim türkischen Kino die Vorstellung hat, dass es sich hierbei nur um Romanzen oder Soaps handelt, der kann mit SAF eine kleine Überraschung erleben. Ali Vatansevers zweiter Film ist ein Drama, dass mit Hilfe einer bodenständigen Inszenierung eine großartige Charakterstudie erzählt. Wir begleiten hierbei die zwei Hauptcharaktere Kamil und Remziye in einer Gesellschaft, die leider zu wenig Gehör findet. Begleitet wird dies durch eine großartige technische Inszenierung und großartigen Schauspielleistungen. Auch wenn der Film im Grunde eine simple Handlung zu erzählen hat, sind es die gut geschriebenen Charaktere, die einem dabei helfen, dass die 100 Minuten wie im Flug vergehen. Ich hoffe das der Film in Deutschland seine Kinobesucher bekommt, denn die hat er allemal verdient. Es ist einer dieser Filme, der auf jeden Fall auch Tage nach einer Sichtung im Gedächtnis bleibt.
Wie hat Dir der Film gefallen?
Originaltitel | Saf |
Kinostart | 24.02.2022 |
Länge | ca. 102 Minuten |
Produktionsland | Türkei | Deutschland | Rumänien |
Genre | Drama |
Verleih | Real Fiction |
FSK | unbekannt |
Regie | Ali Vatansever |
Drehbuch | Ali Vatansever |
Produzierende | Anamaria Antoci | Adela Vrinceanu Celebidachi | Harry Flöter | Jörg Siepmann | Selin Vatansever | Oya Özden |
Kamera | Tudor Vladimir Panduru |
Schnitt | Evren Lus |
Besetzung | Rolle |
Erol Afsin | Kamil |
Saadet Aksoy | Remziye |
Onur Buldu | Fatih |
Emrullah Cakay | Güvenlik Görevlisi |
Nazli Cetinel | Sekreter |
Gökhan Civan | Cafer |
Ümmü Putgül | Nevin |
Kida Khodr Ramadan | Ammar |
Ebru Ojen Sahin | Burcu |
Kutay Sandikci | Riza |
Ali Eren Sayar | Kemal Bey |
Omer Tasli | Mahalleli |
Mihaela Trofimov | Ivona |
Taj Sher Yakub | Syrian worker |
Wie hat Dir der Film gefallen?
Hinterlasse einen Kommentar