In einer nicht weit entfernten Zukunft lebt eine Gesellschaft unter der Erde. Was sich außerhalb des gigantischen Silos, der vom Rest der Welt abgeschotteten Heimat befindet, lässt sich nur anhand weniger Aufzeichnungen erahnen. Doch auch innerhalb des dystopischen Zufluchtsortes liegen finstere Geheimnisse verborgen, deren Ergründung das Leben der Bewohner*innen grundlegend verändern kann. Sowie das von Juliette, die innerhalb der gesicherten Mauern auf rätselhafte Schicksale und Vertuschungsversuche stößt.
Rezension
Spoilerfreier Eindruck zur ersten Staffel “Silo”
Das einzige Tageslicht, welches die Anwohner*innen des vielstöckigen Zufluchtsortes erreicht, überträgt eine kleine Kamera, die einen Einblick darin liefert, was die Menschen außerhalb des Silos erwartet. Eine verseuchte, postapokalyptische Welt, in der es kaum eine Chance zum Überleben gibt. Höchstens für ein paar Augenblicke, in denen Auserwählte zur Bestrafung nach draußen geschickt werden, um die Linse jener Kamera zu säubern und um danach zu sterben. Determiniert von der unüberwindbaren Begrenzungen entfaltet sich das Innenleben des Silos in der gleichnamigen AppleTV+ Serie, die das Mystery- und Science-Fiction-Genre nicht mit innovativen Ideen umkrempelt, dem Programm des Streaminganbieters jedoch einen weiteren atmosphärisch dichten sowie sehenswerten Eintrag hinzufügt.
Basierend auf der Vorlage von Hugh Howey widmet sich die erste Staffel der Serie dem ersten Band der Bestseller-Reihe. Und mit diesem der Geschichte rundum Juliette, die ihrer Arbeit im Maschinenraum nachgeht und allmählich auf erschütternde Geheimnisse stößt. Wenngleich sich die Geschehnisse von einem ausführlichen Prolog an entlang einer Handvoll Figuren entwickelt, konzentriert sich die Handlung zunehmend auf die von Rebecca Ferguson (DUNE, DOCTOR SLEEPS ERWACHEN) ruhelos dargestellte Ingenieurin. In zurückhaltendem Tempo entschlüsseln sich dem Publikum Figurenstränge und Hintergründe wie der entschlossen auftretenden Hauptfigur die Geheimnisse des Silos. Crime- und Mysteryelemente überwiegen dabei die technisch-futuristischen Einschnitte und setzen sich in dialogreichen Beobachtungen sowie ohne größere Actionsequenzen zu einem spannenden Puzzle zusammen.
Wendeltreppe zur Freiheit
Dank der eindringlichen Hauptdarsteller*innen, durch die sich die gewissenhafte Entdeckung der Mysterien als natürlicher Bestandteil in die dystopische Lebensrealität einfügt, entwickeln sich ausgeprägte Figurenschicksale, welchen in zehn Folgen ausreichend Zeit zur Entwicklung eingeräumt wird. Mühelos bewegt sich SILO dabei zwischen der Formung seiner Welt, bedächtigen Verschwörungsaufbau und wirksamen Charakterdramen. Letztere ertasten sich die mannigfachen Grauzonen einzelner Figuren und vermeiden vorwiegend simpel gestrickte Gut/Böse-Zeichnungen. Perspektivwechsel und -erweiterungen sowie Vergangenheitseinblicke ermöglichen die dichten Figurenporträts, die jede einzelne Entdeckung, jede emotionale Konfrontation mit Gegenwart und Erinnerungen, jede Faszination eingängig und plausibel festhalten.
So wie das gigantische Setting, welches in Größe und Ausmaß gelegentlich schwer zu begreifen ist, jedoch wiederholt eine eigene, packende Charakterisierung erfährt. Eine mitunter wandelbare Charakterisierung, denn ob der Zufluchts- oder Gefängnischarakter des Silos überwiegt, hängt von der Perspektive Einzelner ab. Den Blickwinkel der ärmeren, der am unteren Ende des hierarchisch organisierten Zylinders angesiedelten Bevölkerungsteile überwiegend ausblendend, widmet sich die erste Staffel allem voran dem Kosmos der Hauptfigur, der sich vom Maschinenraum bis in die oberen Ebenen, über unzählige Treppenstufen bis in finstere Winkel des Silos erstreckt. Ersterer etwa erhält beeindruckende Präsenz, wenn sich Mensch und Maschine, Physis und Schaffenskraft zu einer wirkungsvollen Spannungssequenz kristallisieren.
Die Geheimnisse gewissenhaft wahrend und ebenso bedächtig ausspielend, besticht die prominent besetzte erste Staffel mit einem sich kontinuierlich zuspitzenden Aufbau, in dem sich Storyfragmente nicht immer überraschend, aber in dichter Atmosphäre und mit eindringlichen (Schauspiel-)Handwerk einbetten. Erzählerische Motive und (moralische) Dilemmata, wie sie der Machtapparat des Silos und Bewohner*innen untereinander hervorrufen oder wie sie sich im Verschleiern und der Suche nach der Wahrheit, dem Entdecken einer Verschwörung entdecken lassen, sind dem Genre gewiss nicht fremd. Im Falle von SILO ist die Geschichte um eine Nachforschungen anstellende Einzelgängerin jedoch einmal mehr mit überzeugenden Darsteller*innen, erprobten Handwerk, einem stimmungsvollen Soundtrack von Atli Örvarsson und ruhevoller, aber packender Erzählweise umgesetzt.
Fazit
Wie eine geheime Botschaft, die sorgfältig zusammengefaltet wurde und in zehn Episoden ebenso sorgsam wieder ausgebreitet wird, offenbart SILO nach und nach das Wesen seines titelgebenden Handlungsortes und das seiner zentralen Figuren. Deren Schicksale puzzeln sich in ruhiger, konzentrierter Erzählweise zu einem eindringlichen Mystery-Drama, welches seine Charaktere gleichermaßen ergründen möchte wie seine grundlegenden Geheimnisse. Mühelos trägt Rebecca Ferguson die ohne große Abschweifungen erzählte Geschichte, deren handwerkliche Umsetzung eine sehenswerte erste Staffel abrundet.
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