Review Kurzkritik Fakten + Credits
Als Kind habe ich mir die Zukunft ganz anders vorgestellt, als es in der Realität geworden ist. Ich war mir sicher, dass wir spätestens im Jahr 2020 fliegende Autos haben werden. In meinen Träumen habe ich utopische Welten gesehen, mit vielen Pflanzen, geschwungenen Gebäuden und glücklichen Menschen. Woran ich damals nicht gedacht habe, war ein weltumspannendes Netzwerk, dass unser Leben wesentlich leichter machen wird. Heute denke ich gerne an Sätze meiner Lehrer*innen zurück wie „Ihr werdet später nicht immer einen Taschenrechner/Lexikon dabei haben!“, um uns zum lernen anzuspornen, wie sehr sie sich getäuscht haben. Durch das Internet haben Menschen die Chance sich zu organisieren, sich mit gleichgesinnten auszutauschen. Auch unsere Arbeitswelt hat sich maßgeblich verändert. Neue Jobs sind entstanden und plötzlich haben viele die Möglichkeit von zuhause zu arbeiten, selbst der Text, den du gerade liest, wird im Internet veröffentlicht. Das Internet ist voller Potenziale, die vermutlich noch nicht mal ansatzweise ausgeschöpft sind, vielleicht ja auch irgendwann fliegende Autos.
Wo es neue Chancen gibt, entstehen aber auch immer neue Risiken. Durch das hantieren mit sensiblen Daten, gibt es immer Leute, die versuchen werden an diese Daten zu kommen, um mit Ihnen Geld von großen Unternehmen zu erpressen. Autokratische Staaten wie China oder Russland, können Propaganda verbreiten und die freie Verfügung von Informationen einschränken. Außerdem kann das Internet süchtig machen. Durch Social Media versuchen wir uns in einem schönen Licht darzustellen, wir wollen viele Likes, wahrgenommen werden, für den kurzen Dopamin-Kick. Mit genau diesem Thema setzen sich Hannah Barlow und Kane Senes in ihrer Horror-Komödie SISSY auseinander. Der Film will uns, auf etwas überspitzte Weise, das Leben einer Influencerin zeigen, die nicht nur Zuspruch erhält, sondern sich auch mit Kritik auseinandersetzen muss.
Darum geht es…
Cecilia (Aisha Dee) hat mittlerweile 200.000 Follower*innen auf Instagram. Sie will mit ihren kurzen Videos für mehr Selbstliebe bei den Mitgliedern ihrer Community sorgen. Dabei gehören Atemübungen, Meditationen und das stetige Wiederholen von Mantras zum regelmäßigen Programm. Als die Influencerin eines Tages im Drogeriemarkt eine alte Freundin trifft, kommen Erinnerungen aus ihrer Kindheit hoch. Emma (Hannah Barlow) und Cecilia waren als Kinder unzertrennlich, doch die Wege der beiden haben sich irgendwann getrennt. Auch bei Emma kommen wieder Erinnerungen hoch und sie lädt Cecilia kurzfristig auf ihre Verlobungsfeier und später zu ihrem Junggesellinnenabschied ein. Was Cecilia nicht weiß, Alex (Emily De Margheriti) wird auch dabei sein. Sie war während der Kindheit Cecilias Mobberin, scheint aber nun die beste Freundin von Emma zu sein. Alex beginnt in alte Muster zu verfallen und die Lage beginnt langsam zu eskalieren. Die feuchtfröhliche Party endet blutig!
Rezension
SISSY ist einer dieser Filme, die man am besten genießen kann, wenn man nur wenig Vorwissen hat. Schaut euch deswegen am besten vorher keine Trailer an, lasst euch einfach auf diese sehr spaßige Reise ein. Der Film lebt von seiner Skurrilität und dem ständigen Brechen der Erwartungen. So beginnt die Handlung wie eine leichte Komödie. Wir sehen eine sympathische, aber auch tollpatschige Hauptfigur, die in Jogginghose und Schlabberpulli in die Drogerie geht, um sich neue Binden zu kaufen. Hier stolpert sie fast über eine Schwangere und stößt mit ihrer Kindheitsfreundin zusammen. Wer hat nicht schon ähnliche Hollywood-Produktionen gesehen, in denen die Handlung folgenermaßen weitergeht: Cecilia wird eingeladen. Es kommt zu Streitigkeiten mit ihrer Mobberin. Es kommt raus, dass es der Mobberin auch nicht so gut geht. Die Frauen bemerken ihre Gemeinsamkeiten. Alle sind Freundinnen. Happy End. SISSY nimmt allerdings einen anderen Weg. Der Film spielt mit den Erwartungen, die uns Hollywood über Jahre eingetrichtert hat, um dann zu einem blutigen Splatter-Vergnügen zu werden.
SISSY entwickelt sich dabei nicht zu einem Film, in dem ständig Gliedmaßen durch die Gegend fliegen. Für Gore-Fans wird der Film vermutlich nur wenig Neues bieten. Die Gewaltspitzen werden eher pointiert eingesetzt, dafür funktionieren sie sehr gut, insbesondere im Kontrast zum restlichen Film. Gerade zu beginn ist der Film in warmen Farben gehalten und die Szenen wirken weichgezeichnet. Die Bilder sollen uns zeigen, in was für einer Welt Cecilia lebt, oder in was für einer Welt sie glaubt zu leben. In den ersten Szenen sehen wir Cecilia aus den Augen ihrer Follower*innen, bei einer Atemübung. Sie ist vor einem rosa Hintergrund, neben ihr eine Pflanze. Alles scheint perfekt zu sein. Die Kamera entfernt sich dabei immer weiter von Cecilia, bis sie selbst aufsteht und das Video beendet. Sie geht in eine dreckige Küche, holt sich ein Stück alte Pizza aus dem Kühlschrank und setzt sich in ein zugemülltes Wohnzimmer.
Die glänzende Welt der Influencer*innen?
Die Regisseur*innen Hannah Barlow und Kane Senes wollen uns damit zeigen, wie falsch die dargestellte Lebenswelt der Influencer*innen ist. Es gibt niemanden der/die ein perfektes Leben führt. Zum Menschsein gehören sämtliche Emotionen, nicht nur Freude und Liebe, sondern auch Trauer und Wut. SISSY zeigt uns, etwas überspitzt, was passiert, wenn wir unsere Emotionen permanent unterdrücken und nur Freude zulassen. Der Film will einen Blick hinter die glänzende Fassade des Influencer-Lebens werfen. Für die Hauptrolle, wurde dabei eine perfekte Besetzung gefunden. Aisha Dee spielt hier eine unglaublich sympathische Figur, bei der es sehr leichtfällt, sich mit ihr zu identifizieren. Egal wie fragwürdig sie sich im Film verhält, wir fiebern mit ihr mit, wir wollen, dass es ihr gut geht. Barlow und Senes halten uns damit indirekt den Spiegel vor. Alle anderen Figuren, verkommen neben der sehr charismatischen Aisha Dee leider zu eindimensionalem Beiwerk
Auch handwerklich kann SISSY überzeugen. Der Film spielt ganz bewusst mit gängigen Social Media Stilmitteln. Es wirkt immer wieder so, als würde ein Instagram Filter über den Bildern liegen, gerade dann, wenn wir die Welt aus Cecilias Blickwinkel sehen. Zusätzlich wird auf schnelle Schnitte gesetzt, wie es beispielsweise bei TikTok üblich ist. Diese Schnittfolgen kommen meistens aus dem Nichts und sorgen für einige starke visuelle Gags. Die Stimmung wird zusätzlich von einem bunten Soundtrack unterstrichen. Wir hören dabei immer wieder Stücke, durch die der Film seine Albernheit hervorhebt. Ein paar Schwächen hat der Film zwar in der optischen Umsetzung seiner Horror-Elemente, es scheint aber fast so, als wäre man hier einen bewusst trashigen Weg gegangen, um erneut die eigene Absurdität hervorzuheben.
Fazit:
Wenn ihr Fans seid, von gut gemachten, spaßigen Horror-Komödien führt kein Weg an SISSY vorbei. Der Film ist nicht perfekt, zieht aus seinen Schwächen allerdings eine riesige Portion Charme. Wir sehen mit Cecilia eine sehr sympathische und vielschichtige Hauptfigur, die in einer Fantasiewelt lebt. Obwohl man Cecilia eigentlich ablehnen müsste schafft es Aisha Dee, ihre Figur mit so viel Leben zu füllen, dass sie sowohl liebenswert als auch abscheulich ist. Nebenher ist der Film eine kritische Auseinandersetzung mit Social Media, vergisst dabei aber nicht, dass er ein unterhaltsamer Film sein will. SISSY ist eine spaßige Horror-Komödie mit Kultpotenzial.
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