FilmkritikIn KürzeDas sagen die Kolleg:innen
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FSK 12

FSK 12 ©FSK

Originaltitel: The Wolf Hour
DVD/Blu-ray Release: 28.01.2021

Länge: ca. 99 Minuten
Produktionsland: USA
Regie: Alistair Banks Griffin
Schauspieler:innen: Naomi Watts | Jennifer Ehle | Brennan Brown
Genre: Drama | Thriller
Verleih: Koch Films

Stunde der Angst

Stunde der Angst ©2021 Koch Films

Strom ist in der heutigen Zeit kaum noch wegzudenken und nahezu unverzichtbar, da einfach alles auf dessen Funktion basiert. Auch 1977 sah das nicht wesentlich anders aus, doch dort erlebten viele Millionen Menschen den Supergau. Am 13.07. des Jahres um 21:36 Uhr fiel für unfassbare 25 Stunden das gesamte Stromnetz New Yorks aus. Eine Reihe unglücklicher Zufälle und menschlichen Versagens waren die Ursache und führten dazu, dass von jetzt auf gleich tausende Menschen improvisieren mussten, denn nicht nur, dass 15.000 Menschen auf dem Kennedy-Airport zwangsübernachten mussten, auch Krankenhäuser kamen ordentlich in die Bredouille und im Bellevue Hospital schaffte nicht einmal das Notstromaggregat die Problematik abzufangen. Doch nicht nur der Stromausfall selbst machte allen zu schaffen, auch dessen Folgen, die fast schon an heutige Filminterpretationen wie THE PURGE erinnern, sorgten für ein riesiges Chaos.

Binnen einer Nacht versank die Stadt, in Gewalt, Terror und Angst, denn vor allem die vielen Arbeitslosen und armen Menschen, die rund 40% der dortigen Gesamtbevölkerung ausmachten, sahen in diesem Moment ihre Chance und schnappten alles, was nicht Niet- und Nagelfest war, um sich damit persönlich zu bereichern oder gar die Waren in den folgenden Tagen auf dem Schwarzmarkt zu verscherbeln. Insgesamt wurden 1616 Geschäfte geplündert, 3776 Menschen festgenommen, 463 Polizisten, 80 Feuerwehrleute und 204 Zivilisten wurden verletzt und zwei starben sogar in einem der 1037 Brände, die ausgebrochen sind.* Ein schwarzer Tag in der Geschichte New Yorks war somit die Folge, und das auch noch mitten in einem überheißen Sommer, der ohnehin schon allen Menschen schwer zu schaffen machte. Der Gesamtschaden soll sich nach heutigen Schätzungen auf über eine Milliarde US-Dollar beziffern lassen.



Darum geht es…

June Leigh ist eine Autorin, die bereits einige erfolgreiche Werke veröffentlicht hat und hoch angesehen wird bei ihrem Verlag. Doch schon länger hat sie es nicht mehr geschafft an ihren Erfolg anzuknüpfen. Doch dass ihre Verlegerin endlich ein neues Manuskript von ihr verlangt, damit June wieder ein wenig Geld für die kommende Zeit erhält ist nicht ihre größte Sorge. Viel mehr scheint es, als würde sie in ihrer Wohnung terrorisiert werden. Immer wieder klingelt es und niemand antwortet an der Gegensprechanlage. June verschanzt sich in ihrer Wohnung und verlässt nicht mehr das Haus. Ihre Lebensmittel lässt sie sich liefern, der Müll wird durch das Fenster entsorgt und die Miete wird unter der Tür durchgeschoben. Es umtreibt sie die Angst um den berüchtigten Killer Son of Sam in einem unfassbar heißen Sommer, der letztlich auch noch im berühmt berüchtigten Stromausfall gipfelt.

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Rezension

STUNDE DER ANGST nimmt sich eigentlich einen sehr spannenden Moment der amerikanischen, oder speziell der New Yorker Geschichte vor, und betrachtet hier ganz speziell das Leben einer einzelnen ohnehin schon gebrochenen Person sowie deren Umgang mit den Vorkommnissen. Grundlegend somit ein ausbaufähiges Konzept, welches Regisseur Alistair Banks Griffin mit düsteren Bildern und einer gedrungenen Atmosphäre festhält, die das Publikum in eine klaustrophobische Lage versetzt. Damit wird ein Szenario geschaffen, welches kaum noch trefflicher sein könnte in der aktuellen Zeit, denn auch wir sind, wenn auch aus anderen Beweggründen, derzeitig mehr oder weniger in unseren eigenen vier Wänden eingesperrt und lernen vergleichbare Gefühlslagen zunehmend besser kennen.

Stunde der Angst

Stunde der Angst ©2021 Koch Films

Rein persönlich kann ich zudem durch ein recht langes Singleleben verschiedene Gefühle und Emotionen gut verstehen und das aus ohnehin schon distanzierter Lebensweise eine noch größere Abschottung von jeglichem menschlichen Kontakt die Folge sein kann. Auch ein gewisses Unwohlsein beim Verlassen der Wohnung, die Interpretation von seltsamen Geräuschkulissen, Einbildungen und Wahnvorstellungen sind nachvollziehbar und denkbar, ohne Frage gipfelnd in einer tragischen Depression. Auch die Verlotterung, die wir hier durch Naomi Watts präsentiert bekommen, hinsichtlich der zunehmend unsaubereren Wohnung ist durchaus nachvollziehbar in solcher Situation, da jegliche Motivation nur schwer aufzubringen ist und das Selbstwertgefühl am absoluten Minimum kratzt. Somit hat der Regisseur ein äußerst realistisches und existenzielles Szenario geschaffen, welches wir nur selten in Filmen zu Gesicht bekommen.

Ein uninteressante Geschichte in einer spannenden Welt

Doch abseits davon fehlt dem Werk leider jegliche erzählerische Stärke. Insbesondere hapert es daran, dass wir über den ganzen Film hinweg fast nichts über die Protagonistin erfahren – weder ihre Hintergründe noch ihre Motive für jegliche Handlungen. Stets fragt man sich als zuschauende Person, wie es dazu kam, dass eine solche Berühmtheit plötzlich dem totalen Verfall ausgeliefert scheint. All dies, was wir als Konsumenten erfahren wollen, scheint in dem Buch enthalten zu sein, welches die Hauptfigur schreibt, doch wird uns niemals mitgeteilt, was nun letztlich wirklich enthalten ist. Begleitet wird der Film von eben jenen Katastrophen, die schon zuvor erwähnt wurden – dem New Yorker Blackout und der Angst vor Son of Sam, der mit bürgerlichem Namen David Berkowitz heißt und nach seiner Festnahme am 10. August 1977 zu 365 Jahren Haft verurteilt wurde für mehrere Morde und schwere Verletzungen.

Stunde der Angst

Stunde der Angst ©2021 Koch Films

Das ärgerliche an STUNDE DER ANGST ist vor allem, dass eine gewisse Neugier aufgebaut wird, gerade, weil man erfahren möchte, welche Hintergründe diese etwas psychisch gestörte Frau durchlebt haben muss, um an diesem Punkt im Leben angekommen zu sein, dieses Wissen jedoch zu keinem Zeitpunkt befriedigt wird und einfach nichts passiert. Als große Storyaufhänger werden scheinbar simpelste alltägliche Situationen genommen, die eigentlich keiner weiteren Erwähnung bedürfen, die dann wiederum unsinnig und unrealistisch inszeniert sind. So lässt die Protagonistin ihren Müll an einem Seil aus dem Fenster herunter, wo sich gleich mehrere Fragen stellen: Wie soll sich der Müll von dem Seil lösen? Wo hat man ein rund 15 Meter langes Seil her, warum verletzt sie sich dabei so enorm, wenn sie einfach den Halt am Seil verliert, so dass die Verletzung über mehrere Monate anhält? Allein diese Szene bietet viele Fragen, die eigentlich nur mit unsinnigen Antworten erklärt werden können.



Das Surren der Angst

Auch Mrs. Watts trägt nicht gerade für mehr Qualität bei, denn fast in jeder Szene, in der wir sie zu sehen bekommen, zeigt sie ein verschrecktes, zweifelndes und skeptisches Gesicht. Mimischer Einfallsreichtum bleibt somit völlig aus und die Figur schafft es einzig und allein durch die Handlungen eine Art Persönlichkeit zu entwickeln, nicht jedoch durch das Schauspiel. Da es zudem keine großen weiteren Rollen gibt, die hier fokussiert werden, tritt die gesamte Geschichte die ganze Zeit nur auf der Stelle und findet keinen sinnvollen Ansatz sich zu entwickeln. Keine der Taten haben irgendwelche Konsequenzen und es bildet sich nicht ein einziger spektakulärer Moment, der die Existenz dieses Films rechtfertigen könnte. Für eine Art psychologische Einsamkeitsstudie ist STUNDE DER ANGST leider viel zu unkritisch, für einen Thriller viel zu harmlos und für ein Drama viel zu langweilig.

Stunde der Angst

Stunde der Angst ©2021 Koch Films

Einzig ein Punkt schafft es immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: die dauerhaft dröhnend surrende Klingel, die nicht nur die Hauptfigur in den Wahnsinn treibt, sondern auch das Publikum. Insbesondere liegt das daran, dass der Sound gut auf das Surround-System verteilt wurde und daher eine ziemlich bedrückende Stimmung schafft, die dann durch das penetrante Betätigen der Klingel zu einem atmosphärischen Höhepunkt getrieben wird. Aber auch dieser Ansatz bleibt völlig konsequenzlos und bringt weder den Film noch das Filmerlebnis einen wirklichen Schritt weiter. Einen ersten minimalen Aufschwung erfährt der Film ab einer Stunde und 20 Minuten, was nach Adam Riese gerade einmal 19 Minuten möglicher interessanter Handlung zur Folge hat, wovon natürlich auch noch der Abspann zeitlich wegfällt. Und selbst dieser Augenblick ist nicht so recht durchschaubar und sinnig erzählt, da hier einfach keine Erkenntnisse angeboten werden.

Fazit

Dieses Kammerspiel hat grundsätzlich einen neugierig machenden Ansatz gefunden und schafft es auch diesen Wissensdurst beim Publikum aufzubauen. In dessen Folge versagt STUNDE DER ANGST jedoch auf ganzer Linie, da der Film keinen roten Faden aufweisen kann, vor Konzeptlosigkeit strotz, schauspielerische Einöde präsentiert und zu keinem Zeitpunkt mal einen Ansatz entwickelt, der vermitteln könnte, was die Filmemacher:innen hier eigentlich erzählen wollten. Insbesondere führten erst einige Recherchen zu entsprechenden Kontextverständnissen, die auch nur einen minimalen Ansatz für die Sinnhaftigkeit bieten konnten, auch wenn diese noch immer nicht erklärten, warum Requisiten wie eine Waffe erst in einen elementaren Fokus gestellt werden und kurz darauf nie wieder inhaltlich auftauchen. Während die Atmosphäre teilweise ganz angenehm ist, versagt der Film dennoch in jeglicher anderen Hinsicht auf ganzer Linie und bietet einzig und allein Raum für die Frage: Wozu ein solcher Film?

Dieser Film beschäftigt sich mit einer Frau, die kurz davor steht einen der dunkelsten Tage der New Yorker Geschichte zu erleben – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn es handelt sich um den legendären Stromausfall von 1977, was schon jetzt diesen Film völlig absurd erscheinen lässt, da uns der Titel gerade einmal eine Stunde Angst verspricht – was ist also mit der ganzen restlichen Zeit, denn der Stromausfall dauerte ganze 25 Stunden an! Doch abseits davon bekommen wir ein kleine Persönlichkeitsstudie kombiniert mit einem Kammerspiel geliefert, die jedoch sehr wenig Persönlichkeit und noch weniger Studie liefert als vielmehr eine äußerst eintönige und nichtssagende Story, die nie zu einer Konsequenz oder gar einer Form der Erklärung führt. Bis zum Schluss werden keine Motive klar, die die Handlungen der Protagonistin rechtfertigen würden oder eine sinnvolle Assoziation zu ihren Ängsten bieten könnte. Ein paar gute atmosphärische Momente, dominiert von einer bedrückend surrenden Klingel, sorgen für ordentlich Neugier bei den Konsument:innen, welche letztlich jedoch nie endgültig befriedigt wird. Ergänzt wird dieses filmische Drama zudem noch von teilweise nicht nachvollziehbaren Handlungen, die einfach in den Raum gestellt werden und so akzeptiert werden müssen, wie sie sind – warum auch immer. Insgesamt bietet sich also kaum ein Grund diesen Film empfehlen zu können – alternativ könnt ihr auch einfach eure Wohnung abdunkeln und eure Klingel in einen Zufallsmodus schalten, dann bekommt ihr das gleiche unangenehme Gefühl!

Stunde der Angst

Stunde der Angst ©2021 Koch Films