Während die Bomben im Landesinneren den Frieden stören, verläuft das Leben an der Küste im Südosten Englands nahezu normal weiter. Dennoch hinterlässt der Zweite Weltkrieg auch im idyllischen Küstenörtchen Kent seine Spuren. Um den aus den Großstädten evakuierten Kindern einen sicheren Zufluchtsort gewähren zu können, ist es an der ortsansässigen Bevölkerung die Geflüchteten bei sich aufzunehmen. So auch im Falle des jungen Frank (Lucas Bond), der plötzlich bei der sichtlich überrumpelten Alice Lamb (Gemma Arterton) vor der Haustür steht. Die introvertierte Schriftstellerin führt ein zurückgezogenes Leben, alleine in ihrem Häuschen nahe dem Meer und ist alles andere als erfreut über ihren neuen Hausgast. Alleine wegen ihrer Abneigung gegenüber Kindern, wäre sie nie auf die Idee gekommen, sich freiwillig für die Beherbergung des Jungen zu melden. Widerwillig akzeptiert sie die neue Situation, nur um sich sofort ans Werk zu machen, den ungebetenen Gast schnellstmöglich wieder loszuwerden. Doch mit der Zeit findet sie mehr und mehr Zugang zu Frank und entdeckt dabei einen längst vergessen geglaubten Wärme in ihrem Herzen.
Rezension
Bedenkt man, was man sich als unverheiratete, kinderlose Frau mittleren Alters im aufgeklärten Jahr 2023 alles anhören muss, möchte man sich gar nicht erst ausmalen, wie das wohl Anfang des 21. Jahrhunderts ausgesehen haben mag. In dieser familienfixierten Welt gehört die eigenbrötlerische Alice zu einer ungewöhnlich-seltsamen Spezies. Kein Mann. Keine Kinder. Einzig und alleine ihre Arbeit. Statt eines Kinderwunschs hegt sie eine regelrechte Abneigung gegenüber Kindern, die dies wiederum für sich zu nutzen wissen und die „garstige alte Frau“ bei jeder Gelegenheit piesacken. Entsprechend breit ist auch ihr diebisches Grinsen, wenn sie einem quengelnden Jungen unmissverständlich eine Tafel Schokolade in Aussicht stellt, um diese dann genüsslich selbst zu verspeisen. Für die Meisten dürfte Jessica Swales Debütfilm SUMMERLAND mit der Einführung der kinderhassenden Schriftstellerin in den ersten Minuten eine echte Unsymphatin etabliert haben – irgendwie mögen muss man sie dann aber doch.
Dass SUMMERLAND mit der antizyklischen Exposition seiner Protagonistin zunächst in die gegengesetzte Richtung arbeitet, um ihr im späteren Verlauf doch noch eine erleuchtende Entwicklung hin zur liebenden Frau zu verschaffen, dürfte die Wenigsten überraschen. Das Gefälle von Böse zu Gut ist dabei aber weitaus geringer als in vergleichbaren Filmen wie GRAN TORINO von und mit Clint Eastwood und ordnet sich mit seiner heiteren Gutherzigkeit eher bei der vor wenigen Monaten in den Kinos gestarteten Tragikomödie MEIN NAME IST OTTO ein, in dem sich Tom Hanks als grummeliger, alter Mann das Herz erweichen lässt. Das historische Setting des Zweiten Weltkrieg hingegen ist neu. Ebenso die romantisch verklärte Idylle, in der Jessica Swale ihre zuckersüße Geschichte entspinnt. Mit den malerischen Kulissen der Küstenregion im Südosten Englands ist SUMMERLAND somit nicht nur etwas fürs Herz, sondern auch fürs Auge.
Die große Gemma Arterton-Show
In ihren besten Momenten ist Jessica Swales Erzählung über weibliche Unabhängigkeit, Sehnsucht und Bedauern auf einfache, aber schöne Art und Weise hoffnungsvoll-romantisch und melancholisch. Nur eben auch arg konstruiert und in der Zusammensetzung der Motive und Entwicklungen wie am Reisbrett entworfen. Dass SUMMERLAND letzten Endes doch so wunderbar funktionieren kann, ist voll und ganz dem leidenschaftlichen Spiel der JAMES BOND-Darstellerin Gemma Arterton zu verdanken. Als Alice durchlebt die charismatische Britin eine komplexe Bandbreite an Gefühlen und harmonisiert dabei wunderbar im Zusammenspiel mit dem ebenfalls bestechenden guten Kinderdarsteller Lucas Bond. Der starke Cast lässt die Schwächen im Skript mehr als nur einmal in den Hintergrund geraten und manövriert die oftmals triviale Tragikomödie aus dem Mittelmaß.
Fazit
Gemma Arterton sticht in ihrer Rolle als gutherziger Griesgram aus der allzu bekannten Geschichte einer sich vom Leben abgewandten, verletzten Seele heraus und zieht das Publikum von der ersten Minute an in den Bann. Ohne das facettenreiche Spiel der britischen Darstellerin wäre SUMMERLAND keinesfalls der warmherzig, schöne Film geworden, der sich letzten Endes den Weg in die Herzen der Zuschauer*innen bahnen konnte. Mit ihrem einfühlsamen Regiedebüt ist Jessica Swale ein süßer kleiner Indiefilm gelungen, der trotz all seiner erzählerischen Schwächen ein gutes Gefühl hinterlässt. Nicht besonders tiefgründig. Nicht neu. Aber schön – fast so wie die sonnendurchfluteten Kulissen der malerischen Südostküste Englands.
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Originaltitel | Summerland |
Kinostart | 24.7.2020 |
Länge: | 100 minuten |
Produktionsland | United Kingdom |
Genre: | Drama | Liebesfilm |
Regie | Jessica Swale |
Executive Producer | Gemma Arterton | Natascha Wharton | Jan Pace | James Atherton | Emma Berkofsky | Hugo Grumbar | Tim Haslam | Zygi Kamasa |
Producer | Adrian Sturges | Guy Heeley |
Kamera | Laurie Rose |
Visual Effects | Marcin Kolendo |
Musik | Volker Bertelmann |
Cast | Gemma Arterton, Gugu Mbatha-Raw, Penelope Wilton, Tom Courtenay, Lucas Bond, Dixie Egerickx, Siân Phillips, Amanda Root, Jessica Gunning, David Horovitch, Martina Laird, Amanda Lawrence, David Ajao, Thomas Coombes, Rakhee Thakrar, Fergal McElherron, Sally Scott, Toby Osmond, Joshua Riley, Nimmy March |
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